Poroschenko vor US-Kongress:"Es ist auch Amerikas Krieg"

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Ukraines Präsident Poroschenko bittet die USA um Waffen im Kampf gegen prorussische Separatisten, die Amerikaner lehnen dies bislang ab. FDP-Politiker Genscher kritisiert die schärfer werdenden Russland-Sanktionen.

  • Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko bittet die USA im Kampf gegen die prorussischen Separatisten um Waffen.
  • Im Ukraine-Konflikt stellt der ehemalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) die Sanktionspolitik gegenüber Russland infrage.
  • Russlands Präsident Putin soll Europa massiv bedroht haben. Binnen zwei Tagen könnten seine Truppen Riga, Vilnius oder Warschau erreichen, soll der Kremlchef zum ukrainischen Präsidenten Poroschenko gesagt haben.
  • In Kiew ist ein Streit in der Regierung um den Sonderstatus für den Osten des Landes entbrannt.

Poroschenko spricht vor dem US-Kongress

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat bei seinem USA-Besuch um Waffen und andere Militärhilfe für den Kampf gegen die prorussischen Separatisten gebeten. Der Schutz der ukrainischen Demokratie vor der russischen Aggression erfordere eine starke Armee, sagte Poroschenko vor dem US-Kongress. Die Amerikaner haben Waffenlieferungen an die Ukraine bisher abgelehnt und lediglich nicht-militärische Hilfe zugesagt. Poroschenko rief den Kongress auf, die Ukraine nicht im Stich zu lassen. Sollte Russland mit seiner "Invasion" erfolgreich sein, stehe "ein neuer Kalter Krieg" bevor. "Es ist auch Amerikas Krieg", sagte Poroschenko.

Die USA haben der Ukraine bereits Unterstützung im Wert von 60 Millionen Dollar (46 Millionen Euro) zugesagt, unter anderem für Lebensmittel, Schutzwesten und Nachtsichtgeräte. Der Kongress erwägt, diese Mittel noch aufzustocken.

Kurz vor dem Besuch Poroschenkos hatten die Ukraine und die Europäische Union ein Partnerschaftsabkommen beschlossen. Dies sorgt für zusätzliche Spannungen mit Russland, das den Separatisten nahesteht. Die Regierung in Moskau bestand etwa darauf, dass ein in dem Abkommen enthaltener Freihandelspakt erst Anfang 2016 in Kraft tritt.

Kritik an EU-Sanktionspolitik

Hans-Dietrich Genscher (FDP) kritisiert die aktuelle Sanktionspolitik der Europäischen Union und der USA gegenüber Russland. "Ich habe meine Zweifel, ob wir am Ende sagen werden, das war eine besonders erfolgreiche Unternehmung", sagte der ehemalige Bundesaußenminister dem TV-Sender Phoenix. "Sanktionen sind wie eine Leiter, immer eine Stufe höher, und auf einmal ist sie zu Ende. Dann stehen sie vor der Frage, ob sie wieder runterklettern oder runterspringen. Das möchte ich uns lieber ersparen."

ExklusivBerichte des ukrainischen Präsidenten
:Putin soll Europa massiv gedroht haben

Russische Truppen binnen zwei Tagen in Warschau, Riga, Vilnius oder Bukarest: Kremlchef Wladimir Putin soll dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko gesagt haben, dass seine Armee zügig osteuropäische Hauptstädte erreichen könnte. Das geht aus einer Gesprächszusammenfassung der EU hervor, die der "Süddeutschen Zeitung" vorliegt.

Von Daniel Brössler

Putins Empörung über Stationierungen von Truppen und Waffensystemen an der russischen Westgrenze hält Genscher für berechtigt: "Russland hat natürlich auch akzeptiert, dass die unabhängig gewordenen Staaten Mitglied der Europäischen Union wurden. Wenn aber dann, zusätzlich zur Nato-Mitgliedschaft, etwas nicht mehr eingehalten wird, was man zugesagt hatte, wie in der Nato-Erklärung von 1997, die besagt, dass man nicht ständige Stationierungen in den neuen Mitgliedsländern vornehmen will, und dann dort Raketenabwehrstellungen gebaut werden sollen, dann bedeutet das eine Veränderung." Genscher betonte, dass sich Raketenstellungen nicht nur gegen Staaten wie Iran richteten, sondern theoretisch auch gegen Russland.

Angeblich schwere Drohungen aus Moskau

Russlands Präsident Waldimir Putin soll verschiedene Staaten Osteuropas massiv bedroht haben. Das unterstellt die Zusammenfassung eines Telefongesprächs zwischen dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko und Putin, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt - darin heißt es:

  • Unter Bezugnahme auf seine Gespräche mit WWP (Wladimir Wladimirowitsch Putin, d. Red.) bei verschiedenen Anlässen betonte PP (Petro Poroschenko, d. Red.), wie emotional der RU (Russland/russische, d. Red.) Präsident den EU-Einfluss auf Länder in Russlands direkter Nachbarschaft angreift. "Wenn ich wollte, könnten russische Truppen in zwei Tagen nicht nur in Kiew, sondern auch in Riga, Vilnius, Tallinn, Warschau oder Bukarest sein", zitierte PP WWP.
  • In Gesprächen mit PP äußerte der RU Präsident seine Überzeugung, dass durch bilaterale Kontakte und Möglichkeiten der Beeinflussung von Entscheidungen RU eine Sperrminorität im Europäischen Rat herbeiführen könnte, um Entscheidungen zu verhindern, die sich negativ auf die Interessen von RU auswirken könnten.

Brüssel will dies weder bestätigen noch dementieren. "Wir betreiben Diplomatie nicht über die Medien und diskutieren keine Notizen aus vertraulichen Gesprächen", sagte eine Sprecherin von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Für die EU sei wichtig, zu einem dauerhaften Frieden, zu Stabilität und Wohlstand in der Ukraine beizutragen, sagte sie. Darum gehe es - "nicht um vertrauliche Gespräche, die in Presseartikeln aus dem Zusammenhang gerissen werden".

Der Kreml wies die mutmaßlichen Drohungen von Präsident Putin als "gewöhnliche Ente" zurück. "Wir halten es schon nicht mehr für möglich, auf solche Mitteilungen einzugehen", sagte Putins Sprecher Dmitri Peskow dem Radiosender Echo Moskwy.

Streit in Kiew um Sonderstatus der Ostukraine

Doch Präsident Poroschenko stößt auch in Kiew auf Widerstand. Grund ist der auf seine Initiative hin überraschend verabschiedete Sonderstatus für den Osten des Landes. Ministerpräsident Arseni Jazenjuk sagte bei einer Kabinettssitzung, seine Regierung werde die "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk nicht anerkennen. Mehrere Abgeordnete beantragten bei der Oberste Rada die Rücknahme des Gesetzes wegen angeblicher Verstöße gegen Abstimmungsregeln.

Mit dem neuen Sonderstatus räumt Kiew den Gebieten Donezk und Luhansk für drei Jahre Selbstverwaltungsrechte ein. Vorgesehen sind zudem örtliche Wahlen am 7. Dezember sowie die Gründung einer eigenen Volksmiliz. Ein Amnestiegesetz gewährt den Separatisten zudem weitgehende Straffreiheit. Das russische Außenministerium begrüßte indes die Friedensinitiative Poroschenkos als "Schritt in die richtige Richtung".

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