Populismus:"Starke Frauen sind dem Rechtspopulismus nicht mehr fremd"

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Dr. Marcel Lewandowsky, Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Institutes für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg (Foto: Privat)

Frauke Petry, Beatrix von Storch - Führungsfiguren der AfD sind weiblich, die Wähler aber: zu fast zwei Drittel Männer. Woran das liegt, erklärt der Politologe Marcel Lewandowsky.

Von Julia Ley

SZ: Herr Lewandowsky, was ist eigentlich eine "Männerpartei"?

Lewandowsky: Rechtspopulistische Parteien wie die AfD sind in der Forschung oft als "Männerparteien" bezeichnet worden. Das liegt einerseits daran, dass ihr Führungspersonal traditionell meist männlich war und es charismatische männliche Führungspersönlichkeiten gab - und andererseits daran, dass die Wählerschaft meist männlich war.

Trifft das auf die AfD auch zu?

Ja und nein. Die AfD hat, was ihre Repräsentanten angeht, nicht als klare Männerpartei angefangen. Neben Männern wie Bernd Lucke gab es immer auch sehr prominente, und sehr durchsetzungsstarke, Frauen wie Frauke Petry oder Beatrix von Storch, die das Bild der AfD mitgeprägt haben. Anders sieht es bei den Wählern aus: Die AfD ist für weibliche Wähler kaum interessant. Bei der Bundestagswahl 2013 votierten in Westdeutschland nur 3,4 Prozent der Wählerinnen für die AfD, und in Ostdeutschland 4,7 Prozent.

Warum wählen Frauen die AfD nicht?

Familienpolitisch vertritt die AfD nach außen hin stark konservative Werte. Alexander Gauland, Beatrix von Storch, zum Teil auch Frauke Petry propagieren ja ein sehr klassisches Familienbild. Frauke Petry hat schon mal zu verstehen gegeben, die normale Familie müsste drei Kinder haben. Gauland hat sich öffentlich gegen das "Gender-Mainstreaming" ausgesprochen. Für Frauen sind das keine attraktiven Positionen.

Mal umgekehrt gefragt: Was finden Männer an der AfD attraktiv?

Populistische Parteien sind in ihrem Auftreten insofern männlich als sie eine sehr klassische, kämpferische Rhetorik auffahren. Das sieht man beispielsweise in den Auftritten von Björn Höcke. Der Populismus ist, was seine Sprache und seine Semantik angeht, durchaus männlich.

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Können Sie Beispiele nennen?

Da ist zum Beispiel die Rhetorik von Politik als einem Kampf gegen "die da oben". Populismus besteht ja im Wesentlichen aus der Herstellung eines Wir-Gefühls. Man verbündet sich um das "Wir" des Volkes, dass man sich homogen vorstellt. Und dessen Interessen stehen denen des politischen Establishments diametral entgegen. Das Volk muss in einem politischen Kampf gegen das Establishment in Stellung gebracht werden. Politik ist nach diesem Verständnis also kein Aushandlungsverfahren, sondern Konfrontation.

Auf Konfrontationskurs geht die AfD auch mit ihrer stetigen Kritik am "Genderwahn". Woher kommt diese Furcht vor dem Gender-Mainstreaming?

Ich würde das nicht so einseitig unterschreiben. Solche Parteien funktionieren über Milieus, in denen Identitätsverlust eine große Rolle spielt. Man nimmt die eigene Identität als bedroht war. Das kann die kulturelle Identität sein, die nationale Identität, oder die Geschlechteridentität. Das Gender-Bashing ist eingebettet in eine Erzählung, die folgendermaßen geht: "Wir stehen unter der Knute einer Ideologie von Gleichmacherei, die uns von den Herrschenden aufgedrängt wird". Genderforschung wird nicht als Wissenschaft bezeichnet, sondern als Ideologie, als politisches Programm. Und damit ist auch das "Gender-Mainstreaming" Bestandteil einer verschwörungstheoretischen Sicht auf Politik.

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Also fühlen sich AfD-Wähler insgesamt bedroht, der männliche AfD-Wähler aber auch in seiner spezifischen Identität als Mann?

Ja. Es gibt so eine reale Bedrohung überhaupt nicht, denn welche geschlechtliche Identität ich habe, entscheide ich ja nun immer noch selber - das wird nicht von Gender-Lehrstühlen aufoktroyiert. Aber das Gefühl existiert. Und daran schließt der Populismus an, indem er es in eine Rhetorik von Kampf umwandelt.

Also gibt der Populismus dem sich bedroht fühlenden Mann seine Männlichkeit zurück?

Exakt. Er wird zum Träger einer kämpferischen Politik gemacht. Er darf sich jetzt zur Wehr setzen. Und damit wird natürlich auch ein bestimmtes Männlichkeitsbild angesprochen. Das beste Beispiel ist ein Brief Alexander Gaulands an die AfD-Mitglieder. Darin äußert er Verständnis für die Menschen, "denen die Buntheit mancher Lebensformen für ein Land, in dem die Kinder fehlen, zu bunt erscheint. [...] Schließlich gibt es gerade unter den Älteren viele, die das Ganze [sic!] Gender Mainstreaming (Was ist das überhaupt?) für eine große Narretei halten und korrekte Märchen, eine feministische Bibel oder die weiblichen Schriftformen für die Ausgeburt von Menschen, die sonst keine Sorgen haben und folglich gern aufs Eis tanzen gehen."

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Unterscheiden sich weibliche und männliche AfD-Wähler im Hinblick auf ihre Positionen?

Die Frauen, die zur AfD neigen - nicht die Wähler, sondern die Sympathisanten - sind vergleichbar konservativ wie Männer, wenn es um die Haltung zum Islam, zur Asylpolitik oder zur Wirtschaftspolitik geht. Es gibt aber einen großen Unterschied: Das Adoptionsrecht für Homosexuelle. Da sind die Frauen, die mit der AfD sympathisieren, weitaus liberaler als die Männer.

Wenn die Partei insgesamt ein Weltbild vertritt, in dem Frauen vor allem die Rolle der Gebärenden zukommt - ist es dann kein Widerspruch, dass mit Frauke Petry und Beatrix von Storch gleich zwei dominante Frauen die Partei nach außen hin vertreten?

Wir sehen das auch bei anderen populistischen Parteien in Europa. Denken Sie an Marine Le Pen, denken Sie an Pia Kjærsgaard von der Dänischen Volkspartei. Das ist kein Widerspruch, interessanterweise! Frauke Petry ist Unternehmerin, Beatrix von Storch ist Juristin - aber sie vertreten diese Positionen trotzdem. Auch für die, die sie repräsentieren, stellt das keinen Widerspruch dar, solange klar auf dem Tisch liegt, was ihre Positionen sind.

Das heißt: Es ist wichtiger, was man sagt, als was gelebt wird?

In dem Fall ja. Allerdings muss man eine Unterscheidung machen: Frauke Petry hat Kinder und hat ein klassisches Familienmodell gelebt. Beatrix von Storch lebt die klassische Ehe vor. Solange sie zeigen können, dass das ihre Priorität ist, können sie nebenher auch noch Karriere machen. Nicht umsonst ist es so, dass man innerhalb der Partei Frauke Petry die Trennung von ihrem Mann und die Liaison mit ihrem Partei-Kollegen Marcus Pretzell vorwirft.

Warum haben ausgerechnet populistische Parteien so oft starke Frauen an der Spitze?

Ich glaube auch nicht, dass das überdurchschnittlich oft so ist. Daher gibt es auch keine europaweit gültige Erklärung - außer vielleicht der, dass Frauen überall davon profitieren, dass sie in Führungspositionen jetzt allgemein mehr akzeptiert werden. Aber: Starke Frauen sind dem Rechtspopulismus nicht mehr fremd.

Also profitieren die Anti-Feministinnen vom Feminismus?

Das ist mir zu spekulativ. Es gibt ja im Grunde nur wenige solcher Fälle - die uns nur deshalb so prominent erscheinen, weil diese Frauen so stark nach außen treten.

... was in einem konservativen Umfeld ja an sich schon interessant ist. Diese Frauen wirken ja sehr dominant.

Das stimmt. Es gibt eine traditionelle Position, die sagt, Frauen sollen sich nur auf die Familie beschränken. Aber das ist nicht das, was den Konservativismus heute mehrheitlich trägt - und auch nicht den Rechtspopulismus. Dort finden sie auch ein "modern-traditionelles Spektrum" vor. Und das sagt: Frauen sind - weil sie Geburt geben und Kinder großziehen - vor allem Trägerinnen der Familie. Aber: So lange das Priorität hat, können sie auch arbeiten. Es ist ein "sowohl als auch".

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