Populismus der CSU:Zappelt mal schön in euren Bergen

SPD And CDU/CSU Seal New Coalition Government

Sigmar Gabriel und Angela Merkel reagieren gelassen auf den Populismus von CSU-Chef Horst Seehofer.

(Foto: Getty Images)

Um sich selbst und aller Welt ihre eigene Wichtigkeit zu beweisen, bekommt die Parteiführung der CSU regelmäßig Aktionismusschübe - wie zuletzt zum Thema Armutsmigration. Kanzlerin Merkel und Vize-Kanzler Gabriel reagieren aus gutem Grund gelassen auf den Populismus von CSU-Chef Seehofer.

Ein Kommentar von Kurt Kister

In der großen Koalition ist die CSU die kleinste Partei. Ihre drei Ministerposten bilden thematisch eher die Peripherie des Kabinetts. Und rechnet man das regionale Wahlergebnis der CSU vom 22. September auf den Bund um, dann liegt der Seehofer-Verein mit 7,4 Prozent hinter der Linkspartei und den Grünen. Vor allem die Tatsache, dass die CDU wohlwollend so tut, als wäre die CSU ihr bayerischer Regionalableger, verschafft der CSU eine gewisse bundesweite Bedeutung. Nötig hätte die CDU die CSU übrigens nicht. Sie könnte komfortabel alleine mit der SPD regieren.

Weil das alles so ist, bekommt die Parteiführung der CSU regelmäßig Aktionismusschübe, mit denen sie sich selbst und der Welt ihre Wichtigkeit beweisen muss. Ein unumstößlicher Termin für den Ausbruch dieses politischen ADHS-Syndroms liegt Anfang Januar. Im schönen Tegernseer Tal treffen sich dann die Landesgruppe der CSU im Bundestag sowie die Landtagsfraktion zu kultischen Handlungen, die man Klausurtagung in Wildbad Kreuth nennt.

Ohne diesen Termin gäbe es jetzt wohl keinen Streit über die vermeintlichen Gefahren der Armutsmigration aus Osteuropa. Seehofers Strategen, die eigentlich nur bauernschlaue Taktiker sind, wissen gut, wie man in diesem Land eine Debatte provoziert. Man verbreitet einfach einen Begriff, der irgendwo zwischen putinesker Härte und der beliebten Das-wird-man-wohl-doch-noch-sagen-dürfen-Mentalität changiert. Also: "Wer betrügt, fliegt."

Seehofer, die Aufmerksamkeitsdominanzmaschine

Natürlich gibt es die erhofften Reaktionen von SPD und CDU, von Zeit und SZ, von DGB und Professorenschaft. Dann entrüsten sich Seehofer, Herrmann und wie sie alle heißen, dass sie doch nichts anderes gesagt hätten, als dass man Betrug verfolgen müsse. Gleichzeitig zwinkern sie grinsend all jenen zu, zu deren Grundausstattung das Pflegen von Vorurteilen über "die" Bulgaren oder "die" Roma gehört. Auf diese Weise sichert sich die CSU vor Kreuth Empörung, Zustimmung im gesunden Volksempfinden und ziemlich viel Aufmerksamkeit.

Horst Seehofer ist nun mal eine Aufmerksamkeitsdominanzmaschine. Das Wiedererstarken der CSU unter seiner Führung hat entscheidend damit zu tun, dass Seehofer nahezu unabhängig von bei ihm vielleicht vorhandenen Grundüberzeugungen riecht, was zumindest in Bayern den Leuten gefällt, auf die es ihm ankommt. Es macht dabei nichts, dass man nicht weiß, was er will, solange genug Menschen den Eindruck haben, er wolle, was sie wollen. Ob das stimmt, ist egal; Hauptsache, es könnte so sein. In diesem Sinne ist Horst Seehofer ein erfolgreicher Regionalpolitiker und durchaus auch ein Populist.

Dass Angela Merkel, eine erfolgreiche Bundespolitikerin, den Kreuth-Horst durchschaut, zeigt eine Nachricht aus Berlin. Merkel und Vizekanzler Gabriel lassen wissen, dass sich demnächst eine Arbeitsgruppe mit der Armutsmigration befassen soll. Das Signal an die ADHS-Partei lautet: Zappelt mal schön in euren Bergen. Wenn ihr wieder zurückkommt, machen wir normale Politik.

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