Ponta zu gescheitertem Referendum in Rumänien:"Ich habe meine Lektionen gelernt"

Hasserfüllte Tiraden, Beschimpfungen, keine Aussicht auf Annäherung: So beurteilten Beobachter jüngst die Lage in Rumänien. Nach dem gescheiterten Referendum mahnen EU-Politiker erst recht zur friedlichen Zusammenarbeit. Doch Premier Ponta scheut die Konfrontation.

Klaus Brill, Bukarest

Mit einem Anruf sei es nicht getan, sagt Victor Ponta. Natürlich könnte er als Ministerpräsident Rumäniens nach dieser Abstimmung zum Hörer greifen und sich mit dem Staatspräsidenten Traian Basescu verbinden lassen, seinem ärgsten Feind. Und natürlich könnte man sich nach so vielen heftigen Auseinandersetzungen jetzt für die nächsten Monate auf ein friedliches Zusammenwirken verständigen. "Aber es geht nicht um den Anruf", sagt Ponta entschieden, "es geht um das, was man dann tut."

Romania's PM Ponta casts his ballot at a voting station in Bucharest

Victor Ponta bei der Volksabstimmung zur Amtsenthebung des rumänischen Staatspräsidenten Traian Basescu. Nach dem Scheitern des Referendums zieht Ponta Bilanz.

(Foto: REUTERS)

Es sind harte Zeiten, die der 39-jährige Sozialdemokrat gerade erlebt, und eine gewisse Erschöpfung ist ihm durchaus anzumerken. Wochenlang stand er im Zentrum innenpolitischer Parteienkämpfe, die zu einer dramatischen Konfrontation der Institutionen eskaliert sind. Sie gipfelte darin, dass das Parlament mit seiner neuen sozial-liberalen Mehrheit den konservativen Präsidenten Basescu vor drei Wochen seines Amtes enthob.

Am Sonntag hatte nun das Volk in einem Referendum darüber zu befinden, ob dies auf Dauer gelten soll. Doch weil die Wahlbeteiligung mit 46,1 Prozent unter der gesetzlichen Schwelle von 50 Prozent blieb, kann der Präsident wohl in der nächsten Woche die Geschäfte wieder aufnehmen. Der sozialdemokratische Parteichef Ponta und sein liberaler Mitstreiter Crin Antonescu haben ihr Ziel verfehlt und müssen nun weiter mit einem höchst versierten und einfallsreichen politischen Gegner Basescu politisch koexistieren. Wie soll das funktionieren?

"Ich werde keine weitere Konfronation mit Herrn Basescu suchen"

Basescu ließ noch in der Wahlnacht erkennen, dass ihn die starke Abfuhr der Wahlbeteiligten nicht kalt lässt. Nur 12,4 Prozent wollten ihn bei der Volksabstimmung weiter im Amt sehen, die Quittung für harte Etateinsparungen und einen aggressiven politischen Stil. Nur die Sperrklausel hat ihn vor dem Sturz gerettet. Vor seinen Anhängern erklärte er in der Nacht zum Montag, er wolle sich nun für eine Versöhnung in der Gesellschaft einsetzen. "Mir ist bewusst, dass die Rumänen über die Ereignisse der vergangenen Jahre unglücklich sind", sagte der Präsident. "Die Spaltung der Gesellschaft muss beseitigt werden, weil Rumänien all seine Energie für die Integration in die zivilisierte Welt benötigt."

Für seinen Gegenspieler Victor Ponta haben diese Worte offenbar kein großes Gewicht. Jedenfalls geht er an diesem Montag in seinem Amtssitz bei einem Gespräch mit sechs Journalisten aus mehreren europäischen Ländern nur kurz darauf ein. "Ich werde keine weitere Konfrontation mit Herrn Basescu suchen", sagt er. "Aus meiner Sicht ist die politische Krise beendet." Seinen Worten ist zu entnehmen, dass ihm gewisse Attacken des Präsidenten durchaus nahe gehen und dass er weiterhin mit dessen Störmanövern rechnet. "Ich werde das nicht beachten", sagt Ponta. "Ich werde nichts erwidern." Also endgültig Stillstand und totale Blockade? "Nein."

Dennoch ist es genau das, was viele politische Beobachter jetzt befürchten und was auch Politiker in anderen EU-Ländern und in Brüssel am Montag veranlasste, die Streithähne in Bukarest zur friedlichen Zusammenarbeit zu mahnen. Ein sportlicher Wettkampf, ein faires Kräftemessen und die Bereitschaft zum demokratischen Kompromiss aber sind weder in Rumänien noch in irgendeinem anderen Land des postkommunistischen Kosmos die übliche Verkehrsform der Politik. Sehr häufig hört man hingegen hasserfüllte Tiraden, in denen der politische Gegner auch als persönlicher Feind gebrandmarkt wird. Nicht selten beschimpfen sich Akteure gegenseitig als korrupt und kriminell, als Mafioso und als Betrüger, der in die Kassen des Staates greift. Gerade auch aus Äußerungen Basescus, Pontas und Antonescus konnte man in jüngerer Zeit den Eindruck gewinnen, dass da alle Tischtücher zerschnitten sind und eine Annäherung vorerst aussichtslos erscheint.

Problemlösung statt politischem Gezeter

Dabei verlangen Rumäniens angespannte ökonomische Situation sowie die unerledigten Reformen in allen Bereichen der Gesellschaft eigentlich dringend danach, dass das politische Gezeter endlich endet und konkrete Probleme gelöst werden. Wie in anderen Ländern müssten sich ein konservativer Präsident und eine andersfarbige Regierung nur für eine gewisse Zeit auf eine Kohabitation verständigen, doch dazu war Basescu nach den Worten Pontas bisher eben einfach nicht bereit. Er habe Gesetze, die das Parlament beschlossen hatte, liegengelassen und nicht unterzeichnet - und diese Möglichkeit bleibe ihm auch für die Zukunft.

Doch Ponta hat nach eigenen Worten einen wichtigen Verbündeten auf seiner Seite: "Die Zeit spielt für mich." Basescus Amtszeit endet im Dezember 2014, danach darf er nach zwei Legislaturperioden nicht wieder kandidieren und würde nach der jetzigen Stimmungslage ohnehin nicht wieder gewählt. Schon im November dieses Jahres finden überdies Parlamentswahlen statt, bei denen Ponta für seine Allianz aus Sozialdemokraten, Liberalen und mehreren kleineren Gruppen mit einer absoluten Mehrheit rechnet. Jedenfalls gilt ihm die Unterstützung von fast acht der 18 Millionen rumänischen Wähler beim Referendum als starkes Indiz dafür und auch als Legitimation für seine weitere Arbeit bis zur Wahl.

In Brüssel muss man bis dahin mit bösen Überraschungen von seiner Seite nicht mehr rechnen. Victor Ponta schlägt beim Gespräch über die massive Intervention der EU-Kommission nur noch versöhnliche Töne an. Nach seiner Meinung resultiert der Ärger, den es da in den vergangenen Wochen gegeben hat, nur daraus, dass Basescus Mitarbeiter die Kommission falsch informiert haben. "Wir haben nicht genug erklärt", fügt er hinzu und bezeichnet das als eigenen Fehler.

Rumänische Intellektuelle beklagen Inschutzname Basescus

Dass die EU-Kommission der rumänischen Regierung sehr viele sehr detaillierte Vorgaben gemacht hat, wird inzwischen im Land zum Teil durchaus heftig kritisiert. Manche der Empfehlungen gingen "an den Rand des Respekts für die Souveränität eines EU-Mitgliedstaates", erklärte beispielsweise der frühere konservative Staatspräsident Emil Constantinescu in einem offenen Brief an die EU-Kommission. Er weist besonders auf die von Brüssel so heftig unterstützte Klausel hin, wonach beim Referendum die absolute Mehrheit der Wahlberechtigten und nicht der Wahlbeteiligten den Ausschlag für die Gültigkeit geben soll - gerade dies hat Basescu gerettet. Rumäniens Verfassung mache dazu keine Vorschriften, schreibt Constantinescu, auch in anderen Ländern gebe es bei Volksabstimmungen ein derart hohes Quorum nicht, wenn es überhaupt eines gebe.

Außerdem hat sich eine Gruppe rumänischer Intellektueller, unter ihnen angesehene Professoren, gegen die Inschutznahme Basescus durch die EU-Kommission gewandt und diesem vorgeworfen, er habe seine Pflicht als Vermittler gröblich verletzt und die notwendige Balance vermissen lassen. Basescu habe sich die frühere Regierung des Konservativen Emil Boc geradezu gefügig gemacht bis zu dem Punkt, dass diese nicht mehr dem Parlament, sondern dem Präsidenten rechenschaftspflichtig gewesen sei - wie in der Russischen Föderation.

Von Victor Ponta hört man dergleichen kritische Bemerkungen nach Brüssel nicht. Er hat sich unter immensem Druck den Forderungen des Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso gebeugt und eine Kehrtwende vollzogen, die er unter großem Kraftaufwand auch in den Koalitionsparteien durchsetzen musste. Im Journalistengespräch sagt er jetzt nur, er sei für die konkreten Fragen aus Brüssel nachgerade dankbar gewesen. "Ich habe alle meine Lektionen aus diesen Erfahrungen gelernt." Und bis auf einen Punkt hat er zusammen mit anderen Verantwortlichen und dem Parlament die Forderungen nach eigenen Worten auch erfüllt. Unerledigt ist vorerst nur noch das Verlangen, dass Abgeordnete, die wegen Korruption oder anderer Delikte verurteilt worden sind, ihre Mandate aufgeben sollten.

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