Polizeigewerkschaft zur Online-Durchsuchung::"Inkonsequent und nicht nachvollziehbar"

Lesezeit: 2 min

Konrad Freiberg, Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), hält den Koalitionskompromiss an einer entscheidenden Stelle für ziemlich widersprüchlich und praxisfern.

Thorsten Denkler, Berlin

sueddeutsche.de: Herr Freiberg, die große Koalition auf sich nach langem Streit auf ein Gesetz zur Online-Überwachung geeinigt. Kern des Kompromisses ist, dass die Wohnung eines Verdächtigen nicht betreten werden darf, um die nötige Spionage-Software auf dessen Rechner zu installieren. Wie bewerten Sie das?

Die GdP hält den Kompromiss zur Online-Durchsuchung für inkonsequent. (Foto: Foto: dpa)

Konrad Freiberg: Wir sind natürlich froh, dass es eine Einigung gibt und die Online-Durchsuchung rechtlich abgesichert wird. Aber ich halte den Kompromiss an dieser Stelle für inkonsequent und nicht nachvollziehbar. Das muss ich ganz deutlich sagen. Ein ganz entscheidender Weg nämlich, eine Online-Durchsuchung technisch zu realisieren, ist uns jetzt verbaut: der direkte Zugriff auf den Rechner.

sueddeutsche.de: Sie können die Spionage-Software auch online installieren. Wo ist das Problem?

Freiberg: Der Weg über das Internet ist technisch weitaus komplizierter. Wenn die Online-Überwachung zulässig ist, dann sollte es auch die Möglichkeit geben, direkt an den Rechner zu kommen. Alles andere ist widersprüchlich und behindert unsere Arbeit.

sueddeutsche.de: Warum?

Freiberg: Ein richterliche Genehmigung muss doch in jedem Fall vorliegen. In allen anderen Bereichen dürfen wir mit richterlicher Genehmigung fast alles durchsuchen, unter anderem auch eine Wohnung. Nur das Betreten der Wohnung, um eine Software aufzuspielen, ist untersagt. Da passt etwas nicht zusammen.

sueddeutsche.de: Es geht ja um die Heimlichkeit des Betretens.

Freiberg: Richtig, aber die ist auch gegeben, wenn wir etwa für eine akustische Wohnraumüberwachung die nötige Technik in einer Wohnung platzieren. Dann dürfen wir eine Wohnung - richterliche Genehmigung immer vorausgesetzt - auch heimlich betreten.

sueddeutsche.de: Werden die Sicherheitsbehörden von dem Instrument jetzt eher Abstand nehmen, weil der Aufwand zu hoch ist?

Freiberg: Es wird eher so sein, dass wir das Instrument in einigen Fällen wegen der hohen technischen Hürden nicht anwenden können. Wir reden hier ja von Einzelfällen. Und das sind immer Fälle, bei denen ein Sprengstoffanschlag geplant ist. Darum wäre jeder Fall, in dem wir das Instrument nicht anwenden können, weil wir die Wohnung nicht betreten dürfen, ein Fall zu viel.

sueddeutsche.de: Die Grünen und auch Teile der SPD üben schon heftige Kritik an dem Gesetz. Es sei Gift für den Rechtsstaat, sagt Grünen-Chefin Claudia Roth. Haben Sie Verständnis dafür?

Freiberg: Ich kann heute vieles an Verunsicherung in der Öffentlichkeit nachvollziehen. Die Technik kann einem ohne Zweifel Angst machen. Deswegen muss über unsere Instrumente aufgeklärt werden - und deswegen war auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes so wichtig für uns. Das Gericht hat klar abgewogen zwischen den Bürgerrechten und den Sicherheitsinteressen des Staates. So gesehen ist der Kompromiss eine verantwortbare Regelung - vom Verbot, eine Wohnung zu betreten, mal abgesehen.

sueddeutsche.de: Noch sind die technischen Hürden sehr hoch. Mit etwas mehr Routine und Erfahrung könnte es immer einfacher werden, einen Computer heimlich zu durchsuchen. Werden dann die Online-Razzien zunehmen?

Freiberg: Nein. Die höchste Hürde stellt auch dann immer noch das Gesetz dar. Allzu häufig kommt es ja nicht vor, dass wir konkrete Hinweise auf einen Terroranschlag haben. Erst solche Hinweise können eine Online-Durchsuchung überhaupt rechtfertigen. Ich darf an dieser Stelle hinzufügen: Wir haben bereits in sieben Fällen in Deutschland solche Anschläge verhindern können.

sueddeutsche.de: Das ging auch ohne Online-Durchsuchung.

Freiberg: Richtig. Aber ich erinnere an den Fall im Sauerland, als wir Al-Qaida-Kämpfer aufspürten, die Anschläge planten. Das konnten wir nur aufklären mit Hilfe der technischen Wohnraumüberwachung. Und die war ja in ihren Anfängen nicht minder in der Kritik.

sueddeutsche.de: Das Gesetz wird jetzt in den Bundestag gehen. Die Kritiker dort werden versuchen, es zu entschärfen. Hat das Aussicht auf Erfolg?

Freiberg: Das Gesetz sollte grundsätzlich nicht mehr in Frage gestellt werden. Aber ich gehe davon aus, dass sich die Parteien jetzt geeinigt haben - sodass wir da keine Sorge haben müssen.

© sueddeutsche.de/jja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: