Polizeiarbeit:Eingefädelter Zufall

Vorgetäuschte Verkehrskontrolle statt Durchsuchungsbefehl: Der Bundesgerichtshof billigt das trickreiche Vorgehen der Polizei gegen Drogenkuriere. Das hat mit den kriminellen Hintermännern zu tun.

Von Ronen Steinke

Eine besonders listige Methode von Strafverfolgern gegen Strukturen des organisierten Verbrechens ist am Mittwoch vom Bundesgerichtshof gebilligt worden. Wenn Ermittler sich scheuen, offiziell einen Durchsuchungsbefehl gegen einen Drogenkurier zu beantragen, weil sie dann offenlegen müssten, wie viel sie bereits über dessen mafiöse Auftraggeber oder Hintermänner wissen, dürfen sie eine "zufällige" Verkehrskontrolle inszenieren.

Bei der "legendierten Polizeikontrolle" will es der sorgsam eingefädelte Zufall, dass das Fahrzeug eines Drogenkuriers auf der Straße herausgewinkt wird - und dass die Polizisten überrascht tun, wenn sie seine Fracht entdecken. Der Karlsruher 2. Strafsenat entschied am Mittwoch, dass die so erhaltenen Beweise verwertet werden dürfen, selbst wenn dadurch der Richtervorbehalt unterlaufen wird. (Aktenzeichen 2 StR 247/16) Die Durchsuchung von Fahrzeugen im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen darf die Polizei eigentlich nicht eigenständig anordnen.

Durchsuchungen in Strafsachen dürfen eigentlich nur Richter anordnen

Der BGH-Senatsvorsitzende Ekkehard Appl, der den erkrankten Thomas Fischer vertrat, sprach in der mündlichen Verhandlung in der vergangenen Woche die Bedenken aus: "Es beschleicht einen ein ungutes Gefühl, wenn die Polizei machen könnte, was sie will." Das Problem sei aber: Vertraue die Polizei auf eine richterliche Anordnung, erfahre das Drogen-Netzwerk spätestens mit der Akteneinsicht, dass es aufgeflogen ist, und die Hintermänner des Drogenkuriers können sich davonmachen.

Im konkreten Fall ging es um die Einfuhr von acht Kilogramm Kokain. Die Frankfurter Kripo war im April 2015 von einen V-Mann auf eine Gruppe marokkanischer Drogenhändler aufmerksam gemacht worden. Sie wollte einen Drogentransport von den Niederlanden nach Deutschland stoppen. Damit der Chef des Kuriers nicht frühzeitig gewarnt wurde, erwirkte die Polizei aber keinen Durchsuchungsbeschluss für das Fahrzeug, sondern täuschte eine Kontrolle wegen überhöhter Geschwindigkeit vor. Der Plan gelang: Das Kokain im Auto wurde sichergestellt, der Hintermann glaubte an einen bloßen Zufall und reiste unbesorgt von Marokko aus wieder nach Deutschland ein.

Der 2. Strafsenat erklärte nun: Es sei zulässig, wenn die Polizei hin und her wechsle zwischen ihren Aufgaben der Strafverfolgung und der Gefahrenabwehr. Bei letzterer gilt kein Richtervorbehalt. Jedoch müsse spätestens bis zur Erhebung der Anklage die Wahrheit über die "Verkehrskontrolle" offengelegt werden.

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