Polizei:Ermittler knacken iPhone

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Der mutmaßliche Mord an einer Studentin in Freiburg stellt die Polizei vor ein Rätsel. Doch ist ihr offenbar gelungen, an gesperrte Daten zu kommen, die aufschlussreich sind.

Von Katharina Kutsche und Hakan Tanriverdi, München

Er habe erst gar nicht gesehen, ob da auf dem Fahrrad eine Frau oder ein Mann vorbeigekommen sei, sagte Hussein K. vor dem Landgericht in Freiburg. Er soll sein Opfer, eine 19-jährige Studentin vom Fahrrad gerissen, vergewaltigt und bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt haben. Die Frau ertrank im Wasser des Flusses Dreisam. Der Vorwurf: Mord und besonders schwere Vergewaltigung. Die Tat sei eine Affekthandlung gewesen, sagte K. in seinem Geständnis.

Gegen seine Aussagen steht der Inhalt seines Smartphones, ein iPhone 6s. Ermittler haben es ausgelesen. Das iPhone lässt Rückschlüsse zu auf die Wege, die der Mann am Tatabend zurückgelegt hat, digitale Puzzlestücke, die belegen sollen, dass die Tat geplant gewesen sei.

Eine Gesundheits-App gibt Hinweise auf ein anderes Bild vom Tathergang

Ein Smartphone von Apple zu knacken ist ein eindrucksvoller Erfolg, ein Zusammenspiel technischer Experten. Da ist etwa ein Unternehmen aus Israel, das auch mit Interpol und dem FBI zusammenarbeitet: Cellebrite, eine verschwiegene Firma aus der Nähe von Tel Aviv mit einem Standort in München. Sie wirbt damit, schon 60 000 Lizenzen an Forensiker in 150 Ländern verkauft zu haben, Marktanteil 40 Prozent. Mehr als 15 000 Kunden seien Strafverfolger oder Militärs.

Mehrere Ermittler, die direkt mit dem Fall in Freiburg vertraut sind, haben der Süddeutschen Zeitung geschildert, wie die Firma auch den Freiburger Polizisten dabei helfen konnte, das iPhone 6s aufzubrechen. Denn K. hatte seine Pin nicht herausgegeben, ohne sie lassen sich iPhones ab der Version 4 nicht auslesen, auch die Festplatte bleibt versperrt. Polizisten und Staatsanwälten fehlt das technische Know-how, um diese Sperren zu umgehen. Apple selbst hat das System so konstruiert, dass Unbefugte, die den Code nicht kennen, draußen bleiben. Für Ermittlungsbehörden ist das ein ernstes Problem, immer mehr Informationen liegen so hinter digitalen Sperren.

Cellebrite bietet dafür Services an. Auch die Ermittler aus Freiburg zahlten 3000 Euro für solch einen Dienst, teilte die Staatsanwaltschaft mit, allerdings ohne zu bestätigen, dass es sich beim Dienstleister um Cellebrite handelt. "Wir haben das Smartphone mit dem Kurier nach München geschickt. Wir wollten auf keinen Fall riskieren, dass es verloren geht", sagte einer der Ermittler, der nicht namentlich zitiert werden will.

Die Beamten bekamen zwei sogenannte Extraktionen, ein digitales Abbild der Daten, die auf dem Smartphone gespeichert werden. Die erste Variante ist die logische Extraktion. Damit kommen Ermittler an alle Daten, die bei einem normalen Back-up gesichert würden. Cellebrite bietet noch eine zweite Art der Extraktion an, die "pseudo-physikalische" Variante. Der Handy-Speicher von iPhones ist normalerweise verschlüsselt. Eine Analyse auf Bit-Ebene, auf jener der Nullen und Einsen, ist deshalb nicht möglich. Doch Cellebrite habe Schwachstellen bei Apple gefunden und könne diese Informationen dennoch anzeigen.

Über diese zwei Wege sei man an zwei Datenbanken gekommen. An die Gesundheits-App Health und an Daten, die bei Spotlight anfallen, der Suchfunktion von Apple. Der Ermittler spricht von einem "Goldschatz". Denn jede einzelne Tastatureingabe, die über Safari und Spotlight eingetippt wird, jede Suchanfrage über Spotlight wird gespeichert, inklusive Standort (GPS-Daten) und Zeitstempel. Die Ermittler haben so verschiedene Indizien hinsichtlich der Tatzeit.

Und diese kombinierten Daten zeichnen aus ihrer Sicht ein anderes Bild als jenes, das der Angeklagte Hussein K. beschrieben hat. Um 2.55 Uhr in der Tatnacht soll die App mit einem Treppensymbol demnach registriert haben, dass jemand einige Höhenmeter überwindet. Um 4.15 Uhr eine zweite Treppenbewegung. Das könnte bedeuten, dass K. in diesen Momenten zunächst sein Opfer die Böschung zur Dreisam hinunterzerrte und später wieder hinaufstieg. Auch liegt dann nahe, dass die Tat von K. eine Stunde und 20 Minuten lang dauerte. Eine Affekt-Tat wäre wohl anders abgelaufen, glauben die Ermittler.

© SZ vom 10.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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