Politiker und ihre Dienstwagen:Größer, schneller, dreckiger

Die Dienstwagen vieler deutscher Politiker zeichnen sich durch einen hohen CO2-Ausstoß aus. Ein hessischer Politiker nimmt die "Pole-Position unter den Klimakillern" ein, auch ein Ministerpräsident und ein Bürgermeister kommen nicht gut weg.

Camilo Jiménez

An Kuriositäten mangelt es in dieser Erhebung nicht. Wussten die Deutschen etwa, dass viele Politiker in ihren Limousinen gerne auch 250 Kilometer pro Stunde fahren? Oder wusste man schon, dass die meisten in Diesel-Dienstwagen deutscher Hersteller sitzen und dass nur wenige über spritsparende Hybrid-Autos verfügen? An diesem Montag wurde eine achtseitige Liste veröffentlicht, die zeigt, welche Autos deutsche Politiker fahren und wie viel CO2 die Wagen ausstoßen.

CSU Horst Seehofer

Übermotorisiert und hohe Emissionen: Auch Horst Seehofers Dienstwagen liegt in der Tabelle mit den umweltschädlichsten Limousinen weit vorne.

(Foto: picture alliance / dpa)

Das Fazit jedoch ist weniger komisch. Auch angesichts von Erderwärmung und Energiewende sitzen in den meisten Dienstwagen der deutschen Politik Menschen, die sich um den Umweltschutz wenig zu scheren scheinen. Dies geht aus der fünften "Dienstwagenerhebung" der Deutschen Umwelthilfe (DUH) hervor. Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch und Projektleiterin Barbara Göppel haben nun die Gewinner für "Übermotorisierung und zu hohe CO2-Emissionen" vorgestellt.

Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) und der Berliner Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) stehen knapp hinter dem Spitzenreiter-Duo aus Hessen: Volker Bouffier (CDU) und dessen Innenminister Boris Rhein, der in diesem Jahr "bundesweit die Pole-Position unter den Klimakillern einnimmt."

Die Dienstwagenerhebung entstand zwischen Februar und April. DUH-Mitarbeiter riefen bei Landesregierungen und Bundesministern an und sammelten Angaben zum CO2-Ausstoß, zur Motorleistung und zur Höchstgeschwindigkeit von Dienstwagen. Sonderanfertigungen wie die Limousine von Bundeskanzlerin Angela Merkel wurden nicht erfasst. "Die Auskunftsbereitschaft ist gestiegen", sagte Göppel. Aber immer wieder mussten die Interviewer Politiker an das Umweltinformationsgesetz erinnern. Es habe "hartnäckige Fälle" gegeben: Der niedersächsische Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) etwa ließ über seine Assistentin fragen, wann es mit den "Kinderspielchen" vorbei sei.

Der Sprecher des brandenburgischen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD) gab den Wagentyp seines Chefs kund, warnte jedoch davor, Angaben zum CO2-Ausstoß zu veröffentlichen. Und in der Tradition von Jürgen Rüttgers, der erst nach einem Gerichtsbeschluss Benzinverbrauch und CO2-Ausstoß offenlegte, verweigert der Kieler Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) jede Auskunft. Nun will die DUH die Herausgabe der Daten gerichtlich erzwingen.

Die Umfrage zeigt nur mickrige Verbesserungen beim Spritverbrauch von Spitzenpolitikern. Kein Bundesminister schafft es, die EU-Klimagaswerte von 140 Gramm CO2 je Kilometer einzuhalten. Bouffier liegt bei 348, sein Innenminister bei 353. Wowereit, der hauptsächlich in Berlin unterwegs ist, rüstete kürzlich sogar auf: Sein neues Auto hat einen höheren CO2-Ausstoß und einen größeren Motor. Insbesondere bei Ministerpräsidenten, so Resch, höre der Klimaschutz beim Dienstwagen auf.

Dass es anders möglich ist, zeigt Jens Böhrnsen (SPD) aus Bremen, der einzige der 16 Länderchefs, der den EU-Zielwert unterschritten hat. Drei Umweltminister haben den Zielwert erstmalig eingehalten - und zwei erfüllen sogar die erst ab 2012 geltenden, strengeren Zielwerte von 120 Gramm CO2 je Kilometer: die Berliner Linke-Politikerin Katrin Lompscher und die Grüne Simone Peter aus dem Saarland.

Spätestens seit der Dienstwagen-Affäre um die ehemalige Gesundheitsministerin Ulla Schmidt, deren Limousine 2009 in Spanien gestohlen wurde, ist das Fahrzeug zu einem Gradmesser für Politiker geworden: Sind ihnen die zentralen Themen der öffentlichen Debatte wirklich wichtig? Für den Umweltschutz, so scheint es, interessieren sich einige nicht so sehr.

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