Politik kompakt:Westerwelle will Wehrpflicht abschaffen

FDP und Union streiten über das Ende der Wehrpflicht, Arbeitsminister Scholz will die Altersteilzeit um fünf Jahre verlängern - und Gysi erteilt der SPD eine Absage.

Die FDP will sich in einer Koalition mit der Union für die Aussetzung der Wehrpflicht starkmachen. Parteichef Guido Westerwelle nannte die Wehrpflicht in einem am Samstag veröffentlichten Interview des Magazins Der Spiegel überflüssig und ungerecht. "So werden wir es auch in den Koalitionsverhandlungen vertreten", sagte Westerwelle. Derzeit würden nur 15 Prozent der Männer eines Jahrganges zum Wehrdienst eingezogen: "Da ist es ein Akt der Gerechtigkeit, auf eine Freiwilligenarmee umzustellen." Um die Lücken im Sozialbereich bei einem Wegfall des Zivildienstes zu schließen, müssten nach seinen Worten das freiwillige soziale Jahr gefördert und "ordentliche Beschäftigungsverhältnisse"ausgebaut werden. Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel hatte beim öffentlichen Gelöbnis von Bundeswehrrekruten am Montag in Berlin ihr Festhalten an der Wehrpflicht bekräftigt. Westerwelle ließ mit seiner Wortwahl offen, wie konsequent die FDP in Koalitionsverhandlungen für eine Aussetzung eintreten würde.

Politik kompakt: "Überflüssig und ungerecht": FDP-Chef Guido Westerwelle über die Wehrpflicht.

"Überflüssig und ungerecht": FDP-Chef Guido Westerwelle über die Wehrpflicht.

(Foto: Foto: AP)

Für eine Abschaffung der Wehrpflicht treten Linkspartei und Grüne ein. Die SPD will im Grundsatz an der Wehrpflicht festhalten, sie aber weiterentwickeln. In der Praxis sollen zwar alle jungen Männer für den Wehrdienst gemustert werden. Einberufen würden zunächst aber nur diejenigen, die auf Befragen erklären, dass sie den Dienst leisten wollen. Nur wenn ihre Zahl nicht ausreicht, will die SPD weiter nach Bedarf einberufen.

Bericht: Essener Student unter Terrorverdacht

Die Bundesanwaltschaft ermittelt laut Spiegel gegen einen Studenten aus Essen wegen des Verdachts, einen Sprengstoffanschlag geplant zu haben. Ende Juni sei der Medizinstudent Ali R. festgenommen worden, weil seine Duldung in Deutschland ausgelaufen war, berichtete das Nachrichtenmagazin am Samstag vorab. Bei seiner Durchsuchung seien die Ermittler auf einen USB-Speicherstick mit Dokumenten zum Einsatz von Bomben und Sprengfallen und einem Propagandavideo gestoßen. Bei der Auswertung des Mobiltelefons seien mehrere SMS-Kurznachrichten gefunden worden, die den Fahndern verdächtig vorkamen. Ein Sprecher der Bundesanwaltschaft wollte sich am Samstag zu dem Magazinbericht nicht äußern. Dem Bericht zufolge hat das Bundeskriminalamt die Ermittlungen übernommen. Der 1997 aus dem Gazastreifen nach Deutschland gekommene Student sei den Staatsschützern kein Unbekannter. Er sei in der Anti-Terror-Datei von Bund und Ländern seit 2005 als "relevante Person" eingetragen und gelte als Sympathisant militanter Islamisten.

Irakische Kurden wählen Parlament und Präsident

In der autonomen Kurdenregion im Nordirak haben die Menschen am Samstag ein neues Parlament und den Präsidenten gewählt. Rund 2,5 Millionen Bürger waren zur Stimmabgabe aufgerufen, es wurde eine hohe Wahlbeteiligung erwartet. Absoluter Favorit für das höchste Amt in der Autonomieregion ist der bisherige Präsident Massud Barsani. "Wir rechnen mit einer Wahlbeteiligung von über 70 Prozent", sagte ein Mitglied der Wahlkommission der Nachrichtenagentur Aswat al-Irak. Auch das Parlament dürfte weiterhin von der Allianz der beiden großen Kurdenparteien beherrscht werden, bestehend aus der KDP (Kurdische Demokratische Partei) von Barsani und der PUK (Patriotische Union Kurdistans) des irakischen Präsidenten Dschalal Talabani. Die endgültigen Ergebnisse sollen erst in einigen Tagen vorliegen. Die Wahlen fallen in eine Zeit neuer Spannungen mit der Zentralregierung in Bagdad. Hintergrund sind kurdische Gebietsansprüche, die über die Autonomieregion weit hinausgehen. Sie beinhalten die erdölreiche Provinz Kirkuk und Teile der Provinzen Niniveh, Salaheddin und Dijala und werden mit den massenhaften gewaltsamen Vertreibungen der Kurden unter Ex-Diktator Saddam Hussein begründet.

Scholz will Altersteilzeit um fünf Jahre verlängern

Arbeitsminister Olaf Scholz will noch vor der Wahl die Altersteilzeit bis 2014 ausweiten. "Ich bin dafür, dieses Angebot der Bundesagentur noch einmal für fünf Jahre zu verlängern", sagte der SPD-Politiker der Bild am Sonntag. Er habe einen Gesetzentwurf "fertig in der Schublade liegen". Betriebe, die die Förderung in Anspruch nehmen wollten, müssten aber im Gegenzug Auszubildende übernehmen. "Altersteilzeit ist ein Angebot für Menschen, die lange gearbeitet haben und vor der Rente einmal halblang machen möchten", sagte Scholz. "Wir können das Gesetz jederzeit auf den Weg bringen, auch noch vor der Bundestagswahl." Zu den Kosten für eine Verlängerung der Altersteilzeit über den 31. Dezember dieses Jahres hinaus sagte der Bundesarbeitsminister: "Bisher gibt die Bundesagentur für die Altersteilzeit für etwas mehr als hunderttausend Förderfälle etwa 1,3 Milliarden Euro pro Jahr aus. Wenn die Förderung wie geplant dieses Jahr ausliefe, sänke der Betrag allmählich. Bei einer Verlängerung der Förderung zieht sich dieser Vorgang länger hin." FDP-Generalsekretär Dirk Niebel kritisierte den Vorschlag scharf als einen "weiteren Schritt in Richtung Öffnung der SPD zu Linkspartei". "Der Vorstoß des Bundesarbeitsministers zeigt, dass er in seinem Ressort nichts verstanden hat."

Gysi: SPD für Linke "nicht koalitionsfähig"

Der Fraktionschef der Linken im Bundestag, Gregor Gysi, hat einem Bündnis mit der SPD zum jetzigen Zeitpunkt eine Absage erteilt. Derzeit sei die SPD für die Linke "nicht koalitionsfähig", sagte er dem Tagesspiegel am Sonntag. Die SPD müsse wieder sozialdemokratisch werden, bevor sie für die Linke bündnisfähig werde. "Bis zum Herbst wird das nicht gelingen, aber bis 2013 halte ich das für möglich", sagte Gysi der Zeitung. Natürlich müsse auch die Linke Kompromisse eingehen, aber es gebe Stellen, an denen sie sich nicht bewegen könne. "Wenn wir auf die SPD zugehen, und auch dafür sind, dass die Bundeswehr in den Krieg in Afghanistan zieht, dass die Rente um zwei Jahre gekürzt wird, dass Arbeitslose mit Hartz IV drangsaliert werden, dann sind wir am selben Tag überflüssig." Mit Blick auf die anstehenden Landtagswahlen in Thüringen und im Saarland sagte Gysi, für eine Kooperation auf Bundesebene hätten auch rot-rote Regierungen auf Landesebene Relevanz. "Wenn Sie gemeinsam mehrere Regierungen bilden, entstehen Beziehungen und eine gewisse politische Kultur."

Iran: Neue Drohungen gegen Israel

Iran hat für den Fall eines israelischen Angriffs auf seine Atomanlagen erneut mit einem Gegenangriff gedroht. Das Land werde im Falle eines israelischen Angriffs "ohne jeden Zweifel" zurückschlagen, sagte der Chef der Revolutionsgarden, Mohammad El Dschafari, im arabischsprachigen Fernsehsender El Alam. Iran sei dank des Fortschritts der vergangenen zwei Jahre in der Lage, einen derartigen Angriff auszuführen. Ganz Israel liege in Reichweite der iranischen Raketen, bekräftigte der Chef der sogenannten Pasdaran. Nach Angaben aus Teheran haben die iranischen Raketen vom Typ Schahab 3 eine Reichweite von 2000 Kilometern und könnten damit Israel erreichen. Ausländische Experten bezweifeln jedoch die Treffgenauigkeit der Raketen. Der Westen verdächtigt den Iran, heimlich an der Entwicklung von Atomwaffen zu arbeiten. Teheran weist dies zurück und betont, die Nukleartechnik lediglich zivil nutzen zu wollen. Israel, das Teherans Atomprogramm mit großer Sorge sieht, drohte wiederholt mit einem Angriff auf die iranischen Atomanlagen.

Philippinen: MILF-Rebellen stellen Angriffe ein

Die größte Islamisten-Gruppe der Philippinen hat am Samstag eine Waffenruhe ausgerufen und damit den Weg für eine Wiederaufnahme von Friedensgesprächen freigemacht. Die Angriffe auf Militärziele würden sofort eingestellt, sagte ein Sprecher der Moro Islamic Liberation Front (MILF) der Nachrichtenagentur Reuters. Die Regierung hatte am Donnerstag einseitig die Kämpfe eingestellt. Vertreter beider Seiten sollen sich nun in der kommenden Woche in Kuala Lumpur treffen, um neue Gespräche vorzubereiten. Die MILF kämpft seit 40 Jahren für einen islamischen Staat im Süden der überwiegend christlichen Philippinen. Dabei sind 120.000 Menschen ums Leben gekommen. Ein Abkommen im vergangenen Jahr zur Vergrößerung eines autonomen Gebietes auf der Insel Mindanao wurde vom Obersten Gericht aufgehoben. Aus Wut darüber hatten abtrünnige MILF-Rebellen katholische Gemeinden angegriffen.

Kirgistan: Opposition wirft Präsident Wahlbetrug vor

Mit Videoaufnahmen von der Präsidentenwahl will die Opposition in Kirgistan ihre Betrugsvorwürfe belegen. Sie veröffentlichte am Samstag Filme aus Wahllokalen, auf denen Wähler zu sehen waren, die offenbar mehrfach ihre Stimme abgaben. Außerdem wurden Aufnahmen gezeigt, auf denen eine Gruppe von Wählern mit dem Bus zu mehreren Wahllokalen gebracht wurde. Dem offiziellen Ergebnis zufolge erhielt Amtsinhaber Kurmanbek Bakijew bei der Wahl am Donnerstag 83 Prozent der Stimmen. "Dies war keine Wahl, es war ein schamloser Betrug", sagte Bakit Beschimow, der Wahlkampfleiter des wichtigsten Herausforderers Almasbek Atambajew, bei einer Pressekonferenz. Er kündigte Proteste gegen das amtliche Ergebnis an. Gegenkandidat Atambajew habe laut Wählernachfragen der Opposition rund 60 Prozent der Stimmen bekommen, betonte er. Atambajew hatte sich am Wahltag aus dem Rennen zurückgezogen und dies mit verbreitetem Wahlbetrug begründet. Er stand auf den Stimmzetteln aber noch zur Wahl, laut Wahlkommission erhielt er nur etwas mehr als fünf Prozent. Die Regierung des zentralasiatischen Landes hat bislang nicht auf die Betrugsvorwürfe der Opposition reagiert.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: