Politik kompakt:SPD-Größen verteidigen Sarrazin-Beschluss

Rückendeckung für Andrea Nahles: Führende Sozialdemokraten befürworten den Verbleib von Thilo Sarrazin in der Partei. Die SPD müsse "Meinungsverschiedenheiten aushalten".

im Überblick.

Namhafte SPD-Politiker haben sich hinter den Beschluss gestellt, den umstrittenen früheren Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin nicht aus der SPD auszuschließen. "Die SPD ist die Partei mit der größten Meinungsvielfalt. Wir müssen Meinungsverschiedenheiten aushalten", sagte der Chef der nordrhein-westfälischen Landesgruppe in der SPD-Bundestagsfraktion, Axel Schäfer, der Rheinischen Post. "Ich kann die Entscheidung nachvollziehen. Es bringt nichts, weiter darüber zu streiten", sagte auch der Sprecher des liberalen Seeheimer Kreises, Johannes Kahrs, der Zeitung.

Sarrazin vor SPD Parteiausschlussverfahren

Darf in der SPD verbleiben: Der frühere Berliner Finanzsenator und Ex-Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin.

(Foto: dpa)

Schweres politisches Geschütz bot dagegen der Parteinachwuchs auf: Es sei einfach nicht nachvollziehbar, warum der Parteiausschluss von Thilo Sarrazin nicht weiter verfolgt werde, monierten die hessischen Jusos und fügten hinzu: "Deshalb fordern wir Konsequenzen aus dieser Entscheidung und den Rücktritt von Andrea Nahles als SPD-Generalsekretärin."

Sarrazin hatte mit Thesen zur Integrationsfähigkeit von Zuwanderern das Ausschlussverfahren provoziert. Nach seiner Erklärung, er sei vor allem fehlinterpretiert worden, hatten die Betreiber des Verfahrens ihre Ausschlussanträge am Gründonnerstag überraschend zurückgezogen. Nach der Entscheidung war vor allem Generalsekretärin Andrea Nahles parteiintern stark unter Druck geraten: Sie hatte die Bundespartei in der Schiedskommission vertreten und den umstrittenen Beschluss verteidigt.

Der frühere Berliner Finanzsenator habe "seine sozialdarwinistischen Äußerungen relativiert, Missverständnisse klargestellt und sich auch von diskriminierenden Äußerungen distanziert", sagte Nahles. Mit der gütlichen Einigung sei ein "kluger Weg" beschritten worden. Sie erhielt Unterstützung vom rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck und dem stellvertretenden Parteichef Olaf Scholz.

Teile der Parteibasis laufen jedoch Sturm gegen einen Verbleib Sarrazins in der SPD. Mittlerweile wurden erste Parteiaustritte bekannt. Der geschäftsführende Bundesvorstand der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, sagte der Berliner Zeitung, er könne die Einstellung des Verfahrens "nicht nachvollziehen", da Sarrazin von seinen Thesen nicht zurückgetreten sei. "Nach dieser Entscheidung werden viele Wähler nichtdeutscher Herkunft der SPD den Rücken kehren", sagte Kolat, der den Arbeitskreis Integration und Migration der Sozialdemokraten leitet.

(dpa)

Der Bundesregierung droht Streit über Änderung des Schengen-Abkommens, ein in den USA lehrender Jurist ist zum neuen politischen Oberhaupt der tibetischen Exil-Regierung gewählt worden und Grüne und SPD könnten im Falle einer Bundestagswahl weiter die Regierung stellen: Lesen Sie auf den nächsten Seiten weitere Kurzmeldungen.

NPD darf nicht länger mit Sarrazin-Zitat werben

Der umstrittene SPD-Politiker Thilo Sarrazin hat vor dem Landgericht Berlin eine einstweilige Verfügung gegen den Berliner Landesverband der NPD erwirkt. Mit dem Beschluss untersagte das Gericht der NPD, Zitate von Sarrazin und seinen Namen für ihre Wahlwerbung zu verwenden.

Zur Begründung für den Antrag im Eilverfahren hatte Sarrazin angeführt, die NPD verteile im Wahlkampf eine Postkarte an Berliner Haushalte, auf der er namentlich mit dem Satz zitiert werde: "Ich möchte nicht, dass wir zu Fremden im eigenen Land werden." Dadurch werde der unzutreffende Eindruck erweckt, Sarrazin stelle bewusst seinen Namen und seine Worte für die NPD zur Verfügung, hieß es in dem Antrag.

Sarrazin hatte in seinem Buch "Deutschland schafft sich ab" die angeblich fehlende Integrationsbereitschaft von Muslimen beklagt. Vor allem wegen seiner pauschalen Äußerungen zu genetischen Eigenschaften bestimmter Volksgruppen hatte die SPD-Führung ein Ausschlussverfahren gegen Sarrazin angestrengt, das aber in der vergangenen Woche ohne einen Ausschluss zu Ende ging.

(AFP)

Regierung droht Streit über Änderung des Schengen-Abkommens

In der Koalition bahnt sich Streit über geplante Einschränkungen im freien Reiseverkehr in Europa an. "Ich sehe momentan keine Notwendigkeit, am bisherigen Schengen-Recht etwas zu ändern", sagte der innenpolitische Experte der FDP im Bundestag, Hartfrid Wolff, der Süddeutschen Zeitung (Donnerstag-Ausgabe). Die bisherigen Ausnahmeregelungen reichten aus. "Schengen ist ein Raum der Sicherheit, der Freiheit und des Rechts", betonte er. Auch Frankreich und Italien müssten sich an dieses Recht halten.

Die Forderung beider Länder nach zeitweisen Grenzkontrollen wegen der Flüchtlingsströme aus Nordafrika war zuvor in der Bundesregierung auf vorsichtige Zustimmung gestoßen. Ein Sprecher von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) kündigte "Feinschliff" am Schengen-Abkommen für "bestimmte Situationen" an.

Auch der innenpolitische Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag, Hans-Peter Uhl (CSU), sprach sich für Veränderungen im Schengen-Regime aus. "Das ist eine logische Folge dessen, was sich in den vergangenen Monaten entwickelt hat", sagte Uhl der Süddeutschen Zeitung. Die Mobilität durch das Schengen-Abkommen bleibe erhalten, es gehe lediglich um die Möglichkeit "gezielter temporärer Grenzkontrollen". Kritik daran wies er zurück.

Harvard-Jurist wird Premierminister der Exil-Tibeter

Der Jurist Lobsang Sangsay ist zum neuen Ministerpräsidenten der tibetischen Exil-Regierung bestimmt worden und übernimmt damit die politische Rolle des Dalai Lama. Sangsay habe 55 Prozent der Stimmen erhalten, die Zehntausende Tibeter weltweit abgegeben hätten, sagte Wahlleiter Jamphel Choesang.

Der Dalai Lama hatte angekündigt, sich als politischer Führer der Tibeter zurückziehen, zugleich aber spirituelles Oberhaupt bleiben zu wollen.

Sangsay ist Wissenschaftler an der Harvard Law School in den USA, hat aber für den Fall seiner Wahl angekündigt, in das nordindische Dharamsala umzuziehen, wo die tibetische Exil-Regierung beheimatet ist. Es war zunächst nicht klar, wann Sangsay sein Amt antreten wird.

(dapd)

Die Grünen liegen nach einer Forsa-Umfrage bundesweit in der Wählergunst weiter vor der SPD. Beide Parteien sackten aber gegenüber der Vorwoche um je einen Prozentpunkt ab - die Grünen auf 27 Prozent, die Sozialdemokraten mit 22 Prozent auf ihr Jahrestief von Anfang Februar, wie der Stern-RTL-Wahltrend ergab. Würde derzeit ein neuer Bundestag gewählt, hätte Rot-Grün zusammen mit 49 Prozent aber immer noch eine klare Mehrheit vor Schwarz-Gelb mit 35 Prozent und den Linken mit 9 Prozent. Die Union verharrt bei 31 Prozent. Die FDP gewinnt einen Punkt hinzu, wäre aber mit 4 Prozent weiterhin nicht im Parlament vertreten.

(dpa)

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