Politik kompakt:Bundesrat billigt neues Wahlrecht

Union und FDP haben die Wahlrechtsreform durch den Bundestag gedrückt, nun hat die umstrittene Regelung die letzte Hürde genommen: Der Bundesrat ließ das neue Wahlrecht passieren - trotz der Bedenken aus SPD-geführten Ländern. Und: Bayerns Ministerpräsident Seehofer folgt Hannelore Kraft als Bundesratspräsident nach.

im Überblick

Deutschland bekommt ein neues Wahlrecht. Der Bundesrat billigte eine Änderung des Bundeswahlgesetzes, die im September bereits vom Bundestag beschlossen wurde. Die Oppositionsparteien, die sich bei der Entscheidung übergangen fühlen, reagierten empört auf den Alleingang von Schwarz-Gelb.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, warnte vor einer Beschädigung der Demokratie: "Ich bedauere, dass Schwarz-Gelb heute das Wahlrecht im Alleingang im Bundesrat durchgesetzt hat." Sein Kollege von den Grünen, Volker Beck, das Wahlgesetz sei nach wie vor verfassungswidrig. Ein neues Wahlgesetz müsse auch die Überhangmandate abschaffen: "Durch Überhangmandate kann es dazu kommen, dass eine Mehrheit an Wahlstimmen insgesamt nicht eine Mehrheit an Sitzen abbildet. Das stellt die Demokratie auf den Kopf."

Beide Politiker bekräftigten die Absicht ihrer Partei, gegen das neue Wahlrecht vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. SPD und Grüne planen derzeit, eine Normenkontrollklage zu erheben. Für eine solche Klage ist ein Viertel der Mitglieder des Bundestags erforderlich. Gemeinsam verfügen SPD und Grüne über eine ausreichende Zahl von Stimmen. Außerdem wollen auch die Linken klagen.

Neben den Parteien kündigte auch eine Bürgerinitiative den Gang nach Karlsruhe an. Die Sprecher des Vereins "Mehr Demokratie" und der Internet-Seite "Wahlrecht.de" erklärten, sie wollten bis Ende des Monats eine Verfassungsbeschwerde einlegen.

Das Bundesverfassungsgericht hatte im Juli 2008 das sogenannte negative Stimmengewicht für verfassungswidrig erklärt. Dies kann in bestimmten Fällen dazu führen, dass die Abgabe einer Zweitstimme einer Partei bei der Zahl ihrer Mandate schadet. Der Effekt tritt im Zusammenhang mit den Überhangmandaten auf.

Zuvor wählte der Bundesrat Bayerns Ministerpräsidenten Horst Seehofer an die Spitze der Länderkammer. Der CSU-Politiker löst Hannelore Kraft (SPD) ab. Offizieller Beginn seiner Amtszeit ist am 1. November.

(dpa)

Liberias Präsidentin muss in die Stichwahl, die EU verschärft die Sanktionen gegen Syrien und die UN-Vetomächte verhandeln über eine Resolution gegen Jemen: Lesen Sie auf den folgenden Seiten weitere Meldungen.

Von der Leyen erleidet Schlappe im Bundesrat

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat im Bundesrat mit ihrer Reform der Arbeitsmarktinstrumente eine Schlappe erlitten. Eine Mehrheit der Länderkammer sprach sich am Freitag für die Anrufung des Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat aus. Die Verabschiedung der zum 1. April 2012 geplanten Reform verzögert sich dadurch. Dies kam überraschend.

Die allein von SPD, Grünen und Linkspartei regierten Länder verfügen dafür im Bundesrat nicht über genügend Stimmen. Zu einer Mehrheit verhalfen ihnen nach Angaben von Teilnehmern die beiden großen Koalitionen aus CDU und SPD in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern. Sie kritisierten die geplanten Kürzungen als zu weitgehend.

Der Bundesrat kann das nicht zustimmungspflichtige Gesetz nicht stoppen, aber verzögern. In dem von Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern eingebrachten Antrag auf Anrufung des Vermittlungsausschusses wird unter anderem gefordert, auf die Verschärfung der Anspruchsvoraussetzungen für den Gründungszuschuss zu verzichten. Beim Gründungszuschuss handele es sich "um ein erfolgreiches Instrument der Arbeitsförderung".

Der Bundestag hatte das Gesetz am 23. September verabschiedet. Die Reform, mit der die Zahl der Instrumente von 42 auf 31 verringert wird, soll der Bundesagentur für Arbeit (BA) mehr Spielraum für passgenaue Entscheidungen etwa zur Qualifizierung von Arbeitslosen geben. Die Bundesregierung erhofft sich auch Einsparungen: Die BA soll dadurch in den Jahren 2012 bis 2015 gut 7,5 Milliarden Euro weniger ausgeben.

(Reuters)

Liberias Präsidentin vor Stichwahl

Die liberianische Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf liegt bei der Präsidentenwahl zwar in Führung, wird sich aber voraussichtlich einer Stichwahl stellen müssen. Denn nach inoffiziellen Angaben liegt die einzige Frau an der Spitze eines afrikanischen Staates mit 48 Prozent zwar vor Herausforderer Winston Tubman (41 Prozent). Dies ergab die Auszählung von 15 Prozent der Stimmen.

Wenn aber keiner von insgesamt 15 Kandidaten im ersten Wahlgang mehr als 50 Prozent der Stimmen erreicht, gibt es eine Stichwahl. Wahlbeobachter sprachen von einem ruhigen Wahlverlauf am Dienstag. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon würdigte dies als "wichtigen Meilenstein" für das westafrikanischen Land, das ein langer Bürgerkrieg gezeichnet hat. Sirleaf erhält für ihre Aufbau- und Versöhnungspolitik in ihrer ersten Amtszeit den Friedensnobelpreis.

(dapd)

Sanktionen für Syrien - UN schätzt Zahl der Toten auf 3000

Die EU bestraft Syrien mit Sanktionen, weil das Land die Oppositionsbewegung unterdrückt. Das Guthaben der Handelsbank Commercial Bank of Syria, das in der Europäischen Union liegt, wird laut EU-Diplomaten in Brüssel eingefroren. Unterdessen gab das syrische Elektrizitätsministerium bekannt, der deutsche Siemenskonzern habe die Erweiterung eines Elektrizitätswerkes in Nassirija zugesagt.

Die Sanktionen gegen die Commercial Bank of Syria sollen an diesem Freitag in Kraft treten. "Die Entscheidung ist die direkte Folge des entsetzlichen und brutalen Feldzugs des syrischen Regimes gegen sein eigenes Volk", sagte die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton und begrüdete so die Verschärfung der Sanktionen.

Der Siemens-Konzern habe am Donnerstag eine vertragliche Vereinbarung unterzeichnet, die die Erweiterung des Werkes Nassirija nördlich von Damaskus für 305 Millionen Euro vorsieht, meldete die syrische Nachrichtenagentur Sana. Siemens sei für die Planung, Herstellung, Lieferung und Installation der notwendigen Gerätschaften zuständig.

Die gewalttätigen Auseinandersetzungen in verschiedenen syrischen Städten reißen nicht ab. Laut der Beobachtungsstelle für Menschenrechte in Syrien starben mindestens 19 Menschen. 25 Zivilisten wurden verhaftet.

Die Vereinten Nationen haben ihre Opferzahlen aktualisiert: Mehr als 3.000 Menschen wurden demnach bei der Niederschlagung der seit sieben Monaten anhaltenden Proteste gegen Assad getötet. Unter den Toten seien mindestens 187 Kinder, sagte Rupert Colville, Sprecher der UN-Menschenrechtsbeauftragen Navanethem Pillay. Allein in den vergangenen zehn Tagen seien mehr als 100 Menschen ums Leben gekommen, sagte er. Darüber hinaus seien Hunderte festgenommen und gefoltert worden oder verschwunden.

(AFP)

In der irakischen Hauptstadt Bagdad sind am Donnerstagabend zwei Bomben explodiert und haben mindestens 18 Menschen getötet. Die Sprengsätze detonierten am Straßenrand in der Nähe eines Marktes im schiitischen Stadtteil Sadr City. Dies teilte das Verteidigungs- und des Innenministerium mit. Mehr als 50 weitere seien verletzt worden, berichteten Ärzte und Sicherheitskräfte am Freitag.

Bei einem weiteren Bombenanschlag nördlich von Tikrit starb ein Soldat, zwei weitere wurden verletzt. Erst am Mittwoch waren bei einer Anschlagsserie in Bagdad mindestens 31 Menschen getötet und mehrere Dutzend verletzt worden. Obwohl die Gewalt im Irak seit 2006 zurückgeht, gibt es immer wieder Anschläge. Im September starben nach Behördenangaben 185 Menschen bei Gewalttaten, im Vormonat waren es 239.

Zumeist sunnitische Extremisten töten bei spektakulären Bombenanschlägen oft viele Menschen. Wegen des bevorstehenden Abzugs der US-Truppen werfen neue Anschlagswellen immer wieder auch die Frage auf, wie weit die irakischen Sicherheitsorgane die Lage im Griff haben. Die 40.000 US-Soldaten, die noch im Irak stationiert sind, sollen bis zum Jahresende das Land verlassen.

(AFP/dpa)

UN-Vetomächte verhandeln über Jemen-Resolution

Die fünf Vetomächte im Weltsicherheitsrat wollen Jemens Präsident Ali Abdullah Saleh auffordern, seine Macht aufzugeben. Dies geht aus dem britischen Entwurf hervor, in dem die UN-Vetomächte über Resolution zur Lage im Jemen verhandeln. Im Gegenzug soll dem Staatschef Immunität zugesichert werden.

Das Papier, das der Nachrichtenagentur AP vorliegt, verurteilt die Menschenrechtsverletzungen seitens der jemenitischen Sicherheitskräfte und fordert alle Gruppen zum Gewaltverzicht auf. Der französische UN-Botschafter Gerard Araud ist skeptisch, ob der Entwurf im UN-Sicherheitsrat Chancen auf Erfolg hat. Allerdings bewegten sich die Russen in die richtige Richtung.

Der russische UN-Botschafter Witali Tschurkin zeigte sich einer rechtlich bindenden Resolution gegenüber aufgeschlossen. Anfang der Woche hatte er noch erklärt, er bevorzuge die schwächere Form der präsidentiellen Erklärung. Anders als im Fall Syrien sieht der Resolutionsentwurf zum Jemen keine Sanktionen vor.

Eine Abstimmung über den Entwurf ist in der kommenden Woche möglich. Der UN-Sonderbeauftragte für den Jemen, Jamal Benomar, sagte dem Weltsicherheitsrat: "Die Sicherheitslage im Jemen hat sich dramatisch verschlechtert. Die Jemeniten wollen eine schnelle Übergabe der Macht. Das ist es, worauf sich alle internationalen und regionalen Bemühungen konzentrieren."

(dapd)

Venezuelas Präsident will auf Drogenschmuggler schießen

Der venezolanische Präsident Hugo Chávez hat einen Schießbefehl gegen mutmaßliche Flugzeuge von Drogenschmugglern angeregt. Das Parlament solle der Luftwaffe erlauben, Maschinen der Kartelle abzuschießen, wenn die Piloten die Landung verweigern, sagte Chávez am Donnerstag in einer im Fernsehen übertragenen Rede. Aus dem Nachbarland Kolumbien werden große Mengen Kokain über Venezuela in die USA und nach Europa transportiert.

(dapd)

In Bulgarien ist das Auto des Chefs eines kleinen Fernsehsenders in die Luft gesprengt worden, der sich häufig kritisch über die Regierung von Ministerpräsident Boiko Borisow geäußert hatte. Bei der Explosion eines selbstgebauten Sprengsatzes unter dem Wagen von Sascho Dikow am Donnerstagabend sei niemand verletzt worden, sagte der Polizeichef der Hauptstadt Sofia im bulgarischen Rundfunk.

Das Auto war demnach vor Dikows Haus geparkt. Dikow sagte dem von ihm geführten TV-Sender Kanal 3, er habe keinerlei Drohung erhalten. Die Explosion ereignete sich zeitgleich mit einem Besuch von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso in Bulgarien, am Freitag werden zudem drei weitere EU-Kommissare in Sofia erwartet.

Die EU wirft Bulgarien immer wieder Versäumnisse im Kampf gegen Korruption und Verbrechen vor. Im Februar war vor dem Redaktionsgebäude der regierungskritischen Zeitung "Galeria" ein Sprengsatz detoniert, als ebenfalls mehrere EU-Kommissare in Bulgarien zu Besuch waren.

(AFP)

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