Komorowski: Polens neuer Präsident:Besser für Berlin

Komorowski hat sich gegen Kaczynski bei der Stichwahl in Polen durchgesetzt: Warum die deutsche Regierung das Ergebnis begrüßt - und was vom neuen Präsidenten zu erwarten ist.

Thomas Urban, Warschau

Der Wahlsieg Bronislaw Komorowskis wurde in Berlin mit Erleichterung aufgenommen: Der 58-Jährige hat sich nicht nur als proeuropäischer Politiker profiliert, sondern unterhält seit vielen Jahren gute Beziehungen in die Bundesrepublik, vor allem zur CDU. Denn diese gehört wie die in Warschau regierende Bürgerplattform (PO), die Komorowski für die Präsidentenwahlen aufgestellt hat, zur Europäischen Volkspartei (EVP), dem Zusammenschluss der Christdemokraten auf europäischer Ebene. Besonders zu Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hat Komorowski ein enges Verhältnis aufgebaut.

Komorowski: Polens neuer Präsident: Wahlsieger Komorowski hat sich nicht nur als proeuropäischer Politiker profiliert, sondern unterhält seit vielen Jahren gute Beziehungen in die Bundesrepublik.

Wahlsieger Komorowski hat sich nicht nur als proeuropäischer Politiker profiliert, sondern unterhält seit vielen Jahren gute Beziehungen in die Bundesrepublik.

(Foto: AFP)

Der im April bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommene Präsident Lech Kaczynski hatte sich hingegen sehr schwer mit den deutschen Nachbarn getan. Ebenso wie sein Zwillingsbruder Jaroslaw, der nun Komorowski bei der Wahl knapp unterlegen ist, verband er mit den Deutschen vor allem die Lasten der Vergangenheit, namentlich den Besatzungsterror im Zweiten Weltkrieg.

Auch unterstellte er ihnen eine Geringschätzung Polens in der Gegenwart. In der Zeit der "Doppelherrschaft der Zwillinge" in den Jahren 2006 und 2007, als Jaroslaw auch Regierungschef war, suchten sie sogar die politische Konfrontation mit der Bundesregierung. Sie sprachen offen aus, dass sie die EU-Reform blockieren wollten, um eine Dominanz der Deutschen in Europa zu verhindern.

Komorowski geht dagegen wie Regierungschef Donald Tusk, der die PO führt, von dem Motto aus: Je reibungsloser die EU funktioniert, desto besser ist es für Polen. Kernstück ihrer Außenpolitik ist eine gute Zusammenarbeit mit Berlin. So entspannten sich die Beziehungen schon deutlich, als Tusk nach dem PO-Sieg bei den Parlamentswahlen 2007 Jaroslaw Kaczynski als Premierminister ablöste und nur noch der versöhnlichere der Brüder, nämlich Lech im Präsidentenpalast, zur Warschauer Führung gehörte.

Jedenfalls funktioniert die Zusammenarbeit zwischen den Behörden beider Länder seitdem wieder reibungslos. Zahllose regionale und lokale Initiativen, allen voran Hunderte von Städte- und Schulpartnerschaften, waren ohnehin von den Missklängen zwischen den Regierungen unberührt geblieben.

Spross eines Grafengeschlechtes

Allerdings hatte Tusk mit einem psychologischen Problem seine Regierung angetreten: Er und die PO hatten 2005 letztlich auch wegen "des deutschen Themas" die Parlaments- und die Präsidentenwahlen verloren, die mit dem überraschenden Doppelsieg der Zwillinge endeten. Dem aus Danzig stammenden Verfechter liberaler Wirtschaftsreformen war sogar vorgeworfen worden, dass sein Großvater im Krieg zur Wehrmacht eingezogen worden war. Die damit verbundene Botschaft für die traditionsbewussten Wähler: Tusk ist kein richtiger Pole.

Dies war wohl der Hauptgrund, warum Komorowski, der Spross eines Grafengeschlechtes, das einige polnische Freiheitskämpfer hervorgebracht hatte, von der PO ins Rennen gegen Kaczynski geschickt wurde. Zum "deutschen Thema" gehörten mehrere Felder: die angebliche Fälschung der Geschichte des Zweiten Weltkrieges durch ein Zentrum zur Dokumentation von Vertreibungen ("Die Henker machen sich zu Opfern", erklärte Jaroslaw Kaczynski); die angebliche Unterdrückung der in der Bundesrepublik lebenden Polen; die drohende deutsche Dominanz in der EU; die angeblichen systematischen Versuche, den Polen Mitverantwortung für den Holocaust zu geben; die Polenwitze als angebliches Alltagsvergnügen der deutschen Elite; schließlich noch der "Klau" polnischer Fußballtalente.

Keiner dieser Punkte hält allerdings einer Überprüfung durch die Wirklichkeit stand. Doch wurde bislang in den zahlreichen deutsch-polnischen Gremien und Institutionen eine tiefgehende Analyse über die Frage vermieden, wie es überhaupt dazu kommen konnte, dass diese künstlichen Themen die politische Wirklichkeit so sehr beeinflussen konnten.

Eine Fülle negativer Kommentare

Allerdings haben die Kaczynskis diese Spannungen keineswegs ausgelöst, vielmehr haben sie von ihnen profitiert. Schon kurz nach der Jahrtausendwende zeigten sich nämlich tiefe Risse in dem vorher so hoch gelobten deutsch-polnischen Beziehungen, als sowohl in Berlin als auch in Warschau Sozialdemokraten regierten. Es ging dabei vor allem um das Verhältnis zu den USA, deren Interessen die Polen nach Berliner Meinung unkritisch vertraten, und zu Russland, in dem der damalige Kanzler Gerhard Schröder "lupenreine Demokraten" am Werk sah.

Den letzten Höhepunkt erreichten die Spannungen im vergangenen Jahr, als längst die über die EVP miteinander verbündeten Angela Merkel und Donald Tusk schon die Regierungen führten: Im Februar 2009 nämlich hatte ausgerechnet der bislang in Berlin so hoch geschätzte Deutschland-Beauftragte Tusks, der frühere Außenminister Wladyslaw Bartoszewski, den Streit um eine nachrangige Personalie in dem geplanten Vertriebenenzentrum zur Staatsaffäre gemacht - und damit nicht nur die Kanzlerin zutiefst verärgert, wie der Regierungssprecher unverblümt klarmachte, sondern auch eine Fülle für Polen negativer Kommentare in der deutschen Presse hervorgerufen.

Deutsche Polen-Experten und polnische Deutschland-Experten hoffen nun, dass der besonnene und joviale Komorowski auch den Anstoß dazu gibt, die tiefen Ursachen für diese Missklänge und Missverständnisse aufzuarbeiten.

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