Polens neuer Außenminister Schetyna:Amerikakritiker und Liebling der Bürger

Grzegorz Schetyna

Grzegorz Schetyna hat gut lachen: Der polnische Politiker wurde überraschend zum Außenminister ernannt.

(Foto: AP)

Mit Grzegorz Schetyna ernennt die designierte polnische Ministerpräsidentin Ewa Kopacz ausgerechnet ihren schärfsten Rivalen zum neuen Außenminister. Das könnte sich als cleverer Schachzug herausstellen.

Von Klaus Brill

Wenn Polens designierte neue Ministerpräsidentin Ewa Kopacz eine Überraschung geplant hatte, so ist sie ihr gelungen: Mit der Berufung von Grzegorz Schetyna zum Außenminister hat Kopacz die politische Klasse rundum verblüfft. Denn der 54-jährige Politiker aus dem schlesischen Opole (Oppeln) war bisher nicht als Akteur in internationalen Angelegenheiten aufgefallen, wiewohl er seit 2011 den außenpolitischen Ausschuss des Parlaments leitet. Man kennt ihn vielmehr als profiliertesten innerparteilichen Gegenspieler des bisherigen Regierungschefs Donald Tusk.

Dass Kopacz, die Schetyna ebenfalls als Rivalen zu fürchten hatte, diesem nun ein hohes Regierungsamt überträgt, ist deshalb vor allem als Versuch zu sehen, eine Brücke zwischen verschiedenen Flügeln der regierenden konservativ-liberalen Bürgerplattform (PO) zu bauen - ein Akt der Integration.

Ein wichtiger Kritiker wird dadurch eingebunden. Ihm soll die Lust vergehen, nach Donald Tusks Wechsel als EU-Ratspräsident nach Brüssel am 1. Dezember das Amt des PO-Vorsitzenden anzustreben und für diesen Posten im nächsten Jahr gegen Ewa Kopacz zu kandidieren. Mit dieser Möglichkeit hatte Schetyna mehrmals öffentlich kokettiert.

Schetyna hätte allerlei in die Waagschale zu werfen. Der frühere erste stellvertretende Parteichef, der dieses Amt 2013 an Ewa Kopacz abgeben musste, ist einer der beliebtesten Politiker im Land und hat langjährige Politikerfahrung. Wie fast die ganze Führungselite Polens war er schon als Jugendlicher in der antikommunistischen Gewerkschaft Solidarność engagiert und saß 1989 als Studentenvertreter mit am Runden Tisch.

Keine Degradierung, aber hohe Erwartungen

Nach der Wende rückte Schetyna über die Regionalpolitik in den Sejm auf, die erste Kammer des Parlaments, die er 2010 und 2011 auch leitete. Zuvor war er Innenminister und Tusks Stellvertreter im Kabinett, bis der ihn nach einer Affäre in der Glücksspielbranche 2009 ablöste und zum Fraktionschef machte.

Als neuer Außenminister findet Schetyna nun die großen Stiefel seines Vorgängers Radosław Sikorski vor, der sich in seinen sieben Amtsjahren den Ruf eines energischen und gewandten Vertreters polnischer Interessen erworben hat. Sikorski übernimmt nun von Kopacz das Amt des "Sejm-Marschalls" (des Parlamentspräsidenten), was ihm im Staat und in der Führung der PO einen hohen Rang belässt. Als Degradierung ist seine Umsetzung also keineswegs zu werten, auch wenn er wegen vulgärer, amerikakritischer Bemerkungen bei einem illegal abgehörten Restaurant-Gespräch unter Druck geraten war.

Dennoch bleibt das Erstaunen darüber, dass in diesen schweren Zeiten, da Polen in der Ukraine-Krise so intensiv um seine Interessen und die des Nachbarn kämpfen muss, ausgerechnet der Außenminister ausgewechselt wird. Mit dieser Last und den daran geknüpften Erwartungen muss Grzegorz Schetyna jetzt als Erstes fertig werden.

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