Polen:Traurige Tage

Die Regierung ruft zur Denunziation auf und schadet sich selbst.

Von Florian Hassel

Würde der Kreml seinen Meinungsmanipulatoren aufgeben, dem ramponierten Image Warschaus weiter zu schaden - es käme vielleicht so etwas heraus wie der Brief des polnischen Senatspräsidenten Stanisław Karczewski an 20 Millionen Auslandspolen: In dem bittet der Parlamentschef, jeden zu denunzieren, der dem "guten Namen Polens" schade. Das passt zur nationalpopulistischen Darstellung, der zufolge Polen allseits angegriffen werde und sich nach Kräften wehren müsse: gegen Deutschland, gegen die EU, gegen Russland oder die Ukraine oder gegen Historiker, die sich zu sehr für die dunkle Seite der polnischen Geschichte interessieren.

Dass der peinliche Brief von einem der ranghöchsten Politiker Polens geschrieben und offiziell vom Außenministerium verschickt wurde, passt ebenfalls: Der neue Amtschef Jacek Czaputowicz ist vornehm im Auftreten, doch kompromisslos in der Sache: Am 10. April jährt sich der Absturz des polnischen Präsidentenflugzeugs im russischen Smolensk. Zu diesem Anlass wies Czaputowicz alle Auslandsvertretungen an, der "Opfer" zu gedenken.

Doch der vermeintliche Anschlag ist eine Erfindung der Regierungspartei und schlicht Unfug, der zu Propagandazwecken missbraucht wird; zum Unglück kam es durch einen Pilotenfehler. Auch Czaputowicz Vorgänger im Außenamt trat weniger als Diplomat denn als Ideologe auf. Es sind traurige Tage für die noch vor wenigen Jahren weltweit angesehene polnische Diplomatie.

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