Polen: Trauerfeier in Krakau:Abschied von Kaczynski - Medwedjews Mission

Lesezeit: 3 min

Ein Land nimmt Abschied: Polen erweist seinem verunglückten Präsidenten Kaczynski die letzte Ehre, auch Russlands Staatschef Medwedjew fliegt trotz Aschewolke zur Trauerfeier - ein Zug, der im russophoben Polen gut ankommt.

Mit Gedenkminuten und Sirenengeheul über der ganzen Stadt hat in Krakau das Staatsbegräbnis für den polnischen Präsidenten Lech Kaczynski und dessen Frau Maria begonnen. Dann zogen die Trauernden zu den Klängen von Mozarts Requiem in die Marienkirche ein, darunter auch Russlands Staatschef Dmitrij Medwedjew.

Der Kremlherr war einer der wenigen namhaften internationalen Größen, die nach Krakau gekommen sind.

Zu dem Staatsbegräbnis hatten sich ursprünglich zahlreiche Präsidenten, Regierungschefs und gekrönte Häupter angesagt. Doch dann brach der isländische Vulkan Eyjafjalla aus, dessen Aschewolke nach Mitteleuropa zog - und für die Sperrung weiter Teile des europäischen Luftraums sorgte.

Aus diesem Grund sagten unter anderem US-Präsident Barack Obama, Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy und Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre Teilnahme an Kaczynskis Trauerakt ab.

Anders Dmitrij Medwedjew: Unbeeindruckt von der Aschewolke traf der russische Präsident am Sonntagmittag noch mit einer Sondermaschine in Krakau ein - es war ihm offensichtlich besonders wichtig, an der Trauerveranstaltung teilzunehmen.

Medwedjews Mission heisst: Annäherung vorantreiben.

Im Gespräch mit dem polnischen Regierungschef Donald Tusk sagte Medwedjew vor der Messe, die Trauer habe beide Nationen verbunden. Auch künftig sei das russische Volk bereit zur Zusammenarbeit.

Medwedjew legte in der Marienkirche einen Strauß scharlachroter Rosen nieder und zündete eine Kerze an. Das russische Staatsfernsehen übertrug das Staatsbegräbnis direkt.

Die Teilnahme des Kremlchefs an der Beerdigung wurde als neues Zeichen der Solidarität mit Polen gewertet - die seit Jahren angespannten Beziehungen zwischen Moskau und Warschau hatten sich in letzter Zeit deutlich verbessert.

Die glaubwürdige Anteilnahme der russischen Staatsspitze nach dem Flugzeugabsturz war in Polen wohlwollend aufgenommen worden, dies wurde auch beim Trauergottesdienst am Samstagabend deutlich.

Der Primas der katholischen Kirche Polens, Erzbischof Henryk Muszynski, rief in der Warschauer Johanneskathedrale dazu auf, die "einmalige Chance" zur polnisch-russischen Aussöhnung zu nutzen. Er verwies auf das "aufrichtige Mitgefühl und die menschliche Solidarität", die Russland nach dem Absturz gezeigt habe.

Nie dagewesener Ansturm in Krakau

Das Wort des Primas hat im tief katholischen Polen besonderes Gewicht. Ähnlich äußerte sich der Metropolit von Krakau, Kardinal Stanislaw Dziwisz. Der Geistliche rief angesichts der Flugkatastrophe in Smolensk mit fast hundert Toten Polen und Russen zur Versöhnung auf.

Die Tragödie vor einer Woche habe viel Gutes in beiden Nationen freigesetzt, sagte Dziwisz bei der Trauermesse: "Ich richte diese Worte direkt an Präsident Medwedew." - Anerkennung für den Kremlchef, der an der Trauermesse in der Marienkirche teilnahm.

Medwedjew trotz Flugverbots nach Krakau gekommen ist, dürfte in Polen besonders positiv aufgenommen werden. Aus Deutschland waren Bundespräsident Horst Köhler und Bundesaußenminister Guido Westerwelle per Hubschrauber angereist.

Die Angehörigen der Kaczynskis, Übergangspräsident Bronislaw Komorowski und Ministerpräsident Donald Tusk reisten im Zug nach Krakau.

Nach der Messe sollte sich der Trauerzug um 15.30 Uhr zur Wawel-Burg in Marsch setzen. Dort soll das Paar in einem Sarkophag in der Gruft der Wawel-Kathedrale an der Seite von polnischen Königen und Nationalhelden die letzte Ruhe finden.

Dass der erzkonservative Präsident Lech Kaczynski auf dem Burgberg Wawel, der ehemaligen Königsresidenz in Krakau und einem der bedeutendsten nationalen Symbole, zur letzten Ruhe gebettet wird, ist umstritten. Kritiker argumentieren, dass er nicht neben Königen und Nationalhelden beerdigt werden sollte.

Bereits am Morgen waren die Menschen in die historische Altstadt von Krakau geströmt. Zehntausende Polen hatten sich versammelt, um dem Präsidentenpaar die letzte Ehre zu erweisen. Die Särge waren am Vormittag vom Krakauer Flughafen Balice in die Marienkirche am Hauptmarkt der Altstadt gebracht worden.

Die Stadtverwaltung hatte sich auf einen nie dagewesenen Ansturm eingestellt. Die Beerdigung werde das größte Ereignis sein, dass die Stadt seit Hunderten Jahren gesehen habe, sagte Stadtsprecher Filip Szatanik.

Schon Samstag hatten bis zu 100.000 Menschen auf der offiziellen Trauerfeier im Zentrum Warschaus der Kaczynskis und der 94 zumeist hochrangigen polnische Politiker und Militärs gedacht, die mit dem Präsidentenpaar an Bord der Unglücksmaschine waren und ebenfalls starben.

"Wir sind hier, um ihrer zu gedenken. Polen ist hier, um ihrer zu gedenken. Wir werden es nicht vergessen", sagte Tusk. "Sie alle hatten ihre Träume und Hoffnungen für die Zukunft ihrer Heimat." Es sei ein ernster Test für die Polen, die Hoffnungen der Toten zu verstehen und in die Zukunft mitzunehmen. "Das ist das Beste, was wir tun können", erklärte Tusk, der lange Zeit als politischer Rivale Kaczynskis galt.

Das Ehepaar Kaczynski und 94 weitere Mitglieder der polnischen Führung waren am Samstag vergangener Woche beim Anflug auf die russische Stadt Smolensk abgestürzt. Sie wollten im nahe gelegenen Katyn der 22.000 polnischen Offiziere und Intellektuellen gedenken, die dort 1940 vom sowjetischen Geheimdienst ermordet worden waren.

© sueddeutsche.de/Reuters/dpa/AFP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: