Polen:Stühlerücken in Warschau

Ministerpräsident Mateusz Morawiecki erhält viele neue Minister. Das Kabinett trägt die Handschrift von Pis-Chef Jarosław Kaczyński.

Von Florian Hassel, Warschau

Teresa Czerwinska  Poland's new Finance Minister attends a government swearing-in ceremony at the Presidential Palace in Warsaw

Künftig zuständig für Polens Finanzen: Teresa Czerwińska am Dienstag bei der Minister-Ernennung im Warschauer Präsidentenpalast.

(Foto: Kacper Pempel/Reuters)

Rund einen Monat nach der Ernennung des bisherigen Finanzministers Mateusz Morawiecki zum neuen Ministerpräsidenten hat Polens nationalpopulistische Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (Pis) weitere Schlüsselposten neu besetzt. Mit den Umbesetzungen stellt sich die Pis sowohl für kommende Wahlen neu auf wie für Verhandlungen mit der EU - und stärkt den Durchgriff von Jarosław Kaczyński, dem Pis-Parteichef und mächtigstem Mann Polens, der die grundlegenden Entscheidungen trifft.

Gefeuert wurden etwa Außenminister Witold Waszczykowski, Umweltminister Jan Szyszko und Verteidigungsminister Antoni Macierewicz. Der entlassene Verteidigungsminister stand zwar Kaczyński nahe und hatte in der Regierungspartei und bei ultrakonservativen Katholiken und Nationalisten Anhänger. Doch in der Armee und bei vielen Polen war Macierewicz nach etlichen Skandalen und bizarren Entscheidungen ebenso unbeliebt wie bei Nato-Alliierten und Präsident Andrzej Duda. Neuer Verteidigungsminister ist Mariusz Błaszczak, ein enger Vertrauter Kaczyńskis und bisher Innenminister. In diesem Amt wird er durch einen weiteren engen Kaczyński-Vertrauten ersetzt: Joachim Brudziński, bisher Vize-Parlamentspräsident.

Ausgetauscht wurde auch Umweltminister Jan Szyszko: Er hatte in dem unter strengem Schutz der EU und der Vereinten Nationen stehenden Białowieza-Wald, dem letzten Urwald Europas, Bäumefällen im großen Stil rechtswidrig zugelassen. Die EU-Kommission verklagte Polen deshalb vor dem Europäischen Gerichtshof. Auch viele Polen, die den Białowieza-Urwald quasi als Nationalheiligtum sehen, schockierte Szyszkos Vorgehen, der eng mit Polens einflussreicher Holzindustrie verbunden ist. Neuer Umweltminister ist Henryk Kowalczyk, zuvor Koordinator wichtiger Wirtschaftsgesetze im Apparat des Regierungschefs. Anders als sein Vorgänger gilt Kowalczyk als kontaktfreudig und umgänglich - offenbar soll er Polen im Streit um Białowieza geschmeidiger vertreten.

Wie andere Umbesetzungen kam auch der Wechsel an der Spitze der polnischen Diplomatie nicht überraschend: Außenminister Waszczykowski war bekannt für undiplomatische Äußerungen und geringen Einfluss innerhalb der Pis. Erwartet wurde aber, dass der für Europa-Politik zuständige Mitarbeiter des Präsidenten neuer Außenminister würde und versuchen sollte, das zerrüttete Verhältnis zur EU zu reparieren. Doch der dann als neuer Außenminister vereidigte Akademiker Jacek Czaputowicz ist weder ein prominenter Karrierediplomat noch ein politisches Schwergewicht. Seine Ernennung deutet darauf hin, dass außenpolitische Entscheidungen weiter nicht vom Außenminister getroffen werden, sondern in der Pis-Zentrale, und weniger Polens oberster Diplomat als vor allem Ministerpräsident Morawiecki sein Land im Ausland vertreten soll.

"Wir wollen keine dogmatische, doktrinentreue Regierung sein, auch keine von Extremen, Sozialismen oder anderen Extremen und Neoliberalismen", sagte Morawiecki nach Vereidigung der Minister. "Wir wollen eine Regierung sein, welche die Wirtschaft mit der Gesellschaft verbindet, die europäisches Maß mit unserem polnischen, lokalen Maß verbindet." Morawiecki setzte auch eigene Vertraute durch, seine frühere Stellvertreterin Teresa Czerwińska als neue Finanzministerin, und als Wirtschaftsminister Jerzy Kwieciński. Nach der ersten Sitzung des neuen Kabinetts flog der Regierungschef zum Essen mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und dessen Stellvertreter Frans Timmermans nach Brüssel.

Die Regierungsumbildung folgt auch innenpolitischen Interessen: Zu den Gefeuerten zählen Anna Streżyńska und Konstanty Radziwiłł, erfolglose Minister für Digitalpolitik und Gesundheit. Vor allem der Gesundheitsminister lieferte keine brauchbaren Ansätze zur Reform des desolaten Gesundheitswesens und verlor die Unterstützung protestierender Ärzte und Krankenschwestern. Mit der Entlassung unbeliebter Minister will Pis-Chef Kaczyński offenbar die Dominanz der Partei vor wichtigen Lokalwahlen im Herbst und der Parlamentswahl im Jahr darauf festschreiben.

Die Pis liegt in - jedoch notorisch unzuverlässigen - Umfragen in der Wählergunst teils bei über 40 Prozent. Die größte Oppositionspartei Bürgerplattform erreicht nicht einmal die Hälfte; die auf Platz drei liegende liberale Partei Die Modern" könnte vor der Spaltung stehen: Ihr vor Kurzem in einer Kampfabstimmung als Vorsitzender abgelöster Gründer Ryszard Petru stellte jetzt den "Plan Petru" vor. Er wird zunächst nur präsentiert als alternatives Wirtschaftsprogramm zum Kurs der Regierung.

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