Polen:Schwer geholzt

Die Regierung in Warschau muss wegen Rodungen in Europas letztem Urwald mit einer Verurteilung durch den Europäischen Gerichtshof rechnen.

Von Daniel Brössler, Brüssel

In ihren Auseinandersetzungen mit der EU-Kommission steht Polens nationalpopulistische Regierung vor einer empfindlichen Niederlage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. Polen habe mit der Genehmigung von Abholzungen im Urwald Białowieża gegen EU-Recht verstoßen, heißt es in dem am Dienstag verlesenen Schlussantrag von Generalanwalt Yves Bot. Warschau hatte mit den Rodungen in dem als Unesco-Welterbe geschützten letzten europäischen Urwald Empörung ausgelöst - im Land selbst, aber auch international. In Konflikt mit der EU geriet Polens Regierung, weil der Nationalpark als "Natura-2000-Gebiet" ausgewiesen ist und damit einem Netz von EU-Schutzgebieten angehört. Das Urteil wird in den nächsten Monaten erwartet. In der Regel folgt es dem Antrag des Generalanwalts.

Nach seiner Auffassung hat Polen gegen die Habitatrichtline und die Vogelschutzrichtline der EU verstoßen. Für nicht stichhaltig hält der Generalanwalt die Argumentation der Regierung in Warschau, wonach die drastische Erhöhung der Rodungen wegen der Ausbreitung des Buchdruckers, einer Borkenkäfer-Art, nötig gewesen sei. 2016 hatte der damalige Umweltminister Jan Szyszko mit Verweis auf die öffentliche Sicherheit und ein Brandrisiko für den Zeitraum von 2012 bis 2021 nahezu eine Verdreifachung der Holzgewinnung im Forstbezirk Białowieża genehmigt. Proteste ignorierte Warschau. Die Rodungen setzte die Regierung auch fort, nachdem die EU-Kommission im Juli 2017 Klage eingereicht und der EuGH den einstweiligen Stopp der Abholzung angeordnet hatte. Erst nach Androhung von Strafen in Höhe von 100 000 Euro täglich verfügte Warschau, die Fällarbeiten zu unterbrechen.

Nach der nun vorgelegten Einschätzung des Generalanwalts hat Polen vor seiner Rodungsentscheidung weder die nach der Habitatrichtlinie erforderlichen Maßnahmen ergriffen noch vorgeschriebene wissenschaftliche Prüfungen durchgeführt. Das ergebe sich schon "aus einer einfachen Analyse der zeitlichen Abfolge der in Rede stehenden Entscheidungen und der Stimmigkeit der vorgelegten Beweisunterlagen". Zum Zeitpunkt des Erlasses seien überdies "die geeigneten Methoden zur Eindämmung der Ausbreitung des Buchdruckers immer noch Gegenstand einer wissenschaftlichen Kontroverse gewesen".

Die Grünen im EU-Parlament begrüßten das Votum. Polens Regierung wolle "jahrhundertealte Bäume dem kurzfristigen Gewinn opfern. Es ist gut, wenn der Europäische Gerichtshof der Profitgier einen Riegel vorschiebt", sagte Fraktionschefin Ska Keller. Polens Regierung habe "dem Naturschutzgebiet und dem Rechtssystem der Europäischen Union schwer geschadet". Sie müsse "das anstehende Urteil des Europäischen Gerichtshofs ohne Wenn und Aber befolgen". Polens Umweltminister Henry Kowalczyk kündigte an, Warschau werde jedes Urteil akzeptieren. Der Wald sei "von besonderem Wert für Polen". Es sei der Regierung nur darum gegangen, den Urwald "in bester Verfassung für die jetzige und zukünftige Generationen zu erhalten".

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