Polen:EU leitet Verfahren gegen Polen ein

  • Die EU hat ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen eingeleitet, weil sie befürchtet, dass die Regierung des Landes die Unabhängigkeit der Justiz untergraben will .
  • Beanstandet wird ein Gesetz, wonach der Justizminister alle leitenden Richter an den gewöhnlichen Gerichten einschließlich der Berufungsgerichte ernennen oder entlassen kann.
  • Ein Vertragsverletzungsverfahren kann zu einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof und zu Geldstrafen führen.

Die EU hat wegen der umstrittenen Justizreform in Polen ein Vertragsverletzungsverfahren gegen das Land eingeleitet. Sie habe der Regierung in Warschau einen Monat Zeit gegeben, darauf zu reagieren, teilte die Kommission mit. Anlass seien Befürchtungen, dass mit der Reform die Unabhängigkeit der Justiz in Polen untergraben werde: Ein von Präsident Andrzej Duda unterzeichnetes Gesetz sieht vor, dass der Justizminister alle leitenden Richter an den gewöhnlichen Gerichten einschließlich der Berufungsgerichte ernennen oder entlassen kann.

Ein Vertragsverletzungsverfahren kann zu einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof und zu Geldstrafen führen.

Der Vize-Außenminister für Europäische Angelegenheiten, Konrad Szymanski, nannte die Vorwürfe laut der Nachrichtenagentur PAP "unbegründet". Auch die polnische Präsidentschaft verwahrte sich gegen Kritik aus Brüssel. Die Organisation der Gerichte sei Sache der Mitgliedstaaten und die Kommission daher nicht zuständig, erklärte der Stabschef von Präsident Andrzej Duda, Krzysztof Szczerski. Die EU-Kommission begebe sich mit dem Vertragsverletzungsverfahren in eine Sackgasse und werde früher oder später zurückrudern müssen.

Warschau trieb die Justizreformen trotz Protesten voran

Die Kommission streitet mit Warschau seit Anfang 2016, als die nationalkonservative Regierung nach Ansicht Brüssels die Unabhängigkeit des Verfassungsgerichts beschnitt. Damals leitete die EU-Kommission ein Verfahren zur Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit in Polen ein - erstmals überhaupt in der EU-Geschichte. Alle Versuche, daraufhin im Dialog oder mit Empfehlungen zum Ziel zu kommen, scheiterten jedoch.

In den vergangenen Wochen trieb Warschau dann weitere Justizreformen voran, trotz der Proteste tausender Menschen. Zu den geplanten Reformen gehört ein Gesetz, das es dem Justizminister ermöglicht, Richter des Obersten Gerichtshofs - der nicht identisch ist mit dem Verfassungsgericht - in den Ruhestand zu schicken. Gegen dieses Gesetz sowie ein weiteres zur Reform des Landesrichterrates hatte Polens Präsident Andrzej Duda am Montag überraschend sein Veto eingelegt. Er will in den nächsten zwei Monaten alternative Vorschläge zu den beiden Gesetzen vorlegen.

Der Chef der regierende Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), Jaroslaw Kaczynski, sagte kürzlich, das Veto des Präsidenten bei zwei von drei Reformgesetzen sei ein "sehr ernsthafter Fehler".

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