Polen:Ein Weißbuch soll erweichen

Warschau will der EU seine Justizreform erklären, aber ein Kompromiss ist fern. Denn es geht um Europas Grundwerte.

Von Daniel Brössler, Brüssel

Polen zeigt ungeachtet des von der EU-Kommission eingeleiteten Verfahrens im Streit über seine Justizreform keine Kompromissbereitschaft. In Kürze werde man ein Weißbuch vorlegen, das die Reform erläutere, kündigte der polnische Europa-Staatssekretär Konrad Szymański am Dienstag in Brüssel an. Die Europaminister der EU-Staaten berieten erstmals über das Verfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrags, das die EU-Kommission im Dezember angestoßen hatte, weil sie in Polen die "eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung" der Grundwerte der EU sieht. Äußerstenfalls kann so ein Verfahren mit dem Entzug von Stimmrechten enden. Begrüßt wurde von den Europaministern, dass der neue polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki den Dialog mit der EU-Kommission sucht.

Eine Abstimmung in dem Verfahren kann Polen nur durch Zugeständnisse abwenden

"In der Europäischen Union müssen wir Lösungen im Dialog finden. Aber am Ende des Tages muss jeder Mitgliedstaat akzeptieren, dass er auf Grundlage einer unabhängigen Justiz funktionieren muss", sagte der Erste Vize-Kommissionspräsident Frans Timmermans. Man warte nun auf die polnische Stellungnahme, für die die Kommission im Dezember eine Frist von drei Monaten gesetzt hatte. Danach werde über die weiteren Schritte entschieden. Die polnische Seite setzt indes trotz der bekundeten Dialogbereitschaft darauf, der EU-Kommission das Heft des Handelns zu entreißen. "Ich bin sicher, dass das Weißbuch die Haltung der Mitgliedstaaten darüber verändern wird, worüber wir überhaupt reden", sagte der polnische Europa-Staatssekretär Szymański. "Es gibt keine Kontroverse darüber, dass der Rechtsstaat wichtig ist und die Justiz unabhängig sein muss", betonte er. Eine Kontroverse gebe es lediglich in der Beurteilung von 13 umstrittenen Gesetzen. Von den Mitgliedstaaten erwarte Polen, dass sie sich ein eigenes Bild machten und nicht nur die Position der Kommission übernähmen.

In einer demonstrativen gemeinsamen Stellungnahme machten sich Deutschland und Frankreich die Haltung der Kommission zu eigen. "Wir teilen die Sorgen um die Justizreformen in Polen. Wir würden uns hierzu nicht äußern, wenn es allein ein internes Thema in Polen wäre", sagte der deutsche Staatsminister Michael Roth für beide Länder. Die Grundwerte seien "die notwendige Basis für die Zusammenarbeit innerhalb der EU, auch hinsichtlich der justiziellen und innenpolitischen Kooperation und des Funktionierens des Binnenmarktes". Die Anerkennung dieser Werte könne "auch durch nationale parlamentarische Mehrheiten nicht ausgehebelt werden", sagte Roth.

Die Fortführung des Verfahrens bedarf der Zustimmung von vier Fünfteln der Mitgliedstaaten, also von 22 Ländern. Eine solche Abstimmung kann nach Meinung der meisten Staaten nur durch polnische Zugeständnisse abgewendet werden. Selbst das mit Polen in der Visegrád-Gruppe verbundene Tschechien stellte das klar. "Wir stimmen mit der Analyse überein, dass wir ein Problem in Polen haben und etwas getan werden muss", sagte Europa-Staatssekretär Aleš Chmelař. Lediglich Ungarn wandte sich grundsätzlich gegen das Verfahren. Die Regierung in Budapest hat angekündigt, einen Stimmrechtsentzug notfalls durch ein Veto verhindern zu wollen.

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