Polen-Besuch:Dialog und Dissens

German President Steinmeier meets his Polish counterpart Duda during his visit in Warsaw

Frank-Walter Steinmeier trifft Andrzej Duda (rechts) in Warschau.

(Foto: Kacper Pempel/Reuters)

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier pflegt bei seinem Besuch in Warschau eine komplizierte Freundschaft.

Von Nico Fried, Warschau

Als junger Mann versuchte Frank-Walter Steinmeier, dessen Mutter aus Breslau stammt, mal die polnische Sprache zu lernen. Nach einigen Wochen hat er mangels ermutigender Fortschritte aufgegeben. Ein paar Brocken aber sind geblieben, weshalb der mittlerweile zum Bundespräsidenten herangereifte Steinmeier am Freitag in Warschau ein Mitglied der Ehrengarde auf Polnisch begrüßen kann: "Guten Tag, Soldat."

Sprache spielt eine wichtige Rolle bei diesem Besuch. Steinmeier plädiert für Dialog und Verständigung; zusammen mit seinem Präsidentenkollegen besucht er eine Buchmesse. Weil Polen seit dem Brexit und dem damit verbundenen Verlust des wichtigsten Verbündeten Großbritannien politisch wieder mehr an Deutschland liegt, empfängt auch Ministerpräsidentin Beata Szydło den Bundespräsidenten zu einer Unterhaltung. Einmal wird an diesem Tag aber auch deutlich, welche starke Sprache das Schweigen sein kann.

Das Verhältnis der polnischen Regierung zu Deutschland und der EU-Kommission wird seit Monaten von Misstönen begleitet. Wegen einer Justizreform, die Kontrollrechte des Verfassungsgerichts einschränkt, und einer Medienreform, die Journalisten verstärkt staatlicher Kontrolle aussetzt, steht die rechtskonservative Warschauer Regierung in der Kritik. Streit gab es auch über die Wiederwahl von Donald Tusk als EU-Ratspräsident, die nur von dem Land abgelehnt wurde, aus dem er stammt: Polen. Und seit bald zwei Jahren wehrt sich Warschau gegen die Aufnahme von Flüchtlingen aus dem europäischen Verteilungsprogramm.

Eine kleine Anspielung hat Steinmeier in seiner Rede versteckt: aus dem Zauberberg

Steinmeier und sein Präsidentenkollege Andrzej Duda geben sich an diesem Tag betont freundschaftlich. Man habe gemeinsam darüber gescherzt, dass es die Aufgabe der beiden Staatsoberhäupter sei, gelegentlich die aufgeheizte Situation zu löschen, sagt Duda. Die Übersetzerin macht daraus für die deutschen Zuhörer die hübsche Formulierung, "die Hitzköpfe mit Wasser zu überschütten". Duda sagt über sich selbst, er sei immer ein Anwalt der deutsch-polnischen Beziehungen gewesen. Steinmeier sagt, Polen liege ihm am Herzen "und das deutsch-polnische Verhältnis erst recht".

Auf der Buchmesse will Steinmeier einerseits würdigen, was die beiden Länder jenseits der Politik verbindet. Andererseits greift er auf ein Interview des bei einem Flugzeugabsturz getöteten früheren Präsidenten Lech Kaczyński zurück, in dem dieser über Thomas Manns Roman "Der Zauberberg" und den gelehrten Dialog zwischen dem weltoffenen Lodovico Settembrini und dem konservativen Leo Naphta gesprochen hat.

Der Dialog, in dem es auch um den Widerstreit von Freiheit und totalitären Tendenzen gehe, sei durchaus aktuell, findet der Bundespräsident, überlässt es aber seinen Zuhörern, die Parallelen zu Ende zu denken. Freilich erhält die Szene eine eigentümliche Spannung, weil an der Seite einige Dutzend polnische Demonstranten stehen. Sie schweigen. Aber jeder von ihnen hält ein Exemplar der polnischen Verfassung in den Händen. Es ist ein Protest, den man sogar versteht, wenn man gar kein Polnisch spricht.

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