Pokalfinale:Balla Balla

Helene Fischer regt viele Fußballfans auf.

Von Michael Neudecker

Jan Böhmermann hat Helene Fischer einmal "singende Sagrotan-Flasche" genannt, das ist mehr als zwei Jahre her, damals war Böhmermann noch ein Moderator aus der Geheimtippecke. Seitdem ist viel passiert; Helene Fischer helenefischert zwar immer noch angriffsflächenfrei vor sich hin, am Wochenende aber zeigte sich, dass Desinfizieren nicht unverwundbar macht. Fischer trat in der Halbzeitpause des Endspiels um den DFB-Pokal auf und wurde ausgepfiffen, handgestoppte acht Minuten lang.

Der Fernsehzuschauer erlebte das weniger drastisch als der Ohrenzeuge im Berliner Stadion, weil die Außenmikrofone heruntergeregelt wurden, als Fischer zu singen begann. Die ARD teilte am Sonntag mit, es sei üblich, bei Musikdarbietungen die Umgebungsgeräusche zu dämmen, zudem habe man auf das sogenannte Weltbild keinen Einfluss, zu dem auch die Halbzeitshow inklusive Ton gehöre: das produziere immer der Veranstalter, in dem Fall der Deutsche Fußball-Bund. Der DFB muss sich nun in der Nachbetrachtung dieses immerhin von 9,82 Millionen TV-Zuschauern verfolgten Sportereignisses vor allem mit dieser Frage auseinandersetzen: Wie viel Show ist zu viel?

"Helene Fischer hat beim Pokalfinale nichts zu suchen, weil wir Fußball spielen, und die wahren Fans haben in der Halbzeitpause keine Lust auf Hollywood", das hat zum Beispiel Fredi Bobic grimmig in die Mikrofone gesagt. Bobic ist Sportvorstand des unterlegenen Finalteilnehmers Eintracht Frankfurt, in den Neunzigern war er Stürmer beim VfB Stuttgart. Ungefähr zu der Zeit begannen sie in der Bundesliga, die Fans mit herumalbernden Maskottchen zu bespaßen, in Stuttgart gibt es seit 1992 ein Krokodil mit rotem Käppi, es heißt "Fritzle". Sport ist Unterhaltung, das eine geht nicht ohne das andere, das war sogar schon vor Bobic' und Fritzles aktiver Zeit so. Im Fußball erleben sie allerdings gerade wieder, dass die deutsche Anhängerschaft im Gegensatz zum showverliebten US-Publikum sehr genau darauf achtet, dass die Balance zwischen Show und Sport nicht kippt. Und dass der Glaube, die Pause werde von allen Beteiligten nicht dringend als ebensolche benötigt, ein Irrglaube ist.

Wozu der Entertainment-Eifer führen kann, war neulich beim Spiel des FC Bayern gegen Freiburg zu sehen, am letzten Bundesligaspieltag: Da trat in der Halbzeit die Sängerin Anastacia auf, danach gab es Schwierigkeiten mit der Bühne. Die zweite Halbzeit begann mit mehreren Minuten Verspätung, und es pfiff nur deshalb kaum jemand, weil man nicht pfeifen kann, wenn man perplex ist.

Zur Gemengelage, die zum Berliner Pfeifkonzert geführt hat, gehört aber auch dies: Fans teilen die Welt gerne in Lager auf, und Helene Fischer ist dem Lager des Pokalsiegers Dortmund zuzuordnen. Vor dem Spiel soll es Wetten in der Fanszene gegeben haben: Wenn es gelinge, die Fischer niederzupfeifen, käme es zu Freibierausschüttung in Fankneipen. Die Pfiffe kamen überwiegend aus dem Frankfurter Block, weshalb Kenner der Szene nun witzeln: Ja, die Fans hassen zu viel Show, aber der DFB hätte sich das einfach ersparen können - wenn er statt Fischer Andrea Berg verpflichtet hätte. Andrea Berg ist Fan des Drittligisten SG Sonnenhof Großaspach.

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