Poetry-Slam-Gewinner:"Eine Bundestagsdebatte ist doch Slam pur"

Wehwalt Koslovsky, Mitglied des Sieger-Duos beim sueddeutsche.de-Poetry-Slam, über die Gemeinsamkeiten zwischen Politik und Poetry - und Helmut Schmidt als Slam-Besucher.

sueddeutsche.de: Trockene Politik und kreativer Poetry Slam, passt das überhaupt zusammen?

Klötgen, Koslovsky, oH

Das Duo Klötgen (r.) & Koslovsky (l.), Sieger des ersten

sueddeutsche.de

-Poetry-Slam.

(Foto: Foto: oh)

Wehwalt Koslovsky: Ja, sehr gut sogar. Genau wie ein Politiker wirbt der Slam-Poet um Mehrheiten für sich und seine Ideen, indem er mit seiner Darbietung um die Gunst des Publikums buhlt. Eine Bundestagsdebatte im Fernsehen, das ist doch oft Slam pur. Wie die sich da gegenseitig beharken, mit semantischen Husarenstückchen und einer Redeweise, bei der sich jeder antike Rhetoriklehrer im Grab umdreht - das ist doch sehr unterhaltsam.

sueddeutsche.de: Ist Politik auch ein Thema beim Slammen?

Koslovsky: In Deutschland viel zu selten - und wenn, dann nur zwischen den Zeilen. Das Thema wird eher von Kabarettisten aufgegriffen. Die meisten Slam-Poeten haben wohl in der Politik noch keine Poesie entdeckt.

sueddeutsche.de: Wie sieht die Poetry-Slam-Szene in Deutschland aus?

Koslovsky: Sie ist ziemlich facettenreich und - obwohl es sie seit über 15 Jahren gibt - sehr offen. Einen Mitgliedsausweis braucht man nicht, jeder kann mitmachen.

sueddeutsche.de: Also eine kleine Szene?

Koslovsky: Sicher, es gibt es mehr Jogger als Slam-Poeten in Deutschland. Aber eine Szene, die seit Jahren von Kiel bis Konstanz Zuschauer anlockt und die im Fernsehen Quote macht, kann man auch nicht als "klein" bezeichnen.

sueddeutsche.de:Wird die Szene noch wachsen?

Koslovsky: Wachstumspotential ist jedenfalls noch da - und die Kommerzialisierung tut ein Übriges. Es graut mir bei der Vorstellung, doch ich glaube, dass in naher Zukunft ein Privatfersehsender den "Super-Slam-Poeten" suchen wird.

sueddeutsche.de: Klötgen & Koslovsky ist ja ein bekannter Name in der Szene. Wie lange slammt ihr beide schon?

Koslovsky: Ich habe mich 1995 mit dem Slam-Virus infiziert.

sueddeutsche.de: Und eure Themen?

Koslovsky: Von hundefressenden Riesenwelsen bis zu einstürzenden Eigenheimen ist alles dabei. Wir beschäftigen uns viel mit Reimen - und sind damit unter Slammern eine Minderheit.

sueddeutsche.de: Was reizte euch daran, beim Poetry-Slam von sueddeutsche.de mitzumachen?

Koslovsky: Vor allem der Preis: Am 27. September nach Berlin zu fahren. Und dort Guido Westerwelle ins Gesicht zu sagen, dass er als Verkäufer bei einem Herrenausstatter besser aufgehoben wäre als in der Politik.

sueddeutsche.de: Wenn ihr euch einen deutschen Politiker in euer Publikum wünschen könntet: Wer wäre das?

Koslovsky: Spontan würde ich mir Helmut Schmidt wünschen. Keine Ahnung, ob ein Slam etwas für ihn wäre. Doch bei uns könnte er sich in Ruhe eine Kippe nach der anderen anstecken.

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