Podemos:Wahl in Spanien - Iglesias ist der große Verlierer

  • Die Konservativen werden bei der Parlamentswahl in Spanien stärkste Kraft, müssen sich aber einen Koalitionspartner suchen.
  • Dafür in Frage kommen die Sozialisten, die noch vor dem linksalternativen Wahlblock Unidos Podemos landen.
  • Podemos-Anführer Iglesias fühlt sich zunächst schon als Sieger, doch die Meinungsforscher liegen völlig daneben.

Analyse von Thomas Urban, Madrid

Spanien hat eine selten aufregende Wahlnacht hinter sich. Sie begann mit dem Auftritt des Spitzenkandidaten des linksalternativen Wahlblocks Unidos Podemos ("Vereint schaffen wir es"), des rhetorisch gewandten Politologen Pablo Iglesias. Der Neomarxist mit dem Pferdeschwanz gab sich siegesgewiss: Die letzten Umfragen und die Wahlnachfragen sahen eine Mehrheit für die links orientierten Gruppierungen - und ihn selbst als Führer des linken Lagers, da Podemos die traditionsreiche Sozialistische Arbeiterpartei (PSOE) überrunden würde.

Somit würde er den Anspruch auf das Amt des Premierministers erheben können - und um die Ernsthaftigkeit seines Anspruchs zu unterstreichen, trat er, was noch vor Kurzem völlig undenkbar schien, mit Krawatte auf.

Doch dann kam alles ganz anders. Die vorgezogene Neuwahl am letzten Sonntag vor den Sommerferien wurde kein Fest der Linken. Die Meinungsforscher hatten so sehr wie nie zuvor danebengelegen: Weder ist eine linke Mehrheit im Parlament zustande gekommen, noch ist Podemos zur Nummer eins im linken Lager aufgestiegen. Vielmehr ist der Aufstieg der Gruppierung gestoppt: Podemos hat sich gegenüber der Wahl vom Dezember 2015 nicht verbessert. Darauf aber hatte Iglesias gesetzt.

Neben den Meinungsforschern ist er also der große Verlierer dieser Wahl, die erforderlich wurde, weil die großen Fraktionen sich monatelang nicht auf eine Koalition hatten einigen können.

Besonders bitter für die Linken: Wahlsieger wurde wieder der konservative Premierminister Mariano Rajoy. Obwohl ihn alle anderen Spitzenkandidaten im Wahlkampf auf das Schärfste angegriffen haben, konnte die von ihm geführte Volkspartei (PP) zulegen. Ihm wurde zur Last gelegt, vor der Korruption in den eigenen Reihen die Augen verschlossen zu haben.

So spricht also viel dafür, dass die PP auch der nächsten Regierung angehört, möglicherweise aber ohne Rajoy. Denn die möglichen Koalitionspartner, die liberalen Ciudadanos (Bürger) sowie die Sozialisten, haben sich darauf festgelegt, ihn keinesfalls im Amt zu bestätigen.

Regieren Konservative und Sozialisten nun doch gemeinsam?

Die Spanier haben bei diesen Wahlen ein deutliches Signal in der Debatte über den richtigen Weg aus der schweren Wirtschaftskrise gesetzt, von der alle EU-Staaten in Südeuropa betroffen sind: Die Befürworter der Austerität, einer Verringerung der öffentlichen Ausgaben, um mittelfristig vor allem die Mittelklasse zu entlasten, sind im Parlament deutlich in der Mehrheit: Zu ihnen gehören nicht nur die PP und die liberalen Ciudadanos, sondern auch ein beträchtlicher Teil der Mandatsträger der Sozialisten, die die Stabilitätskriterien der EU in Brüssel nicht in Frage stellen.

Die überwältigende Mehrheit der Wähler hat somit nicht den Beteuerungen Iglesias' von Podemos Glauben geschenkt, dass eine Ausweitung der Schulden der beste Weg sei, eine Schuldenkrise zu bekämpfen. Hier war sein Gegenspieler Rajoy im Vorteil, er konnte darauf verweisen, dass sein Sparkurs zur Überwindung der Rezession geführt hat.

Zwar sind die Konservativen dank eines Zuwachses von 14 Mandaten in einer wesentlich besseren Ausgangslage als nach den Wahlen im Dezember. Damals hatte Rajoy wegen offenkundiger Aussichtslosigkeit erst gar nicht den Versuch unternommen, im Parlament eine Mehrheit für eine von ihm geführte Regierung zu suchen.

Zwar stünde nun mit den Ciudadanos ein Koalitionspartner bereit, der wirtschaftspolitisch am selben Strang zieht. Doch würden dieser Mitte-rechts-Koalition immer noch sieben Mandate zur absoluten Mehrheit fehlen. Sie wäre auf Unterstützung aus den Reihen der baskischen und katalanischen Regionalparteien angewiesen, die zusammen zwei Dutzend Abgeordnete stellen. Doch diese sehen traditionell in den spanischen Konservativen ihren Hauptgegner, da diese den Zentralstaat auf Kosten der Regionen stärken wollen.

Die Regionalisten könnten vielmehr einer Linkskoalition aus PSOE und Podemos zu einer Mehrheit verhelfen, etwa gegen die Zusage, den Basken und Katalanen ein Referendum über die staatliche Unabhängigkeit zuzugestehen. Dies wäre allerdings eine äußerst fragile Regierung, sie wäre völlig abhängig von den Regionalisten, die in der Tat den Zentralstaat schwächen wollen.

Podemos und Ciudadanos wären eine starke Opposition

Ein Ausweg aus diesem Dilemma wäre eine große Koalition aus Konservativen und Sozialisten nach Berliner Vorbild. Bisher klafften zwischen den beiden größten Parteien tiefe Gräben, seit dem Tod des Diktators Franco 1975 haben sie das Land abwechselnd, aber nie gemeinsam regiert. Doch dürften diese Gräben heute nicht mehr unüberwindlich sein, denn beide Parteien haben sich in den vergangenen Jahren zur Mitte hin bewegt, die Konservativen unter dem undogmatischen Rajoy von rechts, die Sozialisten von links.

Es wäre dies die einzige Koalition, die dem Land nicht nur innenpolitische Stabilität verschaffen, sondern auch längst überfällige Strukturreformen durchsetzen könnte. Denn noch liegt die Arbeitslosigkeit bei 20 Prozent, noch ist die Krise nicht überwunden. Gleichzeitig wäre bei einer derartigen Koalition eine starke Opposition garantiert: Die beiden Aufsteiger Podemos und Ciudadanos würden darauf achten, dass die etablierten Parteien nicht wieder in Korruption und Kungelei abgleiten. Denn die spanische Amigo-Wirtschaft war die eigentliche Ursache für die Krise.

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