Plagiatsvorwurf gegen Verteidigungsminister:Die Grenzen der Methode Guttenberg

Karl-Theodor zu Guttenberg hat sich den Ruf des Machers redlich erworben. Meist dadurch, dass er vermeintlich Verantwortliche kurzerhand rausgeschmissen hat. Nun wird das kaum reichen. Ein Überblick über die Strategien des CSU-Stars.

Thorsten Denkler und Birgit Kruse

Karl-Theodor zu Guttenberg hat schon so manche vermeintliche Affäre überstanden. Doch egal, ob es um die Umstände der auf Befehl eines deutschen Obersts bombardierten Tanklaster bei Kundus oder die Vorgänge auf dem Segelschulschiff Gorch Fock ging - jedes Mal stand außer Zweifel, dass er ursächlich nichts mit den jeweiligen Vorkommnissen zu tun hatte.

Die Plagiatsaffäre um seine Doktorarbeit aber ist neues Terrain für den beliebten Superminister. Erstmals muss er sich persönlich verantworten. Erstmals hat der CSU-Politiker Guttenberg das Problem, wie Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagt, "dass er die Verantwortung auf keinen anderen abschieben kann".

Diese Geschichte könnte ihm also mehr schaden als die anderen Fälle, mit denen er sich bisher herumschlagen musste oder noch muss. Stolpert der beliebteste Politiker der Deutschen am Ende über die Vorwürfe des Plagiats?

Unser Überblick über die Guttenberg-Affären zeigt, dass er mit seiner herkömmlichen Methode - erst handeln, dann denken - hier an seine Grenzen stoßen könnte. Allerdings steht die CSU noch immer weitgehend hinter ihrem Star, auch wenn die Ersten hinter vorgehaltener Hand Kritik äußern.

Guttenberg und die Opel-Krise: Geburtsstunde eines Phänomens

Es war die Nacht vom 29. auf den 30. Mai 2009. Im Kanzleramt kommen am späten Abend die Spitzen der damaligen großen Koalition zusammen, um über Staatshilfen für den angeschlagenen Autobauer Opel zu beraten. Mit dabei: Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. Es wird die Nacht sein, in der Guttenberg den Sprung vom Talent zum politischen Superstar schafft.

Spitzenrunde zu Opel zusammengekommen - Pressekonferenz

Nach der Spitzenrunde zu Opel im Mai 2009 geben der Ministerpräsident von Hessen, Roland Koch (CDU), Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) und Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) eine Pressekonferenz. Alle drei sind heute nicht mehr in ihren jeweiligen Ämtern.

(Foto: dpa)

Es ist die Geburtsstunde des Phänomens Guttenberg. Dafür brauchte es gar nicht viel. Der neue Wirtschaftsminister - zu diesem Zeitpunkt erst drei Monate im Amt - hat lediglich deutlich gemacht, er werde die beschlossenen Staatshilfen im Sinne des Steuerzahlers nicht mittragen. Sogar seinen Rücktritt hat er angeboten.

Das macht Eindruck im Volk. Endlich mal einer, der nicht an seinem Posten klebt, der sich für die Kleinen einsetzt, während die anderen nur an die Konzerne denken. Einer mit Rückgrat.

Nach dieser Nacht explodieren seine Popularitätswerte. Er wird schnell als beliebtester Politiker der Union noch vor Kanzlerin Angela Merkel geführt. Das macht ihn nahezu unangreifbar.

Es ist das Image des Machers, das die Menschen an ihm lieben. Dabei übersehen sie, dass er konkret wenig bewegt hat. Die Opel-Hilfen wurde trotz seiner Intervention zugesagt.

Guttenberg und der Fall Kundus - erste Kratzer im Lack

Verteidigungsminister zu Guttenberg und Frau besuchen Soldaten in Afghanistan

Den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan, den Guttenberg einen Krieg nennt, nutzt der CSU-Politiker mitunter zur Inszenierung der eigenen Person.

(Foto: dapd)

Als am 4. September 2009 Nato-Bomben zwei im Bett des Kundus-Flusses steckengebliebene Tanklaster in die Luft jagen, konnte Noch-Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg nicht ahnen, dass er dadurch einmal in Bedrängnis kommen würde. Nach der Bundestagswahl aber wurde er zum neuen Verteidigungsminister berufen. Sein Vorgänger Jung, der ins Arbeitsministerium gewechselt war, trat wegen der Bombardierung - die auf Befehl eines deutschen Oberst erfolgte - kurz nach seiner Vereidigung zurück.

Nun hatte Guttenberg den Fall Kundus aufzuklären. Wie er das tat, sollte sich als Blaupause für seinen Umgang mit anderen Affären in seinem Zuständigkeitsbereich erweisen: Erst einmal schmiss er Ende November 2009 und einen Monat nach Amtsantritt kurzerhand zwei vermeintlich Verantwortliche raus. In diesem Fall den Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, und Staatssekretär Peter Wichert. Angeblich, weil diese ihm Informationen vorenthalten hätten. Bis heute steht Aussage gegen Aussage.

Wieder aber konnte sich Guttenberg als Macher profilieren. Dass er sich selbst in Widersprüche verstrickte, schadete seiner Beliebtheit nicht. Erst hatte er die Bombardierung als angemessen bezeichnet, später nahm er die Bewertung zurück. Dass ihn Informationen nicht erreicht hatten, bezeichnete er zunächst als "vorenthalten", was einen gewissen Vorsatz voraussetzt. Später nahm er auch diese Bewertung zurück. In gewissen Kreisen hat sich Guttenberg so den Ruf erworben, erst zu handeln, dann zu denken.

Guttenberg und die Wehrpflicht - wider die Kabinettsdisziplin

Koalition beraet ueber Wehrpflicht

Karl-Theodor zu Guttenberg hat innerhalb der Union durchgesetzt, dass die Wehrpflicht abgeschafft wird - doch wie dies finanziert werden soll, ist unklar.

(Foto: dapd)

Egal ob Verteidigungs- und Haushaltspolitiker von Regierungs- oder Oppositionsseite gefragt werden: Die meisten sind inzwischen genervt vom Verteidigungsminister. Der hatte einem milliardenschweren Sparziel für die Bundeswehr zugestimmt und praktisch aus dieser Not heraus die Abschaffung der Wehrpflicht durchgesetzt - und verknüpft dies mit einer umfassenden Bundeswehrreform.

Später hat er dann die Reform zum politischen Ziel erklärt, dem sich die Finanzen gefälligst unterzuordnen hätten. Von Sparen will er plötzlich nichts mehr wissen. So wenig Kabinettsdisziplin gab es selten zuvor.

Guttenberg schadet auch das nicht. Er ist der Mann, der die Wehrpflicht abgeschafft hat.

Guttenberg und die Gorch Fock: Ungereimtheiten eines Machers

Guttenberg in der Marineschule Mürwik

Auch bei der Affäre um die Vorgänge auf der Gorch Fock griff Karl-Theodor zu Guttenberg hart durch und entließ Kapitän Schatz. Hier besucht der Verteidigungsminister die Marineschule Mürwik

(Foto: dpa)

Für den Tod einer Soldatin auf dem Segelschulschiff der Bundesmarine, der Gorch Fock, lässt sich Guttenberg schwerlich verantwortlich machen. Genauso wenig für die so widerrechtliche wie mysteriöse Öffnung von Feldpost aus Afghanistan. Und auch nicht für den Tod eines Soldaten in Afghanistan, dem von einem Kameraden beim Spielen mit der Waffe in den Kopf geschossen wurde.

Drei Fälle, die zu Beginn des Jahres hochkochen und die Bundeswehr mal wieder in einem wenig glanzvollen Licht zeigen. Doch der CSU-Mann weiß, was die Menschen von ihm erwarten. Sie wollen den Macher sehen.

Also setzt er an einem Freitag Ende Januar den Kommandanten der Gorch Fock, Kapitän Norbert Schatz, ab. Am Morgen hatte er im Bundestag für so einen Schritt noch keine Notwendigkeit gesehen. Dann aber wurde ihm zugetragen, dass die Bild am Sonntag über abstoßende Rituale und eine Faschingsfeier nach dem Tod der Soldatin an Bord der Gorch Fock berichten werde.

Die Berichterstattung hätte Guttenberg möglicherweise schlecht aussehen lassen. Mit Kapitän Schatz war wieder ein Sündenbock gefunden. Neu ist nur, dass die Aktion diesmal eine leichte Delle in Guttenbergs Zustimmungswerten hinterlässt.

Guttenberg und die CSU - die Partei und ihr Star

In der CSU weiß man, wie wichtig Guttenberg für die Partei ist. Seit Monaten führt er bundesweit die Riege der beliebtesten Politiker an. Im Bayerntrend, den der Bayerische Rundfunk immer zu Jahresbeginn veröffentlicht, erhält Guttenberg die Beliebtheitsnote 1,9. Der beste Wert, den das Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap jemals für den BR erhoben hat. Emnid kommt zu dem Schluss, dass vor allem Guttenberg für den wieder aufblühenden Umfrageerfolg der gebeutelten CSU verantwortlich ist.

Dennoch: Wo Sonne ist, ist auch Schatten, sagt ein CSU-Mitglied. Das gelte auch für Guttenberg. Heilsbringer hin oder her.

Die Mängelliste ist erstaunlich lang. In wichtigen Gremiensitzungen der Partei "macht er sich rar", kritisiert ein CSU-Mitglied. Stattdessen müsse Parteichef Horst Seehofer den Berliner Minister mit den Worten entschuldigen, dass alles Wichtige bereits gemeinsam besprochen worden sei. "Popularität zu haben ist schön - reicht aber nicht", sagen Kritiker. Das Verständnis für ein solches Verhalten schwinde - langsam, nach und nach.

Als CSU-Bezirkschef in Oberfranken erweckt Guttenberg gar den Eindruck, als stehe er über der bayerischen Landesverfassung. Im Bayern werden gerade die Stimmkreise überarbeitet. Die Verfassung gibt dafür klare Regeln vor. Zum Unmut der Oberfranken könnte die Reform darauf hinauslaufen, dass sie ein Abgeordnetenmandat im Landtag verlieren.

Der CSU-Bezirkschef Guttenberg greift zum bewährten Hilfsmittel: Er mimt den Macher, verspricht, die Pläne überprüfen zu lassen. Das habe bei einigen die falsche Hoffnung geweckt, die anstehende Reform sei doch noch zu stoppen, kritisiert ein oberfränkischer CSU-Mann. Doch: "Die Verfassung gilt auch für ihn", merkt ein weiteres Parteimitglied an.

Andere Stimmen hingegen warnen vor Eifersucht und Schadenfreude, die sich nun unter Guttenberg-Kritikern breit macht. "Es gibt nicht nur gute Motive", heißt es ob der Kritik an dem Verteidigungsminister. In dem "immerzynischen, süffisanten Politik-Milieu" sei Guttenberg immer noch eine "eher angenehme" Erscheinung. Und im Haifischbecken des Politikbetriebes gelte nun mal die Regel: "Ein Politiker muss, wenn er gut sein, immer wieder durch Feuer gehen. Bis zum Schluss".

Eine "Vorverurteilung" wegen der Plagiatsvorwürfe "wagen wir nicht", ist immer wieder unter den Christsozialen zu hören. Sollte sich der Vorwurf jedoch bestätigen, müsste er wohl seinen Hut nehmen, mutmaßt ein CSU-Mitglied. Dies würde "die Partei massiv treffen", da die Basis im Freistaat den Shooting-Star weiterhin bejubelt und unterstützt.

Offenbar erkennen die Parteifreunde auch die Brisanz des Plagiatsvorwurfs: Diese Geschichte könnte Guttenberg mehr schaden als die anderen Fälle, mit denen er sich gerade herumschlagen muss. Denn der Vorwurf betrifft ihn ganz persönlich und dreht sich nicht etwa um die Frage, ob Guttenberg sein Ministerium im Griff habe oder ob er sich zu sehr inszeniere.

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