Pkw-Maut:Ziellinie, Reißleine

Weil die von der CSU vorangetriebene Gebühr nicht nur in der SPD, sondern auch in einigen Landesregierungen starke Gegner hat, könnte das Projekt noch auf den letzten Metern scheitern.

Von Markus Balser, Berlin

Viele Minister schicken an diesem Morgen nur Vertreter auf die Regierungsbank im Bundestag. Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) dagegen verfolgt die Debatte über sein Prestigeprojekt zufrieden aus der ersten Reihe. Eineinhalb Stunden diskutiert das Parlament am Freitag über das umstrittene Pkw-Maut-Gesetz. Über neue Grenzen in Europa und fragwürdige Einnahmenberechnungen. Am Ende aber siegt die Koalitionsdisziplin. Auch die meisten Abgeordneten der SPD stimmen dem CSU-Plan zu. Die große Koalition macht damit den Weg für die "Infrastrukturabgabe" frei.

Die Maut werde nun sicher kommen, hieß es bereits kurz nach der Abstimmung aus Dobrindts Ministerium. Die letzten Zweifel seien zerstreut. Dobrindts Plan, die Maut noch vor der Bundestagswahl im Herbst Gesetz werden zu lassen, stehe damit nichts mehr im Weg. Sicher macht Dobrindt, dass der Bundesrat dem Gesetz nicht zustimmen muss. Doch zu sicher fühlen sollte sich die Regierung nicht, heißt es aus mehreren Landeshauptstädten. Mehrere Staatskanzleien arbeiten dort bereits an einem Plan, der die Maut in letzter Minute doch noch verhindern könnte.

Protest der Grünen gegen Maut-Gesetz

Vor allem die Grünen - hier Anton Hofreiter (vorne rechts), Fraktionsvorsitzender im Bundestag, und Oliver Krischer, einer seiner Stellvertreter - haben gegen die Mautpläne von Verkehrsminister Alexander Dobrindt oft protestiert.

(Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Denn vor allem in den Grenzregionen wächst der Protest. Allen voran das von SPD, Grünen und FDP regierte Rheinland-Pfalz, aber auch das Saarland, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen oder Schleswig-Holstein hatten Ausnahmen von der Maut gefordert, um den Verkehr mit den Nachbarländern nicht zu behindern. Dies hatte das Bundesverkehrsministerium jedoch in dieser Woche abgelehnt. Rheinland-Pfalz kündigte deshalb nun an, am nächsten Freitag im Bundesrat den Vermittlungsausschuss anzurufen. Andere SPD-regierte Länder wie Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein drohen ebenfalls damit. Auch die saarländische CDU-Regierungschefin Annegret Kramp-Karrenbauer erklärte, sollten die Grenzregionen bei der Maut nicht stärker berücksichtigt werden, sei sie für den Ausschuss. Im Saarland wird am Sonntag gewählt. Auch in Nordrhein-Westfalen, wo die Maut ebenfalls unpopulär ist, und in Schleswig-Holstein stehen Landtagswahlen an. Den Empfehlungen dieses Ausschusses muss der Bundestag zwar nicht folgen. Den Antragstellern ginge es ohnehin um mehr: Ihr Ziel wäre es, die Maut-Beratungen bis zum Herbst so zu verzögern, dass eine weitere Befassung des Bundestags, der die Wünsche der Länder noch formal zurückweisen müsste, in dieser Legislaturperiode nicht mehr möglich wäre. Würde die Maut bis zur Wahl nicht Gesetz, fiele sie der "Diskontinuität" zwischen alter und neuer Regierung zum Opfer. Der neue Bundestag startet ohne Vorhaben des alten. Das gesamte Gesetzgebungsverfahren ginge von vorne los. Und dass die SPD dem Projekt noch mal zustimmt, gilt in der Partei als unwahrscheinlich - sie wäre an den aktuellen Koalitionsvertrag nicht gebunden.

Noch ist offen, ob die Maut-Gegner unter den Bundesländern eine Mehrheit für das Anrufen des Vermittlungsausschusses bekommen. Schon jetzt aber bahnt sich auf Bundesebene Streit zwischen den Koalitionspartnern Union und SPD an. Sollte die SPD den Bundesrat nutzen, um einen Ausweg aus der Maut zu suchen, wäre das ein klarer Verstoß gegen den Koalitionsvertrag, heißt es aus der Union. Zur Maut verpflichtet habe sich schließlich die gesamte Partei und nicht nur die Bundestagsfraktion.

Österreichs Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ):

"Die Abgeordneten im Bundesrat müssen jetzt die Reißleine ziehen und die diskriminierende Ausländer-Maut zu Fall bringen."

In jedem Fall geht der Streit mit Deutschlands Nachbarn weiter. Nach dem Beschluss des Bundestages behält sich Österreich eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof vor. "Aus unserer Sicht ist die deutsche Maut rechtswidrig. Wir halten uns alle rechtlichen Optionen offen", sagte Österreichs Verkehrsminister Jörg Leichtfried. Er forderte den Bundesrat auf, das Projekt zu stoppen: Die Länderkammer müsse "die Reißleine ziehen und die diskriminierende Ausländer-Maut zu Fall bringen".

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