Piratenpartei:Die Beste unter den Sonstigen

Angriff der Piraten: Aus dem Nichts holt die Piratenpartei bei der Bundestagswahl knapp zwei Prozent. Vor allem männliche Erstwähler stimmen für sie.

Marc Widmann

Wenige Stunden vor der Wahl feuerten die etablierten Parteien noch einmal eine Breitseite gegen die Piraten: "Die werden die fünf Prozent auf keinen Fall schaffen", verkündete FDP-Chef Guido Westerwelle am Samstag in einer Fernsehdebatte. Deshalb solle sich jeder gut überlegen, ob er seine Stimme einer Gruppe gebe, die keinerlei Einfluss habe.

Piratenpartei: Ein Anhänger der Piratenpartei.

Ein Anhänger der Piratenpartei.

(Foto: Foto: dpa)

Und der CSU-Politiker Karl-Theodor zu Guttenberg war zu Scherzen aufgelegt: Er habe von einer alten Dame gehört, die die Partei im Grunde sympathisch finde; nur was die Piraten vor Somalia machten, müsse ja wohl nicht sein.

Am Sonntagabend dürfte sich manch routinierter Politiker bestätigt gesehen haben, denn die bisweilen belächelte Piratenpartei kam nach Auszählung fast aller Wahlkreise nur auf 1,9 Prozent. Zwar wuchs sie damit aus dem Nichts zur größten "sonstigen Partei" heran und darf sich über staatliche Wahlkampfkosten-Erstattung freuen. Ihr selbstgestecktes Ziel haben die Außenseiter jedoch verpasst: Weder in der ARD noch im ZDF erschienen sie als orangefarbener Balken auf dem Fernsehschirm, da sie die Fünf-Prozent-Hürde klar verpassten.

"Kein Wunder geschehen"

"Es ist kein Wunder geschehen", sagte der stellvertretende Vorsitzende Andreas Popp der Süddeutschen Zeitung. Enttäuscht aber waren die Neulinge nicht. "Wir haben unser Mindestziel von einem Prozent erreicht, das ist ja auch schon mal was", meinte der 25-Jährige.

Schließlich stehe die Bewegung "noch ziemlich am Anfang". In vier Jahren könne man einen deutlich besser organisierten Wahlkampf führen, dann werde man sicher auch Windrädchen und Luftballons verteilen, wie die etablierten Parteien. In den vergangenen Monaten sei man von neuen Mitgliedern regelrecht überrollt worden: Statt Wahlkampf zu führen, hätten daher viele Aktivisten vor allem Mitgliedsanträge abarbeiten müssen. Tatsächlich hat sich die Zahl der Piraten seit der Europawahl vom Mai in etwa verneunfacht - auf nun fast 10000. Alles wuchs erstaunlich schnell. "Wir brauchen eine Verschnaufpause", sagte Popp.

Von den männlichen Erstwählern stimmten laut einer frühen ARD-Prognose 13 Prozent für die Piraten. Besonders die gebildeten Jungwähler mit Bindung zum Internet spricht die Partei an, denn sie konzentriert sich auf handverlesene Themen: den Schutz der Bürger vor einem "Überwachungsstaat", den Kampf gegen "Zensur" im Netz oder gegen die Kriminalisierung von Raubkopierern.

Nicht alle Piraten sind traurig, dass es zum Parlamentseinzug nicht gereicht hat. Zu schmal ist das Programm, zu unerfahren sind die jungen Politiker. Auch Andreas Popp unterlief wenige Tage vor der Wahl ein Lapsus: Er hatte der rechtslastigen Jungen Freiheit ein Interview gegeben. Als ihm die suggestiven Fragen komisch vorkamen, informierte er sich dort, wo viele Piraten die Zukunft sehen: im Internet-Lexikon Wikipedia. Dummerweise stand dort längst nicht die ganze Wahrheit. Als die Kritik hochschwappte, entschuldigte sich Popp. Dass diese Episode viele Stimmen kritischer Wähler gekostet hat, glaubt er aber nicht.

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