Philippinen:Unbarmherzige Härte

Death Toll Climbs Over Duterte's Drug War

Mutmaßliche Dealer verbringen in Manila die Nacht in Polizeigewahrsam. Innerhalb von sieben Wochen wurden 12000 Verdächtige festgenommen.

(Foto: Dondi Tawatao/Getty Images)

Der Anti-Drogen-Krieg des philippinischen Präsidenten Rodrigo Duterte trifft bislang vor allen Dingen diejenigen, die sich am wenigsten wehren können: die Menschen in den Slums.

Von Arne Perras, Manila

Der philippinische Präsident Rodrigo Duterte stemmt sich gegen wachsen-de internationale Kritik an seinem Anti-Drogen-Krieg. Auch die Vereinten Nationen könnten ihn nicht daran hindern, den gnadenlosen Kampf gegen die doppelte Geißel illegaler Drogen und der Korruption weiterzuführen, versicherte er. Duterte, der für seine brachiale Rhetorik berüchtigt ist, bezeichnete alle als "Idioten", die nicht verstehen wollten, wie ernst das Drogenproblem in den Philippinen sei. "Der Kampf gegen das Rauschgift wird bis zum letzten Tag meiner Amtszeit andauern", beharrte der Präsident.

Der 71-Jährige kam im Juli an die Macht, weil die Mehrheit der Philippiner die superreichen Eliten satt hatten, die das Land zuvor regiert hatten. Die Massen leiden zunehmend unter Kriminalität und Korruption und setzen darauf, dass der politische Außenseiter Duterte diese Übel mit harter Hand in den Griff bekommt. Besonders sein Versprechen, die Philippinen vom Rauschgift zu befreien, hat ihm Zulauf gesichert.

Seit seinem Amtsantritt vor sieben Wochen ist die Zahl der Toten in Anti-Drogen-Einsätzen rapide angestiegen. Bei einer Anhörung des Senats erklärte der nationale Polizeichef Ronaldo Dela Rosa, 712 Verdächtige aus der Drogenszene seien durch legitime Einsätzen seiner Beamten seit dem 1. Juli getötet worden. Dabei soll es sich um Dealer handeln, doch auch Süchtige, die nicht handeln, können sich nicht mehr sicher fühlen. Duterte will außerdem die Todesstrafe wieder einführen. Der Gedanke der Vergeltung, den er in seinen Reden betont, stößt auf breiten Zuspruch. Bislang scheint der international kritisierte Anti-Drogen-Krieg seiner Popularität kaum zu schaden. Im Gegenteil: Wie eine Umfrage vor einigen Wochen ergab, stehen 91 Prozent hinter ihrem Präsidenten.

Duterte sagt, er wolle aus den UN austreten und ein Bündnis mit Peking eingehen

Die Polizei schleust nun häufig verdeckte Kräfte in die Drogenszene ein, um Deals anzubahnen, und wenn es so weit ist, schlagen die Beamten zu. Kritiker beklagen, dass dabei selten ein ernsthafter Versuch unternommen werde, mutmaßliche Drogenkriminelle festzunehmen. Die Polizei erklärt in vielen dieser Fälle, dass die Verdächtigen zuerst eine Waffe gezogen hätten und dann beim folgenden Schuss-wechsel getötet wurden.

Weitaus höher noch liegt die registrierte Zahl von Getöteten, die "jenseits von Poli-zeieinsätzen" gestorben sind, wie Dela Rosa erklärte. Für diese Attacken werden Auftragskiller verantwortlich gemacht, de-ren Hintermänner im Dunklen bleiben. 1067 Menschen fielen ihnen zum Opfer, die Chance der Angehörigen, dass solche Morde aufgeklärt und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden, ist minimal. Manche vermuten, dass hinter manchen Gruppen die Polizei steckt, andere glauben, dass Drogenbosse Zeugen verschwinden lassen, um ihre Haut zu retten, oder alte Rechnungen zu begleichen.

Als Duterte noch die Stadt Davao regierte, deutete er eigene Verbindungen zu Killerkommandos an, die Tausende mutmaßliche Gangster getötet haben sollen. Angehörige der Erschossenen beklagten oft, dass es Unschuldige traf oder Kleinkriminelle. Die Gerichte wurden in all diesen Fällen umgangen. Polizeichef dela Rosa wies den Verdacht vehement zurück, dass die Polizei Killerkommandos gutheiße.

Senatorin Leila de Lima, die zu den prominenten Gegnern Dutertes zählt, beklagt, dass der Ruf nach dem Tod für Drogendealer die Gefahr extragerichtlicher Tötungen erheblich steigere. Eine 23-jährige Zeugin sagte bei einer Anhörung im Senat aus, dass ihre Eltern von Polizisten getötet worden seien, die sie zuvor mit Drogen zum Verkauf versorgt hätten. Vorwürfe, dass Polizisten tief in die illegalen Ge-schäfte verstrickt sind, gibt es schon seit Langem. Duterte verspicht, den ganzen Sumpf auszutrocknen, doch zunächst hat sich der Eindruck verdichtet, dass vor allem mutmaßliche Kriminelle in den Slums gejagt werden und dass die Mittel- und Oberschichten davonkommen. Inzwischen hat der Staat angekündigt, mehrere hochrangige Polizeivertreter wegen mutmaßlicher Verbindungen zur Drogenmafia vor Gericht zu stellen. Duterte verspricht, die "Narco-Generäle" nicht zu schonen.

Am Wochenende drohte der Präsident, Manila werde aus den Vereinten Nationen austreten und stattdessen mit afrikani-schen Ländern und China eine neue Parallelorganisation gründen. Zwei hochrangige UN-Vertreter hatten zuvor das Vorgehen Dutertes kritisiert. Doch der Sprecher des Präsidenten ruderte einen Tag später wieder zurück und versicherte, die Philippinen würden die UN nicht verlassen.

Auch die Vereinigten Staaten äußerten sich kritisch über das Vorgehen Dutertes, ein Sprecher sagte, dass Washington bei Menschenrechtsverstößen nicht wegsehe. Allerdings ist unklar, wie viel Druck die USA tatsächlich ausüben. Duterte hat angekündigt, er wolle die Beziehungen zu Peking verbessern, nachdem der Streit um Meeresgebiete, Inseln und Riffe das Verhältnis in den vergangenen Jahren zerrüttet hat. Bislang galten die Philippinen als engster Verbündeter in einer strategisch bedeutsamen Region, in der die USA ihren Einfluss wahren wollen.

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