Philippinen:Rodrigo, der Bestrafer

Philippinen: "Verbrecher schlachten": Präsidentschaftskandidat Rodrigo Duterte bei einer Rede in der philippinischen Hauptstadt Manila am Samstag.

"Verbrecher schlachten": Präsidentschaftskandidat Rodrigo Duterte bei einer Rede in der philippinischen Hauptstadt Manila am Samstag.

(Foto: Mohd Rasfan/AFP)
  • Auf den Philippinen wird ein neuer Staatschef gewählt, für den Sieg reicht schon die einfache Mehrheit.
  • Favorit ist Rodrigo Duterte, der wie Donald Trump in den USA gegen die politischen Eliten wettert.
  • Selbst schlimme verbale Entgleisungen, wie die Verhöhnung eines Vergewaltigungsopfers, schaden ihm nicht.

Von Arne Perras, Singapur

Von allen Kandidaten ist er der umstrittenste: Rodrigo Duterte, 71 Jahre alt, früherer Bürgermeister der Stadt Davao. Sie nennen ihn "The Punisher", den Bestrafer. Im Rennen um die philippinische Präsidentschaft am 9. Mai gibt Duterte den gnadenlosen Jäger aller Bösewichte. Und das kommt gut an im südostasiatischen Inselstaat, dessen 100 Millionen Einwohner mehrheitlich katholisch sind.

Wut und Ohnmacht breiten sich aus in diesem Land, weil die politischen Eliten in den Augen vieler versagt haben, weil die etablierten Kräfte Korruption und Verbrechen nicht in den Griff bekommen, weil sie ihre Bürger gegen Mord und Totschlag und das Übel des Drogenhandels nicht schützen. Der Frust hat Duterte nach oben geschwemmt, er führt in den Umfragen deutlich vor den übrigen vier Kandidaten. Demnach wollen 30 bis 35 Prozent für ihn stimmen. Wenn keine Überraschungen mehr geschehen, hat er beste Chancen, das Amt des Staatschefs zu erobern. Denn dafür reicht schon eine einfache Mehrheit.

In der früheren US-Kolonie werden nun auch Parallelen zum Wahlkampf in den Vereinigten Staaten gezogen, manche wollen bei Duterte Ähnlichkeiten zu Donald Trump erkennen, weil er wie der umstrittene republikanische Präsidentschaftsbewerber das politische Establishment mit seinen rüden Attacken erschreckt und konsequent einen autoritären Populismus pflegt. Der Politologe Richard Heydarian von der De La Salle University in Manila erklärt den hohen Zuspruch für Duterte mit einer wachsenden Enttäuschung im Volk. Viele Philippiner trauten ihren demokratischen Führern aus den traditionellen politischen Eliten nicht mehr zu, Probleme zu lösen. Sie sehnten sich nach einem starken Mann, der ihnen das Gefühl vermittle, er könne mit allen Übeln gleichzeitig fertig werden. Dutertes Image deckt sich mit dieser Sehnsucht, als reichte ein ungebrochener Wille schon aus, um das Land voranzubringen. Sein Aufstieg bedroht nun die Dominanz des elitären politischen Establishments, das im Wesentlichen aus einigen superreichen Familien besteht und Misstrauen schürt.

Als er ein Vergewaltigungsopfer schmähte, ging ein Aufschrei durchs Land, doch er blieb Favorit

Die Suche nach einem autokratischen Heilsbringer erklärt womöglich auch, dass sich nun sogar der Sohn des ehemaligen Diktators Ferdinand Marcos Chancen auf den Posten des Vize-Präsidenten ausrechnet, ein überwiegend zeremonielles Amt, das im philippinischen System ebenfalls durch die Stimme der Wähler besetzt wird.

Dass Duterte verbal manchmal aufs Schlimmste entgleist, scheint seine Anhängerschaft nicht zu stören. Manche mögen so derbe Sprüche zwar abstoßen, doch offenbar mobilisieren sie andere Kreise umso mehr. Noch stärker als in anderen Ländern versuchen Politiker auf den Philippinen, sich als Marke hervorzutun. Alles, was der Schärfung eines solchen Profils dient, gilt als nützlich, egal wie geschmacklos die Methoden erscheinen. So übt sich Duterte in der Rolle des "dirty mouth". Er beleidigt, verhöhnt und macht fast pausenlos schmutzige Witze. Das empfinden viele nicht nur als unterhaltsam. Es wirkt authentisch und volksnah in einer Kultur, in der das Machotum so tief verwurzelt ist wie auf den Philippinen.

Den Tiefpunkt in einer langen Kette von verbalen Verfehlungen erreichte Duterte mit seiner Bemerkung über eine australische Missionarin, die 1989 während eines Gefängnisaufstands ums Leben kam. Sie wurde Opfer eine Gruppenvergewaltigung und Duterte sagte, sie sei so wunderschön gewesen, dass er als Bürgermeister eigentlich als erster dran gewesen wäre. Ein heftiger Aufschrei ging durchs Land, Duterte gab sich reuig. Und blieb Favorit.

Sein Vorsprung alarmiert den scheidenden Präsidenten Benigno Aquino, der sich für einen anderen Kandidaten stark gemacht hat: Mar Roxas, 58, Enkel eines früheren Präsidenten und Investment-Banker, hat von allen Kandidaten die größte politische Erfahrung. Er führte verschiedene Ministerien und versucht nun, als geschliffener Anti-Duterte mit besten Manieren zu punkten. Doch das verfängt bei den Wählern nicht besonders. In den Umfragen liegt Roxas jedenfalls weit zurück.

Weit mehr Zuspruch hat da schon Grace Poe, Tochter eines Filmstars. Allerdings ist auch sie, die anfangs Favoritin war, inzwischen deutlich hinter Duterte zurückgefallen. Weshalb Aquino, der nicht mehr antreten darf, die übrigen Kandidaten drängte, in letzter Minute eine Allianz zu schmieden. So will er den ehemaligen Bürgermeister von Davao als Nachfolger noch verhindern. Dafür malte Aquino sogar das Gespenst eines neuen Diktators an die Wand, sollte der Mann mit der eisernen Faust siegen. Doch keiner von Dutertes Rivalen wollte so kurz vor der Wahl noch aus dem Rennen springen.

Duterte regierte die Stadt Davao im Süden 22 Jahre lang. Viele bewundern ihn dafür, dass er gnadenlos unter den Gangs und Drogenbaronen aufgeräumt hat. Andere sind entsetzt über seine Methoden. Er hat zugegeben, Todesschwadronen unterstützt zu haben, um das einst als "Mörderhauptstadt der Philippinen" gefürchtete Davao wieder sicherer für die Bürger zu machen. Dass sich manches in Davao durch Duterte zum Positiven gewandelt hat, erkennen viele an. Allerdings bemängeln Kritiker, dass die Politik des "Bestrafers" immer häufiger verklärt würde.

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