Philippinen:Ein Großmaul wird Präsident

A customer adds sugar to a cup of cappucino coffee with images of incoming President-elect Rodrigo Duterte and Vice-President-elect Leni Robredo at a Costa Coffee shop, a day before Duterte and Robredo assume office, in Taguig city, Metro Manila

Das Konterfei des neuen Präsidenten Rodrigo Duterte und das seiner Stellvertreterin Leni Robredo im Schaum eines Cappuccinos.

(Foto: Erik de Castro/REUTERS)

Rodrigo Duterte tritt sein Amt an - die Erwartungen an ihn sind groß. Noch größer allerdings sind die Befürchtungen, dass er sich als unberechenbarer Autokrat erweisen könnte, der sich über die Gesetze erhebt.

Von Arne Perras

SingapurRächer sind gut. Menschenrechtler sind blöd. Im Kern sind es solche Botschaften, mit denen Rodrigo Duterte von sich reden macht. Nun dauert es nicht mehr lange, bis den wilden Ankündigungen auch Taten folgen sollen. An diesem Donnerstag wird der 72-Jährige als nächster Präsident der Philippinen vereidigt. Dieser Moment gilt als großer Einschnitt für das Land. Denn Duterte gehört nicht zur privilegierten Oberschicht, die das Land seit dem Sturz des Diktators Ferdinand Marcos regierten. Die Anhänger des neuen Präsidenten wünschen sich soziale Umwälzungen und eine harte Hand gegen das Verbrechen, seine Gegner haben Angst vor einem unberechenbaren Autokraten, der sich über die Gesetze erhebt. Doch noch kann keiner absehen, wohin der gelernte Anwalt die Philippinen steuern wird.

Unter dem scheidenden Amtsinhaber Benigno Aquino haben die Philippinen mit ihren 100 Millionen Bewohnern Wachstumsraten von mehr als sechs Prozent erzielt. Doch konnten solche Zahlen die Massen nicht überzeugen. Im Volk war etwas anderes gewachsen - der Groll gegen das superreiche Establishment, das von wenigen Familien beherrscht wird und bislang die Macht in Manila monopolisierte.

Wenn die Bösewichte nicht spuren, dann werde er sie in die Bucht von Manila schmeißen

Aus Protest wählten sie also einen Außenseiter, einen Mann, von dem sie glauben, dass er die Belange des Volkes nicht in schöne Worte hüllt, sondern zupackt. Alle Sehnsüchte konzentrieren sich also auf Duterte, dessen loses Mundwerk legendär ist und der mit jedem noch so dreckigen Witz im Volk zu punkten scheint.

Er pflegt das Image des Rabauken. Seine Botschaft lautet: Ganoven und Drogenhändler, fürchtet euch! Wenn die Bösewichte nicht spuren, dann werde er sie in die Bucht von Manila schmeißen, damit sich die Fische an ihnen fettfressen können. So redet er und erntet rasenden Applaus. Wer Bedenken anmeldet, bekommt den Stempel des "blöden Menschenrechtlers" aufgedrückt. Erst Anfang der Woche hat sich Duterte über sie aufgeregt. Sie stehen ihm im Weg, will er als Präsident doch den "Punisher" geben, den Bestrafer.

Wie aber soll das gehen im Amt des Staatschefs, der an Gesetze und eine Verfassung gebunden ist? Oder schwingt sich hier schon einer zum Diktator auf? Diese Ängste gibt es zwar, doch dominiert vielerorts die Begeisterung für Duterte, der so viel versprochen hat. Dass sie ihm Großes zutrauen, liegt auch daran, dass er 22 Jahre lang erfolgreich die Stadt Davao im Süden regierte. Dort hat er als Bürgermeister fast alles umgekrempelt. Zum Guten, loben seine Anhänger. Die ehemalige "Mörderhauptstadt" zähle nun zu den sichersten Städten der Philippinen. Nachts könne man ohne Furcht herumlaufen, der Drogenhandel sei um 75 Prozent geschrumpft, erklären die Behörden. Allerdings hat Duterte dies offenbar durch fragwürdige Allianzen mit Milizen durchgesetzt, die als Todesschwadronen bekannt sind.

Er hat selbst Kriminelle erschossen und ist der Meinung, dass Drogenbosse und Mörder den Tod als Strafe verdienen. Über den Umgang mit Dealern sagte er einmal: "Ruft gerne die Polizei oder erledigt es selber, wenn ihr eine Waffe habt. Erschießt ihn und ihr bekommt eine Medaille von mir." So steigt die Furcht vor staatlich sanktionierter Selbstjustiz. Und wie will er das Problem des Terrors lösen? Im Süden wütet die Mördertruppe Abu Sayyaf, die Zivilisten kidnappt, Lösegeld erpresst und Geiseln köpft. Will er die auch niederschießen oder doch lieber verhandeln? Dutertes Vorgänger haben die Terror-Banditen nie in den Griff bekommen. Der neue Staatschef hat signalisiert, dass er für Gespräche offen ist, was nicht nur für die extremistische Abu Sayyaf gelten soll, sondern auch andere bewaffnete Gruppen, die weitaus größer sind, aber teils weniger radikal. So haben manche den Eindruck, dass seine Strategie gegen Terroristen und Rebellen flexibler ist als die gegen Alltagskriminelle und Drogenbosse, die er sofort erschießen will.

Der Politologe Temario Rivera warnt vor einem Auseinanderbrechen der Nation

Auf Mindanao, das Duterte bestens kennt, kämpfen mehrere islamische Gruppen für die Unabhängigkeit, außerdem schwelt eine kommunistische Rebellion. Duterte sagt, dass er mit linken Kräften bereits rede. Er will den Philippinen drastischen Wandel verordnen, das Land brauche Föderalismus, sagt er. Den Zentralismus des "imperialen Manila" will er "zerstören". Dafür aber müsste es ihm erst gelingen, die Verfassung zu ändern. Analysten sind sich uneins, wohin ein solcher Wandel in einem System führt, das unter Korruption und schlechter Verwaltung leidet. Der Politologe Temario Rivera warnt vor "unvorhersehbaren Konsequenzen", im schlimmsten Fall vor einem Auseinanderbrechen der Nation, wenn das Experiment misslingt.

Die größten Turbulenzen drohen Duterte jedoch zuerst an anderer Front: Denn die Philippinen liegen im Streit mit ihrem nördlichen Nachbarn, sie haben ein Schiedsgericht in Den Haag angerufen, um zu klären, ob Pekings Ansprüche im Südchinesischen Meer mit dem internationalen Seerecht vereinbar sind. Die Chinesen haben erklärt, dass sie ein Votum nicht akzeptieren, so dass auf den neuen Kapitän Duterte womöglich stürmische Zeiten zukommen. Viele rätseln, welchen Kurs er steuern will. Mal klang er versöhnlich, dann kämpferisch. Mit Blick auf Peking schlingert der Philippiner noch hin und her.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: