Philippinen:Rodrigo Dutertes verblüffende Popularität

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Ein Jahr ist Rodrigo Duterte nun im Amt - seinem Feldzug gegen Kleindealer stehen bereits 7000 Tote zu Buche. (Foto: REUTERS)

Die Armee kämpft gegen Terroristen, der Anti-Drogenkrieg fordert Tausende Tote, er selbst taucht häufig ab - doch Duterte bleibt populär.

Von Arne Perras, Singapur

So kennen sie ihren Präsidenten gar nicht: Duterte, abgetaucht. Während die philippinische Armee die Stadt Marawi bombardierte, um dort islamistische Terroristen zu besiegen, fragte ein Kolumnist in Manila: "Aber wo ist der Präsident?"

Zu diesem Zeitpunkt war Rodrigo Duterte, 72, schon fast eine Woche lang nicht mehr zu sehen gewesen. Und der Autor ließ seiner Sorge freien Lauf: "Es wird Zeit, dass er mit uns offen über seine mysteriösen Absenzen spricht."

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Zunächst aber redete nur einer, Dutertes Sprecher Ernesto Abella, und er versuchte, die Nervosität zu dämpfen: "Er ist am Leben und es geht ihm gut, sehr gut sogar, er ist nur beschäftigt mit dem, was er erledigen muss."

Er unterschreibe Dokumente, er lese, er hole sich Rat - er tue das, was ein Mann, der regiere, eben mache. "Das Wichtigste ist: Er hat alles im Griff." Damit mussten sich alle erst einmal zufriedengeben.

Bilanz nach einem Jahr Amtszeit: Zustimmung zuhause, Entsetzen im Ausland

Duterte tauchte dann erst Dienstagabend wieder auf, als er muslimische Führer traf und über Marawi redete. Er schlug keine martialischen Töne an, sondern entschuldigte sich bei den Bürgern für die Bomben. Außerdem versprach er, dass er Marawi bald wieder aufblühen lassen wolle. Dafür aber muss die Armee zunächst die Terroristen besiegen, was sich doch länger hinzieht, als viele dachten.

Ende der Woche ist Duterte, das Enfant terrible der südostasiatischen Politik, ein Jahr lang im Amt. Und die Terrorgefahr hat ihn, erstmals während seiner Präsidentschaft, in die Defensive gebracht.

Stets schien es so, als würde Duterte seine Pläne einfach durchziehen, komme was wolle. Nicht einmal der weltweite Aufschrei über den Anti-Drogenkrieg, bei dem schon mehr als 7000 Menschen gestorben sind, konnte ihn bremsen. Und erst recht nicht, dass der Gerichtshof in Den Haag Ermittlungen einleiten könnte.

Doch in der Krise in Marawi wirkt die Armee keineswegs so überlegen, wie sie es der Nation vermitteln möchte. Einige Hundert Extremisten proben den Aufstand. Doch der Oberbefehlshaber, Staatschef Duterte, kann auch nach mehr als fünf Wochen keinen Sieg vermelden.

Das passt nicht zum Image des "Vollstreckers", das ihm einst die Gunst seiner Wähler sicherte. Eingebrochen ist seine Popularität aber noch nicht, Duterte kann sich noch immer auf eine breite Unterstützung verlassen. Seine Zustimmungswerte sind nur geringfügig gesunken, im Dezember lagen sie bei 83 Prozent, im März immerhin noch bei 76 Prozent. Eine Entfremdung zwischen dem Präsidenten und seinen Wählern sieht anders aus.

Dass sein Anti-Drogen-Krieg im Ausland größtes Entsetzen ausgelöst hat, schadet ihm innenpolitisch kaum. Das "Duterte-Phänomen geht weiter", schreibt der Kolumnist Babe Romualdez.

Er beobachtet, dass viele Bürger den Staatschef weiter für "bodenständig und ehrlich" halten. Kürzlich sah man Duterte in einer Militärmaschine zwischen verwundeten Soldaten aus Marawi sitzen, er selbst begleitete sie nach Manila, das kam gut an im Volk.

Dutertes Flüche, seine schmutzigen Witze und Beschimpfungen unter der Gürtellinie haben sein Ansehen vor allem im Ausland beschädigt. Für viele Philippiner waren sie eher Bestätigung, dass nun endlich einer regiert, der nicht zum abgehobenen Establishment zählt.

Und dieses Image als politischer Außenseiter pflegt Duterte, es erwies sich schon im Wahlkampf als nützlich. Über seine Konkurrenten sagte er damals: "Die lachen mich aus, weil ich anders bin. Ich lache sie aus, weil sie alle gleich sind."

Auch im Netz gibt es nur wenig Gegenwind: Duterte schützt eine ganze Armee von Trollen

In den Debatten über Duterte wurde die Frage aufgeworfen, weshalb die brutale Menschenjagd, die der Präsident gegen Drogendealer und Süchtige angezettelt hat, eigentlich keinen breiteren Widerstand provoziert. Duterte verspürt in den sozialen Medien wenig Gegenwind, was auch damit zu tun haben könnte, dass ihn eine ganze Armee von Trollen schützt.

Wie der Politologe Richard Heydarian von der De La Salle University kürzlich anmerkte, sind diese Gruppen sehr erfolgreich darin, Opposition im Netz abzuwehren. Außerdem sind die Proteste der einflussreichen Kirche lange nicht so laut, wie sich das Menschenrechtsaktivisten wünschen würden.

Am schwersten aber wiegt, dass der Anti-Drogenkrieg vor allem in den Elendsvierteln wütet. Es sind die Armen, die bei fragwürdigen Polizeirazzien erschossen werden oder durch die Hand vermummter Killerkommandos sterben. Und diese traumatisierten Familien haben kaum eine Stimme, ihr Leid berührt die Mittelklasse wenig. Dort herrscht noch der Glaube vor, dass Dutertes "eiserne Faust" genau der richtige Weg sei, um Drogen und Verbrechen zu bekämpfen.

Und selbst in den Slums gibt es noch viele, die Dutertes Strategie begrüßen. Manchmal wirkt das sehr widersprüchlich, wie etwa die Begegnung mit einer trauernden Großmutter im Hafen von Manila zeigte. Sie weinte um ihren Enkel, den gerade ein Killerkommando erschossen hatte. Sie war aber doch überzeugt, dass nur Dutertes harte Hand es schaffen könne, das Verbrechen zu besiegen.

Der Kreis der Kritiker, die den Anti-Drogenkrieg anprangern, ist noch immer recht klein. Und so lange die Armee gegen Terroristen kämpft, die Christen köpfen, blickt die Nation ohnehin auf einen anderen Tatort. Die Jagd nach Drogensüchtigen ist vorerst in den Hintergrund gerückt.

© SZ vom 29.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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