Pflegeversicherung:Keine Kinder? Mehr zahlen!

Das Verfassungsgericht hatte entschieden: Eltern müssen entlastet werden. Deshalb will die Regierung, dass Kinderlose von 2005 an mehr in die Pflegeversicherung einzahlen. Doch der Zuschlag stößt auf Widerstand.

Von Andreas Hoffmann und Reymer Klüver

Der Streit um die Reform der Pflegeversicherung schwelt weiter. Politiker von SPD und Grünen verständigten sich zwar grundsätzlich darauf, dass Kinderlose mehr in die Pflegekasse zahlen sollen. Die Details blieben aber unklar und sollen erst nach der Sommerpause geregelt werden.

Die Bundesregierung will das Thema auch bei ihrer Kabinettsklausur Ende der Woche diskutieren. Insbesondere die Grünen dringen darauf, die Pflegeleistungen auszuweiten. Opposition und Sozialverbände kritisierten die Koalitionspläne. Das Defizit der Versicherung soll dieses Jahr fast eine Milliarde Euro betragen.

Grüne fordern Gesamtkonzept

Der Vorsitzende der Grünen, Reinhard Bütikofer, bezeichnete Meldungen über eine Einigung bei der Pflegereform in der Koalition als "voreilig". Er rechnet mit einem Ende der Gespräche nicht mehr vor den ersten Fraktionssitzungen von SPD und Grünen nach der Sommerpause. Die Grünen pochen auf ein Gesamtkonzept, das nicht nur dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts und der Kassenlage der Pflegeversicherung Rechnung trägt.

Kein Geld für mehr Pflege?

Sie wollen auch, dass die ambulante Hilfe besser geregelt wird und dass Altersverwirrte besser gepflegt werden. Vor allem um diesen letzten Punkt ringen SPD und Grüne seit Monaten. "Das alles muss vernünftig geklärt werden, wir befinden uns aber auf dem Weg zur Einigung", sagte Bütikofer.

Er unterstrich die Bedeutung des Themas für die Koalition. Neben der Agenda 2010 sei die Neuregelung der Pflegeversicherung das "zweite wichtige soziale Reformthema im sozialen Bereich", sagte Bütikofer.

"Kein Anhaltspunkt für Defizit"

Ende vergangener Woche hatten die Fachpolitiker von SPD und Grünen sich grundsätzlich auf den Fahrplan bei der Pflegereform verständigt. Danach sollen Erwachsene, die älter als 23 Jahre sind und keine Kinder haben, von 2005 an mehr in die Pflegeversicherung einzahlen.

Keine Kinder? Mehr zahlen!

Das Milliarden-Loch

Geplant ist, den Beitragssatz um 0,25 Prozentpunkte anzuheben. Damit würde der Beitrag von 1,7 auf 1,95 Prozent des Einkommens steigen, wobei der Anteil der Arbeitgeber von 0,85 Prozentpunkten stabil bleibt. Ein kinderloser Arbeitnehmer mit einem Monatseinkommen von 2000 Euro müsste so fünf Euro mehr zahlen.

Insgesamt soll die Pflegeversicherung dadurch jährliche Mehreinnahmen von 800 Millionen Euro erhalten. Damit soll vor allem die Finanzlage des jüngsten Zweigs der Sozialversicherung gestärkt werden. Nach neuen Schätzungen könnte das Defizit in diesem Jahr bei 920 Millionen Euro liegen, wie die grüne Sozialexpertin Petra Selg der Süddeutschen Zeitung bestätigte. Bisher ging die Koalition von 750 Millionen Euro aus.

Das Sozialministerium wollte die Zahlen nicht bestätigen. "Bei uns gibt es keinen Anhaltspunkt für ein solches Defizit", sagte ein Sprecher. Einigkeit besteht zwischen SPD und Grünen offenbar auch darin, dass man zunächst nur das Urteil des Bundesverfassungsgerichts umsetzen will. Es sieht vor, dass von 2005 an Eltern in der Pflegeversicherung entlastet werden müssen.

"Bestrafung von Kinderlosen"

Erst in einem zweiten Schritt will die Koalition die Pflegeleistungen ausweiten, kündigte Selg an. "Für mehr ist im kommenden Jahr kein Geld vorhanden", sagte sie.

Keine Kinder? Mehr zahlen!

Ein Entschließungsantrag soll deshalb die weiteren Reformschritte festlegen. Einige Grüne wollen aber beide Teile der Reform stärker vereinen.

Der Grund: Würden die Leistungen für Demenzkranke verbessert, ließen sich die höheren Beiträge für Kinderlose leichter rechtfertigen, hieß es in Kreisen der Grünen. Darüber wollen Grüne und SPD auch auf der Kabinettsklausur von Neuhardenberg Ende der Woche reden.

Erhöhung reicht nicht aus

Die Pflegepläne stießen auf Kritik. Die stellvertretende Unionsfraktionschefin und Vorsitzende der Frauen-Union, Maria Böhmer, sprach von einer "Bestrafung von Kinderlosen" und einem "Irrweg". Auch andere CDU-Politiker pochten darauf, die Familien mit Kindern tatsächlich zu entlasten und verwiesen auf entsprechende Unionskonzepte. Der Sozialverband VdK sprach von einer "Strafgebühr für Kinderlose".

Die Arbeitgeber lehnten die Pläne ab, weil sie im Widerspruch zu der Forderung stünden, die Sozialbeiträge zu senken. Nach Angaben des Caritasverbandes reicht die Erhöhung des Beitrages nicht aus, um die Pflege der Demenzkranken zu verbessern. Die Organisation forderte auch für den Pflegesektor eine Bürgerversicherung - ähnlich wie es SPD und Grüne im Gesundheitswesen planen.

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