Pfarrkirchen:"Nur Mitleid und Sozialromantik bringen uns nicht weiter"

Pfarrkirchen: Franz Wasmeier, 50 Jahre alt, Leiter der Asylbewerberunterkunft Gartlberg in Pfarrkirchen, vor der Herberge.

Franz Wasmeier, 50 Jahre alt, Leiter der Asylbewerberunterkunft Gartlberg in Pfarrkirchen, vor der Herberge.

(Foto: Stephan Gauer/mediendenk)

Wie hält man junge Männer bei Laune, deren täglicher Höhepunkt die Ankunft des Postboten ist? Franz Wasmeier leitet drei Flüchtlingsheime in Niederbayern - und verzweifelt an der Bürokratie genauso wie "seine" Flüchtlinge.

Von Ulrike Heidenreich

Vor dem Flüchtlingsheim, das Franz Wasmeier leitet, stapeln sich am Morgen manchmal Plastiktüten mit Spenden. Darin: Uralt-Klamotten, die eigentlich auf den Sperrmüll gehören - die aber irgendjemand unter dem Deckmantel der Wohltätigkeit bequem einfach so loswerden will. Und manche Leute wollen nicht nur alte Klamotten loswerden: Neulich kamen die Schlepper mit einem großen Auto und haben Flüchtlinge direkt vor seiner Tür abgesetzt. Heimlich, in der Nacht.

42 Menschen aus aller Welt leben im niederbayerischen Rottal in einem leer stehenden Klostertrakt neben der Wallfahrtskirche Gartlberg. Sie kommen aus Eritrea, Somalia, Kongo, Nigeria, Sierra-Leone und Serbien. Franz Wasmeier ist mitten drin - seit gut einem Jahr leitet er insgesamt drei Heime im Landkreis Rottal-Inn. Er ist gelernter Schreiner und ein sehr praktisch veranlagter Mensch. "Herz und Verstand" gehörten zusammen, sagt er: "Nur Mitleid wegen der Schicksale der Flüchtlinge und Sozialromantik bringen uns hier nicht weiter."

Morgens geht der 50-Jährige erst mal durch die Gänge und dreht das Licht aus, wenn es wieder die ganze Nacht gebrannt hat. Er schlichtet Streit mit den Bewohnern, wenn jemand im Schlaf wieder so schlecht träumt und so laut schreit, dass die anderen wach werden. Und er versucht, jene jungen Männer bei Laune zu halten, deren Höhepunkt des Tages die Ankunft des Postboten ist - und deren Enttäuschung umso größer ist, wenn wieder kein Brief mit einer Bescheinigung über ihr Aufenthaltsrecht dabei ist. Für den Heimleiter ist das ist ein schwieriges Unterfangen, nicht selten eskaliert es in Aggression und Gewalt. Er wurde schon beschimpft, bespuckt, angegriffen.

Wasmeier hat früher bei den Patres auf dem Kalvarienberg als Hausmeister gearbeitet, war aktiv in der katholischen Landjugendbewegung und konzipierte unter anderem Ausstellungen gegen Rechtsextremismus. An den bürokratischen Regeln und den langen Wartezeiten auf Papiere verzweifeln nicht nur "seine" Flüchtlinge, wie er sagt, sondern auch er. Einige Gesetzesänderungen durch das beschlossene Asylpaket sieht er mit Sorge. Etwa den Plan, wieder mehr Sach- als Geldleistungen auszugeben.

"Die Burschen stehen furchtbar unter Druck. Scheitern geht nicht"

Auch den Vorschlag, Asylbewerber nach Nationen und Konfessionen in den Heimen zu trennen, hält er für realitätsfremd: "Wenn ich nun in einem Heim nur orthodoxe Christen unterbringe, lieben die sich auch nicht unbedingt. Die Menschen kannten sich vorher doch auch nicht persönlich. Die hat das Schicksal hier zusammengeführt. Nehmen Sie dieses Beispiel: Bei mir kommen vier Syrer an. Ich habe ein Vierbettzimmer für sie. Das sind vier Männer, die sich vielleicht gerade im Notaufnahmelager kennengelernt haben. Aber das sind Fremde. Das ist genauso, wie wenn ich jetzt mit drei deutschen Männern auf engem Raum zusammenleben müsste." Zwischen einzelnen Gruppen gebe es durchaus rassistische Vorurteile, dazu käme der Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten: "Ich sehe mir immer die Zuweisungsblätter an und versuche, dass diese Gruppen nicht in einem Zimmer leben. Das steuern wir ein bisschen."

Das pralle Leben aus aller Welt entfaltet sich auf dem kleinen Schreibtisch des Landkreis-Angestellten. Beim Gespräch mit der SZ über einen Tag in seinem Heim berichtet Franz Wasmeier, dass er hier spüre, was in der Entwicklungshilfe in den vergangenen 40 Jahren schief gelaufen ist. Er beschreibt die Erwartungshaltung von Flüchtlingen, die sich von Bundeskanzlerin Merkel eingeladen fühlen, es geht um die Eigenheiten arabischer Gastfreundschaft und um die Probleme mit Kriminellen.

Während des Gesprächs steckt ein junger Mann den Kopf zur Tür herein und gibt eine Säge zurück, die er sich ausgeliehen hat. Heimleiter Wasmeier sagt: "Das war ein Eritreer, er hat sich Hölzer zusammengesucht und ein Instrument gebaut. Er hat Mathematik studiert, war Lehrer. Er könnte locker bei uns eine neunte Klasse Mittelschule unterrichten, er hat innerhalb eines Jahres Deutsch gelernt. In Eritrea legt der Familienclan zusammen, die jungen Männer werden alleine auf die Flucht geschickt. Die Burschen stehen furchtbar unter Druck. Scheitern geht nicht."

Lesen Sie das ganze Interview mit Franz Wasmeier mit SZ Plus:

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