Pervez Musharraf:Pakistans Präsident in schwieriger Lage

Andreas Bänziger

(SZ vom 17.9.2001) - Ohne sein Zutun ist Pakistans Präsident Pervez Musharraf über Nacht zur Schlüsselfigur bei dem geplanten Gegenschlag der USA gegen die Attentäter von New York und Washington geworden.

Denn wenn der personifizierte Feind Amerikas Osama bin Laden ist, der im Schutze der Taliban in Afghanistan agierende islamische Fundamentalist, dann ist diesem Erzterroristen wohl erfolgversprechend nur mit Hilfe eines einzigen Mannes beizukommen - und das ist Musharraf.

Denn Pakistan hat, wohl dotiert mit amerikanischen Dollar-Milliarden, die islamischen Gotteskrieger gegen die damalige Sowjetunion ausgerüstet und zum Sieg geführt. Pakistan hat, nachdem die Mudschaheddin nach dem Sieg über die Sowjets sich selber zerfleischten, die Taliban erfunden und ihnen aktiv mit Kriegsmaterial und militärischen Beratern geholfen, das Land zu erobern.

Unklarheit über bin Ladens Aufenthaltsort

Pakistans Geheimdienst ISI (Inter Services Intelligence), dem die Amerikaner ihre enormen finanziellen Mittel blindlings anvertraut hatten, müsste eigentlich alles über Afghanistan wissen, also auch wo sich Osama bin Laden aufhält und wo die schwachen Punkte der Taliban liegen.

Aber die Taliban haben sich nach dem Sieg über die zerstrittenen Mudschaheddin ziemlich verselbständigt, und verselbständigt hat sich im Lauf der Afghanistan-Kriege auch der Geheimdienst ISI. Selbst guten Willen vorausgesetzt, ist nicht sicher, ob Musharraf liefern kann, was die Amerikaner von ihm verlangen.

Der Armeechef, der vor gerade knapp zwei Jahren den gewählten Ministerpräsidenten Nawaz Sharif aus seinem Amt vertrieb und sich inzwischen zum Präsidenten erklärte, wird Mühe haben, sein Land auf den neuen Kurs zu trimmen: die von Pakistan aufgepäppelten Taliban im Stich zu lassen und die Partei des bei vielen verhassten Amerika zu ergreifen.

Musharraf konnte Wirtschaftskrise nicht lösen

Über Musharraf sagen Beobachter in Islamabad, dass er immer die richtigen Dinge sagt, aber sie selten durchzusetzen vermag. Vor zwei Jahren hatten die Pakistaner mit Erleichterung und großen Hoffnungen die Machtübernahme durch das Militär begrüßt. Die zivilen Politiker - Benazir Bhutto und Nawaz Sharif, die sich im regelmäßigen Reigen ablösten - hatten abgewirtschaftet.

Aber inzwischen macht sich Ernüchterung breit. Musharraf ist es vor allem nicht gelungen, die Wirtschaftskrise zu lösen. Nach wie vor steht Pakistan am Rande des Bankrotts, immer noch wird fast das gesamte Staatsbudget vom Schuldendienst und den Militärausgaben aufgefressen, weiterhin geht es den Pakistanern immer etwas schlechter statt besser.

Musharraf hat Anstrengungen gemacht, das Verhältnis zu Indien zu verbessern. Spektakulär war im Juli seine Reise zu seinem Widersacher, dem indischen Premierminister Atal Bihari Vajpayee nach Delhi, wo Musharraf vor 58 Jahren geboren wurde. Spektakulär war aber auch der Misserfolg dieses Gipfeltreffens.

Musharraf hat jetzt einen Zeitplan für die Demokratisierung des Landes verkündet. In diesem Prozess wird er aber eine entscheidende Rolle für die Armee und vor allem für sich selber reservieren wollen.

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