Personaltableau der SPD:Dem Pfeifen aus dem letzten Loch folgt Pfeifen im Walde

Der Rücktritt von Franz Müntefering reißt ein riesiges Loch in die ohnehin dünne Personaldecke der SPD. Aus taktischen Gründen wird Kurt Beck wohl nicht ins Kabinett Merkel wechseln. Auch das hat seinen Preis.

Bernd Oswald

Das hat der SPD gerade noch gefehlt: Mit Franz Müntefering bricht die tragende Säule der Sozialdemokraten im Kabinett weg. Und das in einer Zeit, in der die SPD ohnehin händeringend nach geeignetem Spitzenpersonal sucht. In dieses Dilemma hat sich die SPD schon seit längerem hineinmanövriert. Es zeigte sich bereits bei der letzten Bestallung des Parteivorsitzenden.

Als Matthias Platzeck hinwarf, war Kurt Beck der letzte Mann der SPD. Und das in einer Volkspartei, die früher einen Überfluss an Alpha-Tieren hatte: Brandt, Schmidt, Wehner in den Sechzigern und Siebzigern oder Schröder, Scharping, Lafontaine in den Neunzigern. Der personelle Raubbau der rot-grünen Regierungsjahre wirkt noch immer nach.

Folglich wird reflexartig Becks Name genannt, der nun die Müntefering-Nachfolge als Vizekanzler und Arbeitsminister schultern soll. Doch Kurt Beck kann nicht alles machen: Er ist schon SPD-Chef und Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz. Wenn er letzteres Amt für einen Wechsel ins Bundeskabinett drangäbe, würde sich die SPD eines strategischen Vorteils berauben. Von Mainz aus kann sich Beck ungleich besser profilieren, als wenn er in die Kabinettsdisziplin eingebunden ist.

Und Beck ist ja auch Kanzlerkandidaten-Kandidat Nummer eins. Einen richtig knackigen Bundestagswahlkampf 2009 kann er nur führen, wenn er nicht pragmatisch Kabinettslinie fahren muss, sondern Lautsprecher für die vielen sozialen Wohltaten ist, die die SPD wieder für sich entdeckt hat.

Auch landespolitisch wäre ein Abgang Becks ein Vabanquespiel. Einen Kronprinzen gibt es nicht, in sämtlichen Mainzer Schlüsselpositionen wie Fraktionsvorsitz oder Finanz-, Innen- oder Wirtschaftsministerium sind die Amtsinhaber erst ein oder zwei Jahre im Amt.

Es spricht also einiges dafür, dass die Müntefering-Nachfolge anders geregelt wird. Es dürfte im Interesse von Kurt Beck liegen, die Ämter Münteferings auf zwei Schultern zu verteilen. Übernähme ein Politiker beide Posten, würde er zu einem echten Rivalen für Beck werden. In der Tat gibt es in der SPD Stimmen, die einen Vizekanzler Steinmeier favorisieren. Das liegt nahe, denn eigentlich ist der Außenminister traditionell Vizekanzler. Bei Steinmeier war das nicht so, weil er 2005 nicht wirklich in der Partei etabliert war, als ihn sein Mentor Schröder im Auswärtigen Amt installierte. Seit Steinmeier aber zum Vize-Parteichef gekürt wurde, sieht das ganz anders aus.

Spekulationen gibt es auch für das Arbeitsministerium. Zum einen wird in der SPD Olaf Scholz genannt, der frühere Generalsekretär und jetztige parlamentarische Geschäftsführer. Er gehört eher dem rechten Flügel der Partei an. Die SPD-Linke sähe hingegen die neue stellvertretende Parteivorsitzende Andrea Nahles gerne als Münteferings Erbin. Beide bringen bei weitem nicht annähernd so viel politisches Gewicht auf die Waage wie Franz Müntefering.

Das einzig Gute an Münteferings Rückzug ist vielleicht der Zeitpunkt. Wenn er das erst in einem Jahr getan hätte, hätte sich sein Nachfolger so gut wie gar nicht mehr profilieren können. So haben seine politischen Erben noch knapp zwei Jahre Zeit, sich Meriten zu erwerben und ihren Bekanntheitsgrad zu steigern.

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