Pegida und die Hetze:Die Strafbarkeit der Hassformeln

Es war einer von vielen Eklats: Am Montag verglich Lutz Bachmann Justizminister Heiko Maas mit Joseph Goebbels. Wann und wie Pegida-Anhänger wegen Volksverhetzung belangt werden können.

Von Heribert Prantl

Die Volksverhetzung gehört zu den besonders langen, oft geänderten und nicht unbedingt auf Anhieb verständlichen Strafnormen. Würde man diesen Paragrafen 130 Strafgesetzbuch hier abdrucken - der für diesen Artikel vorgesehene Platz würde nicht ausreichen. Das spricht nicht für die Klarheit der Norm. Gute Strafparagrafen sind knapper, kürzer, verständlicher. Aber das, was man wissen muss, steht eigentlich gut verständlich schon in der Überschrift des Paragrafen. Das Wort "Volksverhetzung" ist plastisch, es vermittelt eine gute Vorstellung vom Inhalt.

Also: Wer mit volksverhetzendem Reden oder Tun den öffentlichen Frieden stört, wird mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft. Eine Strafe, die aus generalpräventiven Gründen auch ganz gut wäre, ist nicht vorgesehen: Weil Volksverhetzer erfahrungsgemäß immer und immer wieder hetzen und es genießen, wenn darüber berichtet wird, wäre es eigentlich ganz wirksam, wenn über ihre Hetzereien gar nicht berichtet würde. Aber das ist keine im Strafgesetzbuch vorgesehene Sanktion.

Viele von den Slogans, die bei Pegida-Demonstrationen oder bei hässlichen Aufzügen vor Flüchtlingsheimen etwa in Heidenau gerufen werden, waren und sind eindeutig volksverhetzend. Dazu gehört ohne Zweifel der Ruf "Raus mit dem Dreck", dazu gehört es, wenn Flüchtlinge als "Müll" bezeichnet werden. Warum die Verfolgungsbehörden sich da immer wieder so anstellen, ist nicht verständlich. Vielleicht deshalb, weil das Bundesverfassungsgericht gelegentlich merkwürdige Beschlüsse fällt und, zum Beispiel, die Holocaust-Leugnung hinnimmt, wenn der Neonazi etwas raffinierter leugnet - weil er damit die angeblich fehlende Kriegsschuld Deutschlands belegen will.

Mit dieser Begründung hat das höchste Gericht allen Ernstes im Jahr 2012 einen Neonazi straffrei gestellt. Den richtigen Kommentar dazu hat schon vor 85 Jahren Gustav Radbruch abgegeben, Rechtsphilosoph und Justizminister in der Weimarer Republik: "Manchmal will es scheinen, als gebiete die Methode der juristischen Rechtsauslegung, sich als reiner Tor zu gebärden oder, vulgär gesprochen, sich dumm zu stellen." Damals war es übrigens das Schimpfwort "Judenrepublik", das die Staatsanwälte und Richter milde und nachsichtig betrachteten. Heute sind es oft die Hassformeln gegen Flüchtlinge.

Das Wort "Ausländer raus" ist Volksverhetzung, jedenfalls in Verbindung mit "Sieg Heil". Das ist rechtlich entschieden. Genauso dann, wenn mit "Ausländer raus" gesagt werden soll, dass die Ausländer mit Gewalt vertrieben werden sollen; wenn damit aber gesagt werden soll, dass sie gefälligst freiwillig das Land verlassen sollen, ist das angeblich keine Volksverhetzung. Nun ja, siehe Radbruch.

Weil Volksverhetzung von den Tätern am laufenden Band begangen wird, käme man bei konsequenter Ahnung sehr schnell zu wirksamer Strafe: beim ersten Mal Geldstrafe, beim zweiten und dritten Mal womöglich auch noch, dann Freiheitsstrafe auf Bewährung, später Haft ohne Bewährung.

Einen Politiker von heute mit dem Nazi-Propagandaminister Joseph Goebbels zu vergleichen, wie es Pegida-Chef Lutz Bachmann am Montag in Dresden mit Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) tat, ist keine Volksverhetzung, sondern möglicherweise Beleidigung. Dazu muss aber vom Beleidigten ein Strafantrag gestellt werden. Darauf jedoch verzichtete der Justizminister.

Pegida und die Hetze: Zu starke Worte? Pegida-Gründer Lutz Bachmann muss sich wegen Volksverhetzung verantworten.

Zu starke Worte? Pegida-Gründer Lutz Bachmann muss sich wegen Volksverhetzung verantworten.

(Foto: Jens Meyer/AP)
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