Pegida und Anti-Pegida:Pluralismus ist harte Arbeit

Protest gegen Pegida Demonstration in Köln

Protest gegen Pegida in Köln.

(Foto: dpa)
  • Pegida kann außerhalb von Dresden nicht Fuß fassen.
  • Doch die islamfeindliche Bewegung hat mehr Anhänger, als sich auf der Straße zeigen.
  • Deswegen muss das Engagement der Pegida-Gegner über die Straße hinaus gehen. Ein Anfang ist schon gemacht.

Ein Kommentar von Hannah Beitzer, Berlin

Köln? Lässt Kögida im Dunkeln protestieren. Berlin? Nur einige Dutzend Bärgida-Anhänger treffen auf Tausende Gegendemonstranten. München? Stellt sich lautstark gegen Mügida. Nach dem gestrigen Abend steht fest: Pegida hat außerhalb von Dresden keine Chance. In zahlreichen deutschen Städten gingen Menschen gegen die islamfeindliche Bewegung auf die Straße, in Stuttgart waren es 8000, in Münster sogar fast 10 000 Gegendemonstranten.

Das Signal, das all diese Menschen senden, ist wichtig. Es ist wichtig, dass sich auf den Demonstrationen Vertreter der unterschiedlichsten politischen Richtungen und Religionen für ein pluralistisches, weltoffenes Deutschland aussprechen. Sie machten gestern deutlich, was manch ein Kommentator nicht wahrhaben will: Die angebliche Angst vor einer Islamisierung Deutschlands, wie sie die Pegida-Demonstranten vorschieben, ist schnöde Fremdenfeindlichkeit, getrieben von Unwissenheit und Vorurteilen.

Es ist wichtig, dass die Beleuchtung des Doms in Köln ausgeschaltet wird, gerade weil Pegida behauptet, christliche Werte und Traditionen verteidigen zu wollen. In Wahrheit verraten die Anhänger von Pegida diese Werte, wenn sie zum Beispiel wie es auf Schildern in Berlin steht Muslimen Asyl verweigern wollen.

Eine pluralistische Gesellschaft ist harte Arbeit

Und doch sind diese Aktionen nicht genug. Nicht nur, weil am gestrigen Montag in Dresden so viele Pegida-Anhänger demonstrierten wie nie zuvor: 18 000, bei 4000 Gegendemonstranten. Sondern weil es da draußen weit mehr Pegida-Anhänger gibt als die, die auf die Straße gehen. Wissenschaftler des Rates für Migration gehen davon aus, dass ungefähr ein Drittel der Deutschen mit Positionen von Pegida sympathisiert, sich etwa ein stärkeres Nationalgefühl wünschen oder eine starke Partei, die "die Volksgemeinschaft" verkörpert.

"Eine Einwanderungsgesellschaft ist kompliziert, sie ist nicht selbsterklärend und nimmt nicht alle Bürger automatisch mit", schreiben die Forscher in einer Stellungnahme zu Pegida.

Das heißt: Deutschland tatsächlich zu einer funktionierenden pluralistischen Gesellschaft zu formen, ist harte Arbeit. Arbeit, die nicht mit einer Demonstration allein erledigt ist. Arbeit, die der Bürger nicht der Politik überlassen darf. Arbeit, die gerade im Kleinen, im täglichen Leben stattfinden muss.

Wie das aussehen kann, zeigen viele Menschen bereits seit einigen Monaten. An Orten, an denen die sprichwörtlich gewordenen "besorgten Bürger" sich gegen Flüchtlingsheime wehren, bilden sich flugs Gegeninitiativen. Deutsche Städte von München bis Hamburg sprechen von einer überwältigenden Welle des Engagements.

Bürger engagieren sich

Sei es die Bürgerinitiative im Hamburger Villenviertel Harvestehude, die schon Sprachkurse für Flüchtlinge organisiert, bevor die überhaupt in das neue Heim in der Nachbarschaft eingezogen sind. Sei es die Familie aus Warstein, die seit 20 Jahren Asylbewerber in ihrem Haus aufnimmt. Oder seien es junge Berliner, die eine Plattform gründen, auf der Flüchtlinge WG-Zimmer finden können.

Sie alle haben begriffen: Toleranz und erst recht Akzeptanz müssen gelernt werden. Das funktioniert am besten dort, wo sich Menschen tatsächlich begegnen, aufeinander zugehen und ihr Zusammenleben gemeinsam gestalten.

Die Idee einer deutschen Leitkultur, an die sich alle anderen anzupassen haben, ist in einer pluralistischen Gesellschaft wie der unseren nutzlos. Alternativen zu finden ist eine Aufgabe für Jahrzehnte, die Auseinandersetzungen um die richtige Form zuweilen hart. So wie im Moment, wo sich Pegida und Anti-Pegida unversöhnlich gegenüber stehen. Doch der Streit ist nötig, damit auch der letzte begreift: Raushalten ist der falsche Weg.

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