Parteitaktik:Gemeinsamkeiten gesucht

Bei der Bundespräsidenten-Wahl könnten SPÖ und ÖVP paktieren - doch die Volkspartei zögert.

Von Cathrin Kahlweit

"Ich bin stolz auf euch, ich bin stolz auf Wien, ich bin stolz auf Österreich", rief Heinz Fischer unter dem Jubel von Zehntausenden. Diese emphatische Reaktion des Bundespräsidenten war kein Lob für die Wähler nach der Schlacht um Wien, in der die rechtspopulistische FPÖ unerwartet klar hinter der SPÖ geblieben ist. Fischer ist zwar Sozialdemokrat, aber als Staatsoberhaupt lässt er seine Parteimitgliedschaft ruhen; er muss schließlich über den Parteien stehen. Österreichs Bundespräsident hatte sich vielmehr Tage vor der Wahl zu einem Konzert eingefunden, den "Voices for Refugees" - und dort die Menge auch mit einem Satz begeistert, den, wer wollte, als Wahlempfehlung betrachten konnte. Er "wende sich ab von denen, die aus der Not der Flüchtlinge ein Geschäft machten, ein wirtschaftliches oder politisches", sagte er. Das ging gegen Schlepper. Und gegen die FPÖ.

Eine parteilose Richterin könnte als Kandidatin mit Format antreten

Heinz Fischer ist ein beliebter Präsident, aber seine Amtszeit läuft Anfang 2016 aus. Der Bundespräsident wird in Österreich direkt gewählt - vermutlich im kommenden April. Klar also, dass nach der Wahl vor der Wahl ist. Denn auch wenn er, genauso wie in Deutschland, repräsentative Aufgaben hat, so stellen sich doch die Parteien die Frage: Wer hat die besten Chancen als Nachfolger? Sollte man sich zusammentun, um sich einem Kandidaten oder einer Kandidatin der erstarkten FPÖ entgegenzustemmen, gerade nach den Erfahrungen aus Wien? Denn die FPÖ hat, ermutigt durch die jüngsten Wahlerfolge, politisch Oberwasser. Und sie hat zwei Personen in petto, die zwar vielleicht nicht gewinnen, aber doch der Konkurrenz schmerzhafte Verluste beibringen könnten: Da ist Rechnungshofpräsident Josef Moser, der die Verschwendungssucht der politischen Klasse in Österreich rügt und eine Kandidatur für die FPÖ nicht ausschließt. Und da ist eine ehemalige ÖVP-Politikerin, Ursula Stenzel, die vor der Wien-Wahl in einem spektakulären Coup zur FPÖ gewechselt war. Sie könnte als Grand Dame aus dem ersten Wiener Bezirk auch jene Wähler erreichen, denen die Rechtspopulisten sonst ein bisschen zu prollig sind.

Schon am Abend der Wien-Wahl machten daher Namen und Pakt-Varianten für die Bundespräsidentenwahl die Runde. Denn sie ist die nächste Abstimmung, bei dem sich erweisen könnte, wie stark die FPÖ wirklich ist. Und ob sie nur als Anti-Flüchtlings- und Protestwählerpartei ihre Klientel findet, oder auch mit einem Kandidaten, der für das ganze Land spricht. Die nächste Nationalratswahl steht erst für 2018 an, also schaut Österreich jetzt auf das kommende Frühjahr. Fischers Nachfolge ist ein Politikum - und unter welchen Vorzeichen sie ausgefochten wird, dürfte einiges über die Zukunft des Landes sagen.

Da ist etwa die ehemalige Präsidentin des Obersten Gerichtshofs, Irmgard Griss. Sie war von der Regierungskoalition mit einer Untersuchung zur Skandalbank Hypo Alpe Adria beauftragt worden und hatte das mit Bravour erledigt. Griss könnte als Unabhängige von Format von SPÖ und ÖVP gemeinsam nominiert werden. Könnte - wenn sich die ÖVP nicht die Option einer Koalition mit der FPÖ im Bund für 2018 offenhalten will. Dann würde sie es wohl ablehnen, sich symbolisch an die SPÖ zu binden. Jede Entscheidung hat plötzlich Signalwirkung.

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