Parteitag der US-Demokraten:Obama redet Klartext

Barack Obama hat in Denver eine große Rede gehalten - und dabei sein Programm für das Amerika der Zukunft vorgestelllt. Und: Er hat attackiert - hart wie nie zuvor.

Christian Wernicke, Denver

Wieder eine große Rede, selbstverständlich. Dass der demokratische Präsidentschaftskandidat ein meisterlicher Wortschmied ist, daran hat sich Amerika beinah schon gewöhnt. Zumal bei einem Anlass wie diesem - seiner "in Demut" akzeptierten Nominierung vor mehr als 80.000 Anhängern im Footballstadion zu Denver.

Parteitag der US-Demokraten: Barack Obama hat auf dem Parteitag Klartext geredet.

Barack Obama hat auf dem Parteitag Klartext geredet.

(Foto: Foto: AP)

Und doch bot sein verbales Feuerwerk drei Überraschungen: Selten sprach der Senator aus Chicago zugleich so sentimental (über sich), so konkret (über sein Programm) und so aggressiv (über seinen Gegner John McCain).

Der amerikanische Traum

Erste Aufgabe von Obamas Auftritts war es, sich Millionen Amerikanern am Fernsehschirm überhaupt vorzustellen. Jetzt erst beginnt die heiße Phase der Kampagne, erst jetzt schauen und hören viele Wähler überhaupt genauer hin.

Obama vermied es tunlichst, sich als Wunderkind zu präsentieren - wohl aber sieht er sich selbst als Kind eines Wunders, "wie es nur in diesem Land möglich ist."

Sein Lebensweg ist der verwirklichte American Dream, und fast rührselig erinnerte der Aspirant an seine Mutter, die ihn allein aufgezogen hatte und schon vor Jahren an Krebs verstorben ist: "Ich weiß, heute Nacht schaut sie zu. Diese Nacht ist auch ihre Nacht."

Zweiter Zweck war, das sehr große und zunehmend hohl gewordene Wort vom "Change" mit Inhalt zu füllen. Obama hat das getan, endlich: Er will - zum Beispiel - allen Nicht-Reichen Steuern erlassen, binnen zehn Jahren die US-Abhängigkeit von Ölimporten aus dem Nahen Osten beseitigen und allen Bürger den Schutz einer erschwinglichen Krankenversicherung bieten. Das klang konkret und handfest, ohne zu einem langweiligen Zehn-Punkte-Plan zu verkommen. Und populär sind diese (sehr teueren) Versprechen allemal.

Klare Worte an McCain

Drittes Ziel der Rede war die Attacke. Hart wie selten ist Obama seinen republikanischen Gegner angegangen. John McCains Wirtschaftsprogramm sei rücksichtslos und unsozial - "weil er nicht begreift", was er da anrichte. Noch rüder griff der Demokrat den Vietnamveteranen in der Außen- und Sicherheitspolitik an.

McCain habe vor drei Jahren noch gesagt, in Afghanistan könne sich Amerika "durchwursteln". Heute hingegen prahle er regelmäßig, Osama bin Laden bis an die Tore der Hölle zu verfolgen - "dabei wollte er nicht mal bis zu jener Höhle gehen, wo der lebt."

Der Vorwurf, McCain habe Amerikas Staatsfeind Nummer eins nicht wirklich jagen wollen, lässt dessen Berater bereits vor Wut schäumen. Ebenso empört die Republikaner, dass Obama zu fragen wagte, ob McCain "das Temperament und die Urteilskraft" habe, um US-Oberbefehlshaber zu sein.

"Temperament", das spielt an auf McCains bisweilen sture und aufbrausende Art. Und das erfüllt, aus konservativer Sicht jedenfalls, beinahe den Tatbestand der Beleidigung.

Kategorisch verbat sich Obama zudem, dass McCain seine Vaterlandsliebe in Frage stelle, weil der Demokrat den Abzug aus dem Irak fordert: "Wir müssen von der Idee wegkommen, Menschen könnten nicht unterschiedlicher Meinung sein, ohne sich gegenseitig Charakter und Patriotismus abzusprechen."

McCain hatte in den vergangenen Wochen mehrfach behauptet, Obama wolle "lieber einen Krieg als die Wahl verlieren". Das will sich der Demokrat nicht länger bieten lassen. "Country First", der Slogan der republikanischen Kampagne, gelte auch für ihn.

Obama hat McCain herausgefordert, politisch und sehr persönlich. Spätestens am Montag wird der Gegner zurückschießen. Dann beginnt der Parteitag der Republikaner.

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