Parteitag der Republikaner:Der Pitbull mit Lippenstift beißt zurück

Sarah Palin begeistert mit furchtlosen Angriffen auf Barack Obama die Delegierten. Auch John McCain ist zufrieden und posiert nach der Rede mit der Palin-Family. Wenig später wird das Duo der Republikaner offiziell nominiert.

Moritz Koch, New York

Der Mann, der sich "First Dude" nennt, wiegt sein Baby in den Armen und blickt voller Hingabe auf die Bühne. Dort steht seine Frau Sarah, Gouverneurin von Alaska und designierte Vizepräsidentin der Republikaner. Tosender Jubel brandet durch die Sportarena von St. Paul. Minutenlang kommt Palin nicht zu Wort.

Parteitag der Republikaner: Mächtig stolz auf ihre "Mom": Sarah Palins Familie lässt sich nach der Rede demonstrativ von den Delegierten bejubeln.

Mächtig stolz auf ihre "Mom": Sarah Palins Familie lässt sich nach der Rede demonstrativ von den Delegierten bejubeln.

(Foto: Foto: Reuters)

Sie kann nichts anderes tun, als den Delegierten zuzuwinken - und ihrer Familie. Ihrem Ehemann Todd, den Söhnen Track und Trig und den Töchtern Bristol, Willow und Piper. Vergangene Woche war Palin ein Niemand aus Alaska vom Ende der Welt. Diese Woche ist sie der Star der Republikaner.

Palin ist die politische Überraschung des Jahres und in der heutigen Nacht hebt sie zu einer verblüffender Rede an. Wer gedacht hätte, die Debatte um die Schwangerschaft ihrer 17-jährigen Tochter Bristol, die Amerika tagelang beschäftigte, habe die Gouverneurin eingeschüchtert, sieht sich getäuscht: Palin geht furchtlos in die Offensive.

Der demokratische Präsidentschaftskandidat Barack Obama wolle Wandel, um die eigene Karriere voranzutreiben, ruft sie. Der republikanische Präsidentschaftskandidat John McCain dagegen wolle seine Karriere vorantreiben, um Wandel zu bringen. Das Präsidentenamt der USA sei nicht dazu gedacht, als Reise zur "persönlichen Entdeckung" zu dienen.

"Der Republikaner, der die machohafteste Rede des Abends gehalten hat, ist eine Frau", schwärmte Alex Castellanos, konservativer Kommentator im Fernsehsender CNN. Und der sonst eher nüchterne Moderator Wolf Blitzer resümierte verzückt: "Heute ist ein Stern geboren worden in Amerika." Bei MSNBC hieß es: "Das war mehr als passabel" und der konservative Sender Fox schwärmte: "Brillant, ein unglaublich effektiver Auftritt."

Sprachrohr des ländlichen Amerikas

Palin stellt sich als typische Amerikanerin und liebevolle Mutter vor. Ihre Familie habe Herausforderungen zu meistern, wie alle anderen auch, sagt sie - eine Anspielung auf die Schwangerschaft ihrer 17 Jahre alten unverheirateten Tochter Bristol.

Und sie beweist Humor. "Kennt ihr den Unterschied zwischen einer Hockey-Mom und einem Pitbull?", fragt Palin in den Saal. "Lippenstift!" Die Delegierten biegen sich vor Lachen. Die Gouverneurin von Alaska schwingt sich in dieser Nacht zum Sprachrohr des ländliches Amerikas auf.

Dabei sind die Inhalte ihre Rede jenseits der entschlossenen Attacken auf Obama so überraschend wie Schneefall in Anchorage. Sie stimmt den typisch republikanischen Dreiklang aus Vaterland, traditionellen Werten und nationaler Sicherheit an. Und sie gibt den Delegierten ein altes Versprechen: Sie werde dem Hochmut im vermeintlich liberalen Washington den Kampf ansagen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie sich Sarah Palin über die Journalisten in Washington äußert.

Der Pitbull mit Lippenstift beißt zurück

Palin sagt: "Ich habe in den vergangenen Tagen schnell gelernt, dass einige Journalisten jemanden für unqualifiziert halten, wenn er nicht zur Washingtoner Elite zählt." Buh, brüllen die Delegierten. "Aber hier ist eine Nachricht für all diese Reporter und Kommentatoren: Ich werde nicht ihre Zuneigung suchen. Ich werde den Menschen dieses Landes dienen."

Parteitag der Republikaner: John McCain betrat überraschenderweise schon am Mittwoch die Bühne und ließ sich mit Sarah Palin von den Delegierten feiern.

John McCain betrat überraschenderweise schon am Mittwoch die Bühne und ließ sich mit Sarah Palin von den Delegierten feiern.

(Foto: Foto: dpa)

Nach der 20-minütigen Rede gibt es Standing Ovations für Sarah Palin, die nun ihre erste große Bewährungsprobe im nationalen Scheinwerferlicht bestanden hat. Ihr Mann und ihre Kinder kommen zu ihr auf die Bühne und feiern mit ihr. McCain betritt ebenfalls die Bühne und ruft in den Jubel der Delegierten hinein: "Glaubt ihr nicht, dass wir die richtige Wahl getroffen haben bei der nächsten Vizepräsidentin der Vereinigten Staaten?"

Wenig später wählen die Republikaner John McCain offiziell zum Präsidentschaftskandidaten, der gegen Barack Obama siegen soll. Bei der Abstimmung der Einzelstaaten erhielt er die notwendige Zahl von Delegiertenstimmen und Sarah Palin wird als erste Republikanerin in der US-Geschichte für das Amt der Vizepräsidentin nominiert. 1984 entschied sich der Demokrat Walter Mondale für Geraldine Anne Ferraro als Running Mate - und unterlag gegen Ronald Reagan.

Rechte Außenseiter

Palins Rethorik entspringt einem klassischen Wahlkampfskript. Die amerikanische Rechte liebt die Rolle des Außenseiters. Seit 1980, als Ronald Reagan gegen Jimmy Carter siegte, profilieren sich die Republikaner als die politisch verfolgten Anwälte der Durchschnittsbürger. Selbst dann, wenn sie die Macht haben, spielen sie die Dissidenten. Auch Amtsinhaber George W. Bush pflegt sein Image als Underdog und gibt den Rebel in Chief, den Aufständischen im Weißen Haus.

Opposition ist das Selbstverständnis der republikanischen Bewegung. Und daher machen sie Wahlkampf wie eine Oppositionspartei, obwohl sie sechs der vergangenen acht Jahre den Kongress dominiert und für zwei Legislaturperioden den Präsidenten gestellt haben.

McCain und die Journalisten-Babes

Es ist kaum verwunderlich, dass keiner der Redner in der heutigen Nacht Präsident Bush erwähnt. Nicht Mike Huckabee, Ex-Gouverneur von Arkansas. Nicht Rudy Giuliani, Ex-Bürgermeister von New York. Und nicht Mitt Romney, Ex-Regierungschef von Massachusetts. Und natürlich erwähnt auch keiner der drei, wie eng McCain und die Medien verbunden sind. Noch 2004 hatte der Senator aus Arizona Journalisten als seine "Babes" bezeichnet.

Die Strategie der Republikaner ist klar. Sie wollen Amerika vor die Wahl stellen zwischen Reform und Verheißung, zwischen Substanz versus Stil. Sachthemen meiden sie so gut sie können und folgen damit der Vorgabe ihres Wahlkampfstrategen Rick Davis. "Bei dieser Wahl geht es nicht um Inhalte", hatte Davis kürzlich gesagt. "Bei dieser Wahl geht es um das Bild, dass sich die Menschen von den Kandidaten machen." Davis weiß: McCain ist beliebt, viel beliebter als seine Partei. Und McCain ist erfahren. Amerika kann sich bei ihm sicher fühlen.

Aber wie werden die Wähler über Palin urteilen? Bei allem nächtlichen Jubel in St. Paul: Bisher hat Palin nur die eigene Basis elektrisiert. Die Frage, die sich in den nächsten Wochen stellen wird, lautet: Ist Palin wirklich ein weiblicher McCain, wie republikanischen Spindoktoren glauben machen wollen? Ist sie eine unerschrockene Kämpferin gegen Korruption und jemand, der Stimmen in der politischen Mitte gewinnen kann. Oder ist Palin ein weiblicher Bush? Eine konservative Ideologin. Jemand, der in einem engen Wertekorsett klemmt und die Welt in Gut und Böse einteilt?

Selbst unter den Republikanern kennt die Begeisterung für Palin Grenzen. "Ohne Frage ist sie jung, eine neue Gouverneurin. Und verfügt sie über die gleiche Erfahrung wie John McCain oder Joe Biden, Obamas Running mate? Nein," sagte etwa die texanische Senatorin Kay Bailey Hutchison vor der Rede Palins.

Seit Tagen sieht sich Palin mit der Debatte um ihre geringe Erfahrung konfrontiert. Auf der Bühne versuchte die junge Gouverneurin, die bis vor sechs Jahren noch Bürgermeisterin einer 6000-Seelen-Gemeinde war, ihr Defizit herunterzuspielen. "Ich glaube, Bürgermeisterin eines Dorfes zu sein, ist so etwas wie ein Sozialarbeiter zu sein - mit dem Unterschied, dass man als Bürgermeister wirkliche Verantwortung trägt." Ein Seitenhieb auf Obama, der sich nach seinem Studium entschloss, in einem Ghetto von Chicago für eine gemeinnützige Organisation zu arbeiten.

McCain springt seiner Vizekandidatin zur Seite. "Senator Obama leitet nur einen Wahlkampf, während Gouverneurin Palin einen Verwaltungsapparat mit 24.000 Angestellten führt", sagte er. In der Außenpolitik habe Obama "keine Kenntnis oder Erfahrung oder Urteilsvermögen. Er weiß nicht, wie die Welt funktioniert."

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