Parteitag der AfD:"Gekommen, um zu bleiben"

Frauke Petry, Chairwoman of the right-wing Alternative for Germany (AfD) party holds a speech at the party congress in Hannover

Frauke Petry bei ihrer Rede auf dem Parteitag in Hannover.

(Foto: REUTERS)

In Hannover versucht die AfD, Geschlossenheit zu demonstrieren. Parteichefin Petry wirft der Kanzlerin Versagen in der Flüchtlingspolitik vor - und erfindet ein neues Wort für die "Lügenpresse".

Von Jens Schneider, Hannover

Wie ein Grundrauschen steht der Lärm in der Halle des Congress Centrums zu Hannover. Die Vorsitzende Frauke Petry hält an diesem Samstagvormittag ihre Rede an den Parteitag der Alternative für Deutschland. Es sollte wohl ein Höhepunkt des Parteitags sein. Dafür sind solche Reden gedacht, sie sollten die Basis einschwören auf die Ziele der Spitze, hinter der Chefin versammeln.

Aber dieser Lärm, er bleibt in der Halle. Hinten plaudern Leute, es ist unruhig. Nur selten scheint Petry die volle Aufmerksamkeit des Saals zu haben. Drei Mal nur springen die Delegierten auf. Am lautesten werden sie kurz vor dem Ende der Rede, als sie die Parteichefin die Bundeskanzlerin attackiert. Sie wirft Angela Merkel Versagen in der Flüchtlingspolitik vor, sie habe ihren Regierungsauftrag aufgegeben. "Treten Sie zurück", fordert sie die Kanzlerin auf, und schiebt lächelnd nach: "Sie schaffen es." Da stehen schnell alle und jubeln.

Und auch am Ende dieser höhepunktlosen Rede wird ausdauernd applaudiert. Dann geht man schnell in der Tagesordnung weiter. Keiner will antworten, keiner will debattieren, keiner will streiten. Die Zurückhaltung richtet sich also kaum gegen Petry, niemand greift sie an. Sie hatte aber auch, das schien ihr wichtigstes Ziel zu sein, keinen Anlass zu großen Debatten gegeben. Bloß keinen Streit, stattdessen nach außen maximale Einigkeit - das soll die Botschaft dieses 4. Parteitags der noch immer jungen rechtspopulistischen Partei sein.

Zwischenstation auf dem Weg zu den Landtagswahlen 2016

Dieses Treffen soll nur eine Zwischenstation sein auf dem Weg zu den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt im nächsten März. Und der Bedarf an dramatischen Höhepunkten ist noch gedeckt aus der Zeit der Spaltung, als die Flügel brutal übereinander her fielen und am Ende die Galionsfigur Bernd Lucke mit seinen Anhängern die AfD verließ. Tausende Mitglieder gingen, die Partei sackte in Umfragen auf drei Prozent.

Jetzt liegen sie wieder um acht Prozent. In Hannover sagt Petry nun, dass dieser Parteitag die Einigkeit einer AfD zeigen soll, die "nie weg war", sondern nur eine Verschnaufpause eingelegt habe. "Wir sind gekommen, um zu bleiben, weil Deutschland uns braucht."

Auf den letzten Parteitagen in Essen und zuvor in Bremen hatten ihr die Anhänger ihres Lagers nach Attacken zugejubelt. Nun gibt es keinen aktuellen Lagerkampf. Mögliche Widersacher wie den rechtsnationalen Thüringer AfD-Chef Björn Höcke hat sie bereits vor Wochen mit einer öffentlichen Zurechtweisung auf Distanz zu halten versucht. Er hält sich auf dem Parteitag in Hannover zurück, kommt erst am Nachmittag, als sie ihre Rede schon gehalten hat. Auch Alexander Gauland, der zuletzt mit derben Zuspitzungen auffiel, verfolgt die Rede der Chefin gelassen. Mag ja sein, dass sie sich im Parteivorstand beäugen, seit dem Sommer- wie es heißt - auch häufiger über Stilfragen stritten. Hier sollen vorerst keine Lager zum Vorschein kommen.

Höcke findet seine Bühne auf den Gängen

Höcke allerdings gibt am Rande markige Interviews, die wie ein Kontrapunkt wirken und seine extremen Positionen in Erinnerung bringen. Da wirft er auf den Gängen den anderen Parteien in Deutschland eine "multikulturelle Revolution von oben" vor. Deshalb müsse die Alternative für Deutschland der Politik der "Altparteien" massiv entgegentreten. Die gelte für das gesamte Spektrum von Linkspartei bis zur CSU. "Deutschland in seiner jetzigen Form soll abgeschafft werden", die AfD müsse diesen "Deutschland-Abschaffern die Rote Karte zeigen". Er findet seine Bühne auf den Gängen.

Dafür konnte Petry in ihrer Rede die Integrationsfigur geben, ohne markante Schwerpunkte, das menschliche betonend. Zunächst in die Partei hinein: Tausende neue Mitglieder habe die Partei schon wieder aufgenommen, der Verlust aus dem Sommer werde bald wieder ausgeglichen. Nun solle die Partei sich weiter öffnen, wirbt sie, den Zögerlichen und Sprachlosen wolle sie eine Stimme geben. Das Potenzial der AfD liege bei zwanzig Prozent, sagt sie.

Petry versucht es mit zweifelhaftem Humor

Auch über die AfD hinaus gibt die Parteichefin sich moderat. Sie fordert die anderen Parteien zum Dialog auf. Und die "werten Medienvertreter" bittet sie um Verständnis für manche Angriffe, bedient dabei jedoch vor allem das Gemüt ihrer Basis, die sich so oft von Journalisten schlecht behandelt fühlen: Nun, sagt Petry, sie könne ja verstehen, dass Journalisten es nicht gern hätten, wenn sie als "Lügenpresse" bezeichnet werden. "Aber versetzen Sie sich einmal in die Lage derjenigen Repräsentanten einer neuen demokratischen Partei, die ihrerseits ständig mit Diffamierungen und Zuschreibungen diffamiert werden, die Sie nicht teilen." Das ist das zweite Mal, dass heftig applaudiert wird, und kurz danach freuen sich ihre Parteifreunde mächtig, als Petry von den Journalisten Humor erbittet und sie als "Liebe Pinocchio-Presse" bezeichnet. In Anlehnung an die Geschichte von der Holzpuppe, die mit jeder Lüge eine längere Nase bekommt. Richtig komisch finden die AfDler das. Es wird wohl von ihrem Auftritt in Erinnerung bleiben.

Am Nachmittag verabschiedet die Partei eine scharfe Resolution zur Asylpolitik. Petry hatte in ihrer Rede davon gesprochen, dass durch die Migration religiöse Konflikte nach Europa und Deutschland importiert würden. Es gebe einen Zusammenhang zwischen illegaler Einwanderung, unkontrollierter Migration und dem Anwachsen des Terrors in Europa, sagte sie mit Blick auf die Anschläge in Paris. "Es ist eine politische Naivität, das zu negieren." Der Parteitag sprach sich in seiner Resolution für Obergrenzen im Asylrecht aus. Dabei setzte sich ein Antrag des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen gegen den Entwurf des Bundesvorstands durch. Die Bundesregierung solle ihrer Pflicht nachkommen, "einer etwaigen Überzahl von Asylsuchenden regelungsmäßig entgegenzutreten". Das Asylrecht "muss und kann" nach Auffassung der AfD beschränkt werden. Die Partei bestehe darauf, dass die Sicherheit des Staates und seiner Bevölkerung dem Asylrecht "nicht untergeordnet" werde und insoweit ein "Schrankenvorbehalt" existiere, heißt es in dem Antrag.

Friedliche Gegendemonstration in Hannover

Gegen den AfD-Parteitag demonstrierten in Hannover am Mittag nach Polizeiangaben etwa 1200 Menschen. Die Veranstalter sprachen von ungefähr 1600 Teilnehmern. Die AfD-Gegner zogen vom Opernplatz zum Hannover Congress Centrum, wo 500 Delegierte der Partei das Wochenende über tagen. Dort versammelten sich die Demonstranten zu einer Kundgebung mit verschiedenen Redebeiträgen. Die Polizei begleitete den friedlichen Protest mit "angemessenem Personaleinsatz", wie eine Sprecherin sagte.

Die Veranstaltung solle ein Zeichen setzen für Mitmenschlichkeit und eine solidarische und bunte Gesellschaft, sagte Hartmut Meine von der IG-Metall: "Wir stehen hier für eine humane Zivilgesellschaft, die Fremden in Not hilft. Eine Gesellschaft, in der Antisemitismus und Islamfeindlichkeit keine Chance haben."

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