Parteistruktur:Feuerwehrfest statt Manifest

Volker Bouffier

Volker Bouffier, 63, ist seit Juni 2010 CDU-Landesvorsitzender und seit Ende August 2010 Ministerpräsident.

(Foto: Jörg Carstensen/dpa)

Wie die Hessen-CDU versucht, sich ganz ohne Positionspapiere und Denkwerkstätten zu verjüngen.

Von Susanne Höll, Frankfurt

Volker Bouffier ist ein politischer Solitär. Der 63 Jahre alte Ministerpräsident Hessens ist der letzte Christdemokrat, der ein großes und westdeutsches Flächenland regiert. Vorbei die Zeiten der schwarzen stolzen Ministerpräsidenten, vorbei die Zeiten, in denen Deutschlands Großstädte von Konservativen regiert wurden. Und auch in Hessen wollten vor zwei Jahren nicht wenige darauf wetten, dass es bei der Landtagswahl im Herbst 2013 einen Machtwechsel gibt und die für heimische Verhältnisse überraschend lange CDU-Ära ein Ende findet - die SPD lag in den Umfragen vorn, die damals seit mehr als einem Jahrzehnt regierenden Christdemokraten lagen hinten.

Wer mehr als 100 Neumitglieder wirbt, kann auf ein Essen mit dem Ministerpräsidenten hoffen

Und was machte Bouffier? Weder werkelte er am Grundsatzkonzept seiner Landespartei noch präsentierte er ein in irgendeiner Hinsicht Aufsehen erregendes Wahlprogramm. Der Mann aus Gießen, ein Weggefährte des erfolgreichen, ob seiner periodischen Ruchlosigkeit gefürchteten Vorgängers Roland Koch, fand endlich den Mut, er selbst zu sein. Er schlug ihm gemäße weichere Töne an und beendete die harte Konfrontation, die jahrzehntelang die hessische Politik bestimmt hatte. Die CDU gewann die Wahl, bewerkstelligte eine bundesweit beachtete Koalition mit den Grünen und erfreut sich seither im Land großer Beliebtheit. Dieser Erfolg war ein Sieg der Persönlichkeit, nicht des Papiers.

Bouffier ist kein Freund großer Grundsatzdiskussionen; er geht viel lieber auf ein Sommerfest der Freiwilligen Feuerwehr als in großen Runden an Manifesten zu werkeln. Das Feuerwehrfest ist unterhaltsamer, ein Abstecher dorthin mutmaßlich wählerwirksamer als eine Denkwerkstatt in der Parteizentrale.

Kaum ein Bürger, das wissen die Chefs und die Generalsekretäre aller Parteien, lesen vor einer Abstimmung die meist allzu umfänglichen Programme oder interessieren sich für das innere Gefüge der politischen Organisationen. Und wenn sie doch Papiere und Statuten studieren, tun sie das im Wissen, dass Papier geduldig ist, die politische Realität aber oft wenig mit den erklärten Zielen und Absichten der Politiker zu tun hat. Mit Strukturreformen und Grundsatzdebatten allein gewinne man kaum Mitglieder oder Unterstützer, sagt Manfred Penz, Generalsekretär der Hessen-CDU.

Das allerdings will er nicht als Kritik an seinem Bundeskollegen Peter Tauber verstanden wissen, der ebenfalls der Hessen-CDU entstammt. Im Gegenteil. Jede Partei müsse ab und an ihre Arbeit überprüfen, dafür sorgen, dass sie in den Augen der Öffentlichkeit attraktiv und auf der Höhe der politischen Zeit ist. Deshalb wird auch in Hessen an den internen Strukturen gebastelt, in kleinerem Maßstab allerdings. Denn die Probleme sind identisch: Mitgliederschwund, weniger Geld, grassierende Politik- und Wahlmüdigkeit. Penz hat die innerparteiliche Kommunikation gestrafft, die Informationstechnik umgestellt, Strukturen sollen verbessert und zentralisiert werden. Das dient der Kampagnenfähigkeit - ohne einen vernünftigen Apparat kann man nur schwer erfolgreiche Wahlkämpfe führen, selbst mit populären Spitzenkandidaten. Parteireformen sind zwar keinerlei Garantie für Wahlerfolge, wohl aber eine notwendige Voraussetzung.

Dasselbe gilt für eine aktive Parteibasis, die in und außerhalb von Wahlkampfzeiten für die Organisation wirbt und Mundpropaganda macht. Die Hessen-CDU zählte im Juli exakt 40 121 Mitglieder, Zuwachs wird dringend gesucht. Bouffier und Penz haben eine Werbeinitiative gestartet, erdacht nicht in Gremien, sondern im Vier-Augen-Gespräch.

Teams von jeweils zehn CDU-Mitgliedern sollen neue Anhänger gewinnen, gegen Belohnung. Wer 25 Beitrittserklärungen vorlegt, wird zum geselligen Parteiabend vor dem nächsten Landesparteitag eingeladen. Bei 100 Neuzugängen gibt es ein ausgiebiges Frühstück mit dem Generalsekretär. Und wer noch mehr Mitglieder an Land zieht, wird von Bouffier persönlich zum Essen gebeten.

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