Parteipolitisches Kalkül bei der Präsidentenwahl:Spiel mit den Mehrheiten

Christian Wulff mag sich an sein Amt geklammert haben, für die schwarz-gelbe Koalition aber kommt sein Rücktritt rechtzeitig. Im März wählt das Saarland, im Mai Schleswig-Holstein. Durch Wulffs Rückzug fällt die Wahl seines Nachfolgers voraussichtlich in die letzten Tage, in denen Schwarz-Gelb noch über eine absolute Mehrheit in der Präsidentenwahlkammer verfügt.

Robert Roßmann

Für die meisten Deutschen ist Bundespräsident Christian Wulff zu spät zurückgetreten, für die schwarz-gelbe Koalition aber gerade noch früh genug. Im März wählt das Saarland, im Mai Schleswig-Holstein. Wenn die Landtagswahlen so ausgehen, wie es die Umfragen vorhersagen, haben Union und FDP in der Bundesversammlung anschließend keine Mehrheit mehr. Durch Wulffs Rückzug am Freitag fällt die Wahl seines Nachfolgers in die letzten Tage, in denen Schwarz-Gelb noch über eine absolute Mehrheit in der Präsidentenwahlkammer verfügt.

Bundesversammlung

Die voraussichtliche Zusammensetzung der Bundesversammlung, die Wulffs Nachfolger wählen wird. Durch Wulffs Rückzug fällt die Wahl seines Nachfolgers in die letzten Tage, in denen Schwarz-Gelb noch über eine absolute Mehrheit in der Präsidentenwahlkammer verfügt.

Artikel 54 des Grundgesetzes verlangt, dass das neue Staatsoberhaupt innerhalb von 30 Tagen nach dem Rücktritt seines Vorgängers gewählt wird. Die Bundesversammlung muss also spätestens am 18. März - und damit eine Woche vor der Saar-Wahl - zusammentreten. Es spricht viel dafür, dass die Frist ausgeschöpft wird. Die Vertreter der Länder in der Bundesversammlung stehen noch nicht fest, sie müssen erst von den Landtagen gewählt werden. Das dauert.

Außerdem passt der Tag symbolisch ganz gut: Am 18. März 1990 wurde die erste freie DDR-Volkskammer gewählt, und 18. März 1848 begann die deutsche Revolution.

Die Bundesversammlung besteht aus 1240 Mitgliedern, die absolute Mehrheit liegt also bei 621 Stimmen. Union und FDP kommen zusammen auf 622 bis 624 Sitze, die genaue Zahl hängt von Losentscheiden bei der Wahl der Landesvertreter in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen ab. Schwarz-Gelb könnte sich also einen Staatschef nach Gusto wählen. Die Mehrheit ist zwar knapp, aber das war sie immer: Bis auf Richard von Weizsäcker kam kein Bundespräsident bei seiner ersten Wahl auf mehr als 52 Prozent der Stimmen. Gustav Heinemann erhielt sogar nur 49 Prozent. Trotzdem wurden die meisten Präsidenten zu geschätzten Staatsoberhäuptern.

Merkel ist stärker, als manche meinen

Selbst eine größere Zahl von Abweichlern könnten Angela Merkel und die Ihren verkraften. Bei Wulff fehlten im ersten Wahlgang sogar 44 Stimmen aus dem Regierungslager, im dritten Wahlgang wurde der Niedersachse trotzdem Präsident. Dann reicht nämlich die einfache Mehrheit. Da Schwarz-Gelb in der Bundesversammlung fast 150 Sitze vor Rot-Grün liegt, käme ein reiner Regierungskandidat spätestens im dritten Wahlgang zum Zuge. Schließlich kann sich derzeit niemand einen gemeinsamen Vorschlag von SPD, Grünen und Linken vorstellen.

Nun hat sich Merkel entschieden, trotzdem einen Konsenskandidaten zu suchen, der auch der Opposition gefällt. Die Zahlenspiele sind damit zunächst obsolet, der nächste Präsident wird voraussichtlich schon vor dem 18. März von den Parteivorsitzenden ausgehandelt werden. Merkel ist dabei allerdings in keiner so schwachen Position, wie manche meinen: Im Zweifel könnte sie einen eigenen Kandidaten durchwählen lassen.

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