Machtkampf:Es rumort heftig in der Kölner CDU

Stadt Köln

Unter "Klüngel" versteht der Duden eine Gruppe von Menschen, die sich gegenseitig Vorteile verschafft. In Köln kennt man diese Methode aus jahrzehntelanger Erfahrung. Nun sieht sich auch die CDU-Spitze der Stadt mit solchen Vorwürfen konfrontiert.

(Foto: Oliver Berg/dpa)
  • Bei der Kölner CDU tobt ein interner Streit.
  • Es geht um angeblich ungültige Wahlen zum lokalen CDU-Vorstand im Dezember.
  • Zudem sei bei der Generalversammlung plötzlich eine Heerschar neuer Mitglieder, sogenannte "Wechselwähler" aufgetaucht.

Von Christian Wernicke, Köln

Mehr als zehn Jahre ist die Sache her. Hans-Josef Küpper jedoch erinnert sich, als habe sich die Begegnung mit dem Bekannten in seinem Stadtteil Köln-Sürth gestern zugetragen. Anno 2007 war's, als der kleine, meist gemütlich gestimmte Arzt versuchte, einen lokalen Unternehmer zum Eintritt in seine CDU zu bewegen. Küpper weiß noch genau, was der Mann ihm antwortete: "Nee Jupp, in diese Güllegrube steige ich nicht hinab." Damals sei er zunächst "verdutzt, ja sprachlos" gewesen. Inzwischen jedoch, so fügt Küpper nachdenklich hinzu, müsse er häufig an die Bemerkung denken, denn: "Da ist was dran."

Heute steckt Hans-Jürgen Küpper selbst im Schlamassel. Mittendrin im Zank um Posten, tief im Zwist um Parteistatuten. Der 65-jährige Mediziner streitet gegen die Oberen der Kölner CDU, weil er ganz unten - bei sich daheim im Ortsverband Sürth - die Regeln innerparteilicher Demokratie verletzt sieht: Die Wahlen zum lokalen CDU-Vorstand im Dezember seien "ungültig, weil nicht geheim" abgelaufen. Zudem sei bei der Generalversammlung plötzlich eine Heerschar neuer Mitglieder aufgetaucht, die zum Teil aus fremden Stadtteilen stammte: "Wir kannten die alle nicht", sagt Küpper.

Im Jargon von Insidern der Kölner CDU haben diese zugewanderten Parteifreunde längst einen Namen: "Wahl-Nomaden". Küpper nennt sie "Wechselwähler", und dank deren Stimmen seien im Dezember der örtliche Bundestagsabgeordnete Heribert Hirte sowie obendrein dessen Sohn und Tochter in Sürther Parteiämter gehievt worden. Hirte bestreitet auf SZ-Anfrage jede Unregelmäßigkeit: "Alles war völlig korrekt." Von "Nomaden" will Hirte, der im Bundestag in eher hinteren Reihen beheimatet ist, "noch nie gehört" haben. Derweil hat Küpper, Hirtes bisheriger Stellvertreter und Wahlkampfhelfer, zwei Beschwerden beim CDU-Parteigericht eingereicht. Er verlangt Neuwahlen.

Protest gegen die Parteispitze

Es rumort in der Kölner CDU, dabei geht es heftig zur Sache - bislang allerdings nur intern. Allen voran im wohlhabenden Kölner Süden erschallt Protest gegen die Parteispitze. Wo entlang des Rheins schmale Reihenhäuser und schmucke Villen stehen, liegt der CDU-Stadtbezirk Rodenkirchen (unterteilt in wiederum sechs Ortsverbände). In dieser Hochburg der Christdemokraten erhielten Anfang Januar die mehr als 750 Parteimitglieder unverhofft Post von ganz oben - vom Chef der Kölner Gesamtpartei, Bernd Petelkau. Der Multi-Funktionär, zugleich Fraktionschef der regierenden CDU im Stadtrat und Landtagsabgeordneter in Düsseldorf, lud seine Parteifreunde zur Wahl eines neuen Vorstands - ermächtigt vom engsten Kreisvorstand, aber ohne jede Rücksprache mit der CDU-Bezirkschefin Alexandra von Wengersky. Die Ratsfrau erfuhr vom Termin im Alpen-Urlaub - per Whatsapp-Nachricht einer verblüfften Parteifreundin.

Seither tobt, ausgefochten per E-Mail und Einschreiben, ein Krieg zwischen den Parteifeinden. CDU-Stadtchef Petelkau verweist auf eine jüngste Änderung der Parteistatuten und beteuert im Gespräch mit der SZ, er sei "nur hilfsweise als Einlader tätig geworden", um in den Rodenkirchener Reihen "Rechtsklarheit zu schaffen." Nach Rückfragen beim Justiziar der Landespartei zog Petelkau seine Einladung zwar zurück. Als Fehler mag er seinen Eingriff nicht begreifen: "Nein."

Also eskaliert der Streit. Schon fordern erste Parteimitglieder den Rücktritt ihres Stadt-Bosses. "Leben wir hier in einer Diktatur?", wettert etwa Klaus Feinen in seiner Villa in Kölns feinstem Viertel Hahnwald über "diesen Versuch, die Partei von oben zu regieren". Der ergraute Professor und frühere Bankmanager wirft Petelkau vor, "gesetzeswidrig" und "parteischädigend" gehandelt zu haben. Seiner Entrüstung machte Feinen in einem geharnischten Brief an Petelkau Luft. Kopien gingen an höchste Instanzen, an CDU-Landeschef Armin Laschet in Düsseldorf und direkt ins Kanzleramt, an Angela Merkel, die Bundesvorsitzende.

Wengersky gilt als hartnäckig

Die Kritiker im Kölner Süden glauben, Petelkau (Spitzname: "Der Pate von Köln") wolle sich Partei und Stadt untertan machen. "Die Parteifreunde sagen, er wolle mich weghaben", hat Alexandra von Wengersky gehört. Die Politikerin gilt als hartnäckig. 2015 wurde die Tochter aus urkölschem Elternhaus bekannt, als sie nach der Kommunalwahl eine partielle Stimmen-Neuauszählung durchsetzte: Die rot-grüne Mehrheit im Kölner Rathaus kippte, die CDU kam (zusammen mit den Grünen) in Nordrhein-Westfalens Metropole an die Macht.

Jetzt kämpft Wengersky in den eigenen Reihen. Die Stadtbezirks-Chefin der CDU befürchtet, dass sich demnächst - bei der Neuwahl des Vorstands - wiederholt, was sie schon im Juni 2016 erlebte. Damals wollte Wengersky als CDU-Kandidatin für den Landtag antreten. Doch sie verlor, eine Rodenkirchener CDU-Versammlung wählte überraschend den erst wenige Tage zuvor in die Partei eingetretenen Neuling Oliver Kehrl, den Besitzer mehrerer lokaler Modehaus-Filialen. Angestammte CDU-Mitglieder staunten über den Zulauf, unter den mehr als 180 anwesenden Mitgliedern befanden sich viele bislang Unbekannte. "Da tauchten plötzlich sehr viele neue, meist braungebrannte Gesichter auf", erinnert sich Hans-Josef Küpper, "die meisten stammten wohl aus dem Golf-Klub und aus der Jungen Union."

Auf Anfrage bestätigt Kehrl, dass unter seinen Wählern etliche Sportsfreunde des Golf-Klubs waren: "Da gibt es viele CDU-affine Menschen." Dass damals mehr als 40 Bürger nur Tage vor dem Parteitreff in die CDU eintraten, deutet der Landtagsabgeordnete heute als Zeichen der Zustimmung "dafür, dass ich als Mann aus der freien Wirtschaft kandidierte". Das stärke die Partei. Und auch daran, dass sich unter den Versammelten offenbar allerlei Mitglieder befanden, die nirgendwo im Stadtbezirk wohnten, mag sich Kehrl nicht stören: "Das ist gang und gäbe."

Es drohen mehrere Parteimitglieder mit Klagen gegen den Kreisverband

Allerdings schreibt das Statut der Bundes-CDU in Paragraf 5 das Wohnsitz-Prinzip vor: Christdemokraten dürfen nur in genau dem Ortsverband mitentscheiden, wo sie gemeldet sind. Ausnahmen (etwa wegen eines Arbeitsplatzes vor Ort) bedürfen der Genehmigung des Kreisverbands, also der Stadt-CDU. Nach SZ-Informationen führt die Kölner CDU aktuell mindestens sechs Dutzend Mitglieder im Stadtbezirk Rodenkirchen, die in fernen Stadtteilen wohnen - oder sogar weit außerhalb der Grenzen der Domstadt. Das wäre fast jedes zehnte von circa 750 Mitgliedern.

Zwar bestreitet CDU-Chef Petelkau jeden Missbrauch: "In Köln gibt es keine Wahl-Nomaden." Doch nach SZ-Informationen drohen bereits mehrere Parteimitglieder mit Klagen gegen den Kreisverband, weil "Stimm-Söldner" lokale Parteibeschlüsse hätten "verfälschen" können. Sie argumentieren, alle Wahlen, an denen satzungswidrig ortsfremde Parteifreunde mitwirkten, seien null und nichtig. Die CDU müsse erst ihre Mitgliederdatei säubern - und dann vielfach neu abstimmen.

Ins Blickfeld und unter "Nomaden-Verdacht" gerät dabei auch Sürth, die Heimat von Hans-Josef Küpper. Dort soll der lokale CDU-Vorstand ausgerechnet an einem für Kölner heiligen Tag - zu Karnevalsbeginn am 11. 11. 2017 - die Aufnahme mehrerer CDU-Mitglieder aus anderen Ortsverbänden gebilligt haben. Die Hälfte der zehn Vorstandsmitglieder, unter ihnen Küpper, war verhindert. Aber die Namen von acht allein an diesem Tag genehmigten "Wechselwählern" liegen Küpper vor. Heribert Hirte, der Sürther Ortsverbands-Chef und Bundestagsabgeordnete, will dazu keine Details preisgeben: Das seien "nicht öffentliche Interna". Zudem schwebe das Parteiverfahren wegen der Beschwerde von Küpper über der Sache: "Ich fühle mich an die Vertraulichkeit gebunden", sagt Rechtsprofessor Hirte. Kölns Parteichef Petelkau ergänzt, es gebe in Sürth "von der Papierlage her keine Auffälligkeiten."

Die Mehrheit bei der Sürther Parteisitzung hatte ihren Spaß

Auch die Umstände seiner Wiederwahl zum Sürther CDU-Chef mag Hirte nicht en détail kommentieren. Seine Kritiker jedoch reden. Es habe, so berichtet Küpper, "keine Identitätskontrolle der Wahlberechtigung" gegeben und - anders als früher - auch keinerlei Sichtschutz bei der Stimmabgabe. Man votierte an seinem Platz, am Holztisch, ohne Geheimnisse: "Ich konnte sehen, wen meine Nachbarinnen wählten - und sie bei mir." Ein weiterer, der SZ namentlich bekannter Zeuge berichtet, man habe bei einem Wahlgang noch Stimmzettel vom vorherigen Votum in der Urne entdeckt. Ärger genug, dass Sürth nun erste Parteiaustritte meldet.

Trotz alledem, die Mehrheit bei der Sürther Parteisitzung hatte ihren Spaß. Die Neumitglieder, so erzählen Anwesende, hätten viel gelacht, während sie sich gegenseitig auf die Stimmzettel schauten. Etliche Novizen waren Jura-Studenten und Aktivisten der Jungen Union. So wie Alexander Hirte. Der 21-jährige Sohn des Abgeordneten gilt als wahrer Menschenfischer: Im Dezember ehrte die Junge Union ihn für die Anwerbung der meisten Neumitglieder in ganz Köln. Vater Hirte gratulierte über Twitter, von Herzen.

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