Parteien und Koalitionen:Alles so schön bunt

Der Deutsche ist flexibel und wählt farbig, die Politik jedoch liebt es schwarz-weiß. Die Parteien sind dem Wähler nicht gewachsen.

Heribert Prantl

Die Parteien haben die, wie man so sagt, heiße Wahlkampfphase eröffnet. Diese heiße Phase besteht vor allem in der steigenden Lautstärke und Wiederholungsdichte von bekannten Formeln und blassen Versprechungen.

Die Politik bräuchte anderes, weniger Netto und mehr Brutto. Ihr Grundproblem verfestigt sich nämlich: Die deutschen Parteien sind ihren Wählern nicht gewachsen.

Die Wähler sind flexibel; die Parteien sind es nicht. Die Wähler haben ein Fünf-Parteien-System geschaffen; die Parteien reagieren, als habe man ihnen damit ein Leid angetan.

Die Wähler wählen farbig, aber die Politik liebt es schwarz-weiß. Die Wähler sind polyphon, ihre Wahlentscheidung ist polychrom; aber die Parteien bleiben monoton und monochrom.

Wie gesagt: Die deutschen Parteien sind ihren Wählern nicht gewachsen. Das Kennzeichen des Fünf-Parteien-Land System sind intensive Annäherungsvermeidungskonflikte.

Das deutsche Parteiensystem ist ein System der Beziehungsstörungen, auf Bundesebene sind sie besonders massiv. Westerwelles FDP kann nur mir der CDU/CSU, sie kann nicht mit den Grünen, nicht mit der SPD und schon gar nicht mit den Linken. Mit denen kann und mag gar keiner.

Die Grünen wollen nicht mit der CDU und schon gar nicht mit der FDP. Die CDU will nicht mit den Grünen, die SPD würde mit der FDP schon wollen, aber die schüttelt sich vor Entsetzen.

Und alle miteinander schütteln sich vor den Linken; viele Sozialdemokraten schüttelt es freilich auch deswegen, weil sie merken, dass sich für ihre Partei koalitionsmäßig ohne die Linken fast nichts mehr schüttelt.

Die Grünen und die Gelben, die Parteien also, von denen derzeit die Kraft für Koalitionswechsel ausgehen müßte, zeigen zähe Beharrungskraft im Alten; am stursten ist die FDP. Um die Beziehungsstörungen zu kurieren, müßte der Wähler Psychiater sein.

Aber diese Kompetenz hat ihm das Wahlgesetz nicht zugewiesen. Das neue deutsche Parteiensystem könnte ein buntes, ein tanzendes Mobile sein - aber: da tanzt leider sehr wenig.

Die Parteien hängen von der Decke wie mit Leim und Duftstoffen bestrichene Fliegenfänger. Die hat man früher in Kuhstall und Küche aufgehängt, daran pappten dann die Fliegen fest.

Daran erinnert der Wahlkampf 2009. Er ist ein antiquierter, ein klebriger Wahlkampf, der wohl darauf hinausläuft, dass die mit den meisten Fliegen nachher doch wieder gemeinsame Sache machen.

Vielleicht wäre es gut, den Wahlkampf durch eine Gruppentherapie zu ersetzen - nicht für die Wähler, sondern für die Parteien. Dort könnten die Parteien lernen, wie man Animositäten abbaut und wie man miteinander umgeht.

Womöglich ist aber vorläufig die große Koalition ein notdürftiger Ersatz für diese Gruppentherapie. Sie erhöht den Leidensdruck sowohl für die daran direkt Beteiligten, als auch für die nicht daran Beteiligten. Es wird Zeit, dass die Parteien so flexibel werden wie ihre Wähler.

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