Parteien:In der Not besinnen sich Union und SPD auf ihre Kernkompetenzen

Mehr Sicherheit, mehr Gerechtigkeit: Die großen Parteien konzentrieren sich auf ihre zentralen Anliegen. Die Vergangenheit zeigt, dass das nicht immer zum Erfolg führt.

Kommentar von Christoph Hickmann

Mal ist es der Bundeswehr-Einsatz im Innern, am nächsten Tag die Fußfessel für sogenannte Gefährder, am übernächsten die Gesichtserkennung. So langsam kommt man kaum noch hinterher angesichts des Takts, in dem die Union im Allgemeinen - und die CDU im Speziellen - derzeit sicherheitspolitische Forderungen verbreitet. Das mag etwas kopflos wirken, folgt aber tatsächlich einem klaren Kalkül.

Hier besinnt sich eine Partei ihrer Kernkompetenzen. Der parallele Vorgang ist seit einiger Zeit bei den Sozialdemokraten zu beobachten. Dort setzt Sigmar Gabriel, nachdem er die Partei noch im vergangenen Jahr Richtung Mitte rücken wollte, mehr und mehr auf soziale Gerechtigkeit, also das sozialdemokratische Anliegen schlechthin. Im Fall der CDU ist es die AfD, die ihr von rechts zu schaffen macht. Im Fall der SPD sind es die nach wie vor miesen Umfragewerte und nicht zuletzt die Angst des Vorsitzenden Gabriel, demnächst beiseitegeräumt zu werden. Treibende Kraft hinter dem Back to the roots ist also in beiden Fällen die Not.

Was soll die Konzentration aufs Kerngeschäft eigentlich bringen?

Das ist nichts Außergewöhnliches, sondern kommt in der Politik immer mal wieder vor. Zuletzt bemühte sich im Wahlkampf 2013 der damalige FDP-Spitzenkandidat Rainer Brüderle, seine Partei mit den von ihm sogenannten Brot-und-Butter-Themen vor dem Untergang zu retten. Und in Großbritannien brachte erst die Dauerkrise der Labour-Partei den linken Traditionalisten Jeremy Corbyn an die Spitze. Brüderle scheiterte bekanntermaßen, Corbyn ist womöglich auf dem Weg dorthin, und Union wie SPD müssen sich ebenfalls die Frage stellen, was genau die Konzentration aufs Kerngeschäft eigentlich bringen soll - zumal ja seit Jahren das Schrumpfen jener Stammwählerschaften beklagt wird, die man damit erreichen will.

Was die CDU angeht, muss sich das erst noch zeigen. Die Genossen hingegen könnten die Frage bereits beantworten - zumindest vordergründig betrachtet. Nach einem Wahlkampf 2013, in dem die SPD eine Steuererhöhung nach der nächsten gefordert hatte, setzte sie im ersten Jahr der großen Koalition derart viele sozialdemokratische Herzensanliegen um, dass man meinen konnte, sie regierte allein. Doch in den Umfragen bewegte sich nichts.

Das allerdings hatte andere, strukturelle Gründe. Grundsätzlich kann es gerade in Zeiten schwindender Wählerbindungen sinnvoll sein, die bewährten Botschaften zu setzen, weil sie Halt und Orientierung inmitten der Flüchtigkeit schaffen. Die Voraussetzung dafür aber heißt Vertrauen - und die SPD hatte in den Regierungsjahren bis 2009 ihre Stammwähler zu nachhaltig verstört, als dass die sich mal eben im Sturm hätten zurückerobern lassen. Zumal der konservative Sozialdemokrat Peer Steinbrück und das SPD-Programm, das er als Kanzlerkandidat zu vertreten hatte, so gut zueinanderpassten wie Rainer Brüderle und das kommunistische Manifest.

Für die CDU bedeutet das zweierlei. Erstens wird sie die AfD nicht allein dadurch erledigen können, dass sie in den aktuellen Wahlkämpfen schnell wieder über Sicherheit spricht. Sie wird das noch eine ganze Weile länger durchhalten und zugleich seriös bleiben müssen. Für überzogene, hysterische Forderungen muss die AfD zuständig bleiben. Zweitens müssen auch bei der Union Person und Programm zueinanderpassen. Die Frage ist, ob Angela Merkel die Richtige ist, um einen Wahlkampf zum Thema innere Sicherheit zu führen.

Es ist eine Richtungsentscheidung. Merkel hat die CDU geöffnet und ihr Dogmen ausgetrieben, sie aber auch entkernt und von sich selbst entfremdet. Sollte man an der Parteispitze nun zu dem Schluss kommen, dass 2017 nur die Konzentration auf "Brot und Butter" hilft, dann wären andere besser geeignet. Innenminister Thomas de Maizière zeigt gerade, wie es geht.

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