Parteien im Netz (6): CDU:Kauderwelsch als Podcast

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Auf Youtube war die CDU zwar Nachzügler, dafür können geneigte User aber online über das Grundsatzprogramm mitdiskutieren. Jetzt fehlt nur noch Merkel-TV.

Varinia Bernau

Also wirklich, ein so liebenswerter Knirps sei er gewesen, der kleine Sarkozy! Lobeshymnen stimmte die Grundschullehrerin auf den heutigen französischen Präsidenten an, als sich Nicolas Sarkozy vor eineinhalb Jahren anschickte, eben dieses Amt zu erobern. Die Erinnerungen sind in einem Film festgehalten, den der Konservative damals neben einer Vielzahl weiterer Videos in seinen eigenen Youtube-Kanal stellte. Ganz gezielt buhlte Nicolas Sarkozy um die Stimmen der Generation 2.0.

Da geht's lang: In Sachen Internet holt sich die CDU bei Sarkozy und den französischen Konservativen Inspiration. (Foto: Foto: dpa)

Das wär doch was, dachten sich, von den Franzosen inspiriert, die Wahlkampfstrategen von Christian Wulff kurz vor der niedersächsischen Landtagswahl im vergangenen Januar - und riefen Wulff-TV ins Leben, einen Youtube-Kanal, in den sie 13 Filme mit ihrem Spitzenkandidaten als Protagonisten stellten. Parteiprogramme in der Fußgängerzone verteilen - das war gestern. Heute wird Wahlkampf im Internet gemacht. Dank der CDU ist das Credo auch in Deutschland angekommen. Nur: Ob Klein-Christian genauso liebenwert war wie der "petit Nicolas", das ist nicht überliefert - denn die Macher von Wulff-TV erwiesen sich als weniger kreativ als Sarkozys Wahlkampfteam.

Reporter als Stichwortgeber

Dem kurzen Intro, das Wulff mit der Aura eines Musterschwiegersohns vor pompöser Hintergrundmusik beim Händeschütteln und Autogrammegeben zeigt, folgt ein Interview. Was als Dialog angelegt ist, entpuppt sich allerdings als Monolog: Der Reporter von Wulff-TV ist nur Stichwortgeber. Er hält dem Politiker das orangefarbene Mikro vor den Mund - und der spricht hinein: Mehr als zwei Minuten lang referiert er, wie er "klare Kante" gegen jugendliche Straftäter zeigen wolle. Um die Dramatik etwas zu steigern, werden mit krachendem Soundeffekt Aufnahmen aus der Münchner U-Bahn eingeblendet - quasi als Erinnerung daran, dass dort kurz zuvor zwei Jugendliche einen Rentner brutal zusammengeschlagen hatten.

Nun ist die niedersächsische Staatskanzlei nicht der Élysée-Palast. Aber die Clip-Reihe auf Wulff-TV gibt einen Vorgeschmack auf das, was die CDU im Bundestagswahlkampf auffahren könnte. Im Konrad-Adenauer-Haus gibt man sich noch geheimnisvoll: Man wolle den eingeschlagenen Weg weiter konsequent beschreiten, heißt es auf Nachfrage. Mehr wird nicht verraten.

Der eingeschlagene Weg - das ist bislang ein Youtube-Kanal der Bundespartei, der vor allem als Depot für 16 Videos von einer Rundreise des CDU-Generalsekretärs Ronald Pofalla dient: Pofalla beim Gottesdienst in der Leipziger Nikolaikirche, wo einst die Montagsdemos die Wende einleiteten. Pofalla in einem Einkaufszentrum im Städtchen Herzogenrath, durch dessen Mitte die deutsch-niederländische Grenze verläuft. Unter den im Bundestag vertretenen Parteien war die CDU im vergangenen August zwar die letzte, die einen eigenen Youtube-Kanal lancierte - und so erledigte, was die FDP bereits im Februar 2006 vorgemacht hatte.

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Doch die Partei nutzt das Internet bereits seit längerem, um auf sich aufmerksam zu machen - und das, wie man es von einer großen Volkspartei erwartet: mit elegantem Design und technischem Know-how. Noch vor der Youtubisierung der Politik setzte die CDU etwa auf Audio-Podcasts. Im August 2005 stellte der damalige Generalsekretär und heutige Fraktionsvorsitzende Volker Kauder seinen iKauder, Auszüge aus seinem politischen Tagebuch, zum Herunterladen ins Netz - und erntete vor allem Häme. Die taz nannte das Politikergeschwätz to go "i-berflüssig" und ein Blogger im Netz empfahl Kauder, er möge sich doch gleich die Domaine www.ikauderwelsch.de sichern.

Zugegeben: Man mag sich nicht so recht vorstellen, dass auf den iPods der hippen Jung-Berliner tatsächlich das betuliche Badisch läuft, in dem Kauder gesteht, dass er "auch mal gern schnell fährt auf der Autobahn". Doch zumindest bietet die CDU im Netz einen multimedialen Blumenstrauß, aus dem sich jeder herauspflücken kann, was ihm eben beliebt.

Jugendfotos der Politpromis als Köder

Dabei hat die Partei übrigens auch wieder die guten alten Schwarzweißfotos hervorgekramt - und auf komische Weise neu inszeniert. Um neue Mitglieder zu werben, schlägt die CDU auf ihrer Internetseite eine Art Familienalbum auf: Die prominentesten Parteifiguren erklären, wie sie zur Politik gekommen sind - und stiften dazu ein Jugendbild. Jeder, der schon einmal neugierig auf das verblichene Foto aus dem Führerschein von Bekannten geschielt hat, weiß um die Wirkung solcher Dokumente längst vergangener Zeiten. Die scheinen auch auf der Internetseite vorbei zu sein - zumindest sind sie auf der CDU-Seite nicht mehr aufzufinden.

Die hohen Kosten für das umfangreiche Parteiengagement der CDU im Netz könnte manchen verwundern. Die Erklärung liegt aber auf der Hand: Wer, wenn nicht die mitgliederstärkste Partei Deutschlands, könnte sich einen professionellen Internetauftritt leisten? Zwar wiegelt man bei der niedersächsischen CDU auf die Frage nach den Kosten für Wulff-TV ab: Kaum der Rede wert, ein Prozent des Wahlkampfetats - nicht mehr. Doch das sind immerhin noch 25.000 Euro - und ein Zehntel dessen, was der niedersächsische Landesverband der Grünen für den dortigen Wahlkampf zur Verfügung hatte.

Die komfortable Finanzlage nutzt die Partei auch, um den Dialog mit Mitgliedern und möglichen Wählern im Internet zu suchen: Während die Linke das Projekt eines Internetforums aufgeben musste, weil ihr schlicht die Mittel fehlten, um es zu moderieren, bietet die CDU auf ihrer Internetseite gleich vier Themenblöcke, in denen man sich nach der Anmeldung munter austauschen kann.

Die Partei verweist zudem stolz darauf, dass sie auch virtuelle Arbeitskreise zum Grundsatzprogramm gebildet hatte, in denen sich Mitglieder online äußern konnten. Die etwa 6000 Beiträge, die so im Laufe eines Jahres gesammelt wurden, seien auch Impulsgeber für die Kommission gewesen, die das Programm zusammengestellt hat, ehe es im Dezember 2007 verabschiedet wurde.

Und auch die Bundeskanzlerin sucht übers Internet den Dialog: Seit Oktober 2006 gibt es die Plattform www.direktzurkanzlerin.de: Die Fragen, die ein User der Kanzlerin dort stellt, können andere bewerten. Die Kanzlerin beantwortet die so ermittelten Top 3 der Anliegen. Aber die E-Mail-Adresse von Angela Merkel ist auch hier zu finden: Unter dem Podcast der Kanzlerin, der an jedem Samstag ins Netz geht.

Mit ihrer Videobotschaft an die Nation ist Angela Merkel weltweit eine der wenigen Regierungschefs, die multimedial Rechenschaft über ihre Arbeit ablegen. Im Kanzleramt, wo der Podcast betreut wird, will man das ausdrücklich nicht als Parteipolitik verstanden wissen. Doch die nächste Bundestagswahl rückt näher. Man darf sich also auf Merkel-TV freuen - und darauf, endlich aus erster Hand zu erfahren, wie die kleine Angie sich in der Grundschule angestellt hat.

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