Parteien:Im Jugendrausch

Die Jungen müssen ran in den deutschen Parteien, heißt es jetzt - wie in Frankreich oder Österreich. Aber das ist zu einfach gedacht. Es kommt auf neue Ideen in den Köpfen an - und nicht aufs Alter dieser Köpfe.

Von Ferdos Forudastan

Wenn es mal so einfach wäre. Wenn man sagen könnte, führende Politiker, vor allem die von Union und SPD, müssten nur Jüngeren Platz machen, dann würde es wieder aufwärts gehen mit den Parteien. Schön wär's, wenn diese populäre und auf den ersten Blick plausible These auch einem zweiten Blick standhielte. Das tut sie aber nicht.

Angela Merkel mit ihren 63 und Martin Schulz mit seinen 62 Jahren sind nahezu im Rentenalter. Aber sehr viel jünger war die CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin auch vor rund zweieinhalb Jahren nicht. Damals, kurz vor dem Höhepunkt der Flüchtlingsbewegung, war sie bei den Deutschen so angesehen wie selten zuvor in ihrer Amtszeit. Und SPD-Chef Martin Schulz, vor knapp einem Jahr auch schon über 60, fuhr in den Umfragen Anfang 2017 glänzende Ergebnisse ein.

Merkel und Schulz sind inzwischen deutlich weniger populär - aber nicht, weil sie älter geworden sind. Es ist politisch viel passiert: Vor allem Merkels Flüchtlingspolitik und die Attacken aus der CSU auf die Kanzlerin haben die Union viele Wählerstimmen gekostet. Und Martin Schulz hat als Parteichef wie als Wahlkämpfer etliche Fehler gemacht. Das und nicht sein Geburtsjahr sind die Ursache dafür, dass er nun um sein politisches Überleben kämpfen muss. Anders ausgedrückt: Es spricht wenig dafür, dass Merkel und Schulz es derzeit in ihren Parteien und bei den Wählern wesentlich leichter hätten, wenn sie zehn, 20 oder noch mehr Jahre jünger wären.

Jung sein ist so wenig ein Rezept für politischen Erfolg wie das Alter eine Bürde

Schon richtig, es gibt Amtsträger, die punkten auch damit, dass sie jung sind. Der französische Präsident Emmanuel Macron mit seinen 40 oder der österreichische Kanzler Sebastian Kurz mit seinen 31 Jahren illustrieren ihren Anspruch, eine völlig neue Politik zu machen mit ihrem für Spitzenpolitiker niedrigen Alter. Macrons und Kurz' Jugendlichkeit alleine würden beim Publikum allerdings nichts ausrichten. Sie verfängt nur, weil diese Jugendlichkeit sich mit den Kampagnen der beiden gegen die heftig in Misskredit geratenen etablierten Parteien ihrer Länder verbindet. Ähnlich sieht es bei Juso-Chef Kevin Kühnert aus: Träfe er mit seiner Kritik an der SPD-Führung nicht einen Nerv in der Partei, würden ihm seine 28 Jahre viel weniger zum Vorteil gereichen, als das jetzt der Fall ist. Und das CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn erregt nicht einfach deshalb Aufmerksamkeit, weil er erst 37 Jahre zählt, sondern weil er erst 37 Jahre zählt und den rechten Merkel-Kritikern in der Union eine Stimme gibt.

Kein Zweifel, Parteien müssen sich um Nachwuchs bemühen, wollen sie nicht aussterben. Sie müssen ihn fördern und ihm auch herausgehobene Positionen zutrauen. Den Generationswechsel sollten die Parteien ernster nehmen als bisher. Aber: In der Politik ist Jugend alleine ebenso wenig eine Garantie für Zustimmung wie das Alter eine Bürde. Ein neues Gesicht, eine ganz andere, Menschen überzeugende Sicht der Dinge, viel Leidenschaft - ob jung oder alt: Das zählt mehr als die Frage, wann Hoffnungsträger geboren wurden. Der kantige US-amerikanische demokratische Sozialist Bernie Sanders, der knorrige britische Labour-Chef Jeremy Corbyn sind 76 und 68, also ältere Männer - ältere Männer mit Millionen Fans gerade unter jungen Leuten.

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