Parteien:Die AfD steht vor der Zerreißprobe

AfD-Bundesvorstand

Die AfD-Spitze um Frauke Petry (M.), Stellvertreter Alexander Gauland (l.), und Jörg Meuthen (r.), Sprecher des Bundesvorstands, erlebt gerade unruhige Zeiten.

(Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)
  • Die AfD erlebt in diesen Tagen ihre härtesten inneren Kämpfe seit dem Sommer 2015.
  • Der Streit um den Parteiausschluss des Rechtsnationalisten Björn Höcke nach seiner Dresdner Rede wirkt nach.
  • Diese Unruhe war jetzt der Grund für eine gemeinsame Erklärung der AfD-Landesvorsitzenden - ein sorgfältiges Bekenntnis zur Einigkeit.

Von Jens Schneider, Berlin

Es sollte längst wieder Ruhe eingezogen sein in der Partei. So hatte es sich die AfD-Chefin Frauke Petry vorgestellt. Auch die Mehrheit im Bundesvorstand wollte das glauben, als sie vor zwei Wochen dafür stimmte, den Rechtsnationalisten Björn Höcke auszuschließen. Mit seiner gespenstischen Dresdner Rede hatte er in den Augen von Petry der AfD massiv geschadet, nicht zum ersten Mal. Sie weiß, dass der Ausschluss von den Schiedsgerichten der Partei gekippt werden könnte, aber es sollte ein Signal gesetzt werden.

Das sei politisch naiv, warnten die Widersacher in der Spitze, Petrys Ko-Vorsitzender Jörg Meuthen und der Partei-Vize und Höcke-Freund Alexander Gauland. In der AfD würde Unruhe ausbrechen, prophezeiten sie - das konnten sie schon deshalb mit großer Gewissheit, weil sie selbst dazu beitrugen. Aber an Meuthen und Gauland allein liegt es nicht, dass die AfD in diesen Tagen ihre härtesten inneren Kämpfe seit dem Sommer 2015 erlebt.

Damals hatte der Mitgründer Bernd Lucke die AfD nach hässlichen Konflikten verlassen. Jetzt erreichen die Bundesgeschäftsstelle der AfD in Berlin auch zwei Wochen nach dem Beschluss täglich 800 Mails von aufgebrachten Mitgliedern. Rund 8000 seien insgesamt eingetroffen, heißt es. Viele der Schreiber fordern, die Parteispitze möge endlich Ruhe geben, sie gefährde die Chancen bei der Bundestagswahl, indem sie sich auf offener Bühne streitet.

Die gemeinsame Erklärung der AfD-Landesvorsitzenden mutet absurd an

Diese Unruhe war jetzt der Grund für eine gemeinsame Erklärung der AfD-Landesvorsitzenden, die freilich absurd anmutet, wenn man die Liste der Unterzeichner liest. Es ist ein sorgfältig abgestimmtes und damit inhaltsarmes Bekenntnis zur Einigkeit, das die heikle Lage der Partei noch deutlicher macht als alle Streitereien. Da erklären die Landeschefs, die AfD habe sich mit den scharfen internen Diskussionen von ihrer "eigentlichen historischen Aufgabe ein Stück entfernt, dem politischen Gegner entschlossen und gemeinsam die Stirn zu bieten und glaubwürdige Politik für unser Vaterland zu gestalten".

Die Bewertung der "aktuellen Personaldiskussion" sei nun in die Hände der Schiedsgerichte gelegt, schreiben sie. Gemeint ist der Fall Höcke. Mehr wird dazu nicht gesagt, der Rest ist ein Aufruf zu Kampf und Geschlossenheit. Zu den Unterzeichnern zählen Mitglieder des Bundesvorstands, die für den Ausschluss Höckes stimmten, auch Frauke Petry - und Höcke selbst. So ruft Petry gemeinsam mit dem Mann zur Gemeinsamkeit auf, mit dem sie und die anderen laut Vorstandsbeschluss nichts mehr zu tun haben wollen. Höcke zögerte dem Vernehmen nach mit der Unterschrift. Aber er ist derzeit zu vielem bereit, um seinen Ausschluss abzuwenden.

Die Erklärung solle ein erster Versuch sein, den aktuellen Abwärtstrend aufzuhalten, sagt einer der Unterzeichner - und klingt wenig überzeugt. Die Erklärung spiegelt die Ratlosigkeit wider, die der Richtungskampf inzwischen auslöst. Irritiert erlebt die AfD zum ersten Mal seit dem Bruch mit Lucke, dass ihr ein heftig ausgetragener Streit in Umfragen schaden kann. Monatelang schien sie dagegen immun zu sein, nun rutschte die AfD auf etwa zehn Prozent ab - und liegt in einigen Umfragen sogar darunter.

In der Partei ist die Angst zu spüren

"Wenn Sie so weitermachen, ist der Bundestag für uns in weiter Ferne", schrieb Höcke-Freund Gauland in einer erbosten, intern gedachten Mail an einen Vorstandskollegen und sprach davon, dass man ja auch bei vier Prozent landen könnte. Es war eine für Gauland typische Zuspitzung, und doch ist in der Partei Angst zu spüren, dass der Einbruch länger wirkt - auch weil es keine naheliegende Lösung gibt. Dass auch der SPD-Kanzlerkandidat Schulz der AfD Anhänger streitig macht, irritiert die Spitzen zusätzlich. Sie hatten Schulz zunächst als Geschenk für die AfD gefeiert, weil er als überzeugter EU-Politiker doch für alles stünde, was AfD-Anhänger ärgert.

In Sachen Höcke scheiterten Gauland und Meuthen gerade am Rest des Vorstands, als sie eine Mail an alle AfD-Mitglieder aussenden wollten, um für dessen Rehabilitierung zu werben. Er habe sich für seine Rede entschuldigt, man solle ihn kameradschaftlich wieder aufnehmen, warben die Höcke-Freunde. Sie verweisen auf viele Schreiben von Anhängern, die Petry Karrierismus und "Anpassung an den Mainstream" vorwerfen. Umgekehrt rechnen Höckes Gegner vor, dass dessen Rede zum dramatischen Einbruch in den Umfragen geführt habe - seinetwegen würden viel mehr Wähler als zuvor die AfD eindeutig rechtsaußen verorten. Auch sie haben viele Briefe bekommen. Offenbar schreiben der Partei ähnlich viele Höcke-Unterstützer wie Gegner. Das Gleichgewicht hält den Streit am Kochen. Eine Krise lasse sich schwer heilen, sagt ein Vorstandsmitglied, wenn man sich schon über den Grund nicht einig sei.

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