Parteien:Das große Dilemma der Demokraten

  • Nach der Niederlage von Hillary Clinton und dem Ende der Präsidentschaft von Barack Obama suchen die Demokraten eine neue Führungsfigur.
  • Donald Trump gewann mit Wisconsin und Pennsylvania demokratische Bastionen.
  • In den Reihen der Partei gibt es aber derzeit keinen Kandidaten, der die verlorenen weißen Arbeiter zurückgewinnen könnte.

Von Hubert Wetzel

Wenn man das Ende der US-Wahl mit einer Schlacht vergleichen will, dann fällt einem Waterloo ein - die Niederlage, die 1815 Napoleon Bonaparte endgültig entmachtete. In Amerika freilich stürzte am frühen Mittwochmorgen nicht nur die schon fast gekrönte Herrscherin Hillary Clinton; auch die Demokratische Partei liegt nach dieser Wahl in Trümmern.

Vielleicht aber wäre die Schlacht von Cannae, in der Hannibal 216 vor Christus die Römer vernichtend schlug, der bessere Vergleich; nicht nur, weil der amerikanische Wahlsieger Donald Trump eher dem ruppigen afrikanischen Heerführer ähnelt als dem Waterloo-Sieger, dem feinen Duke of Wellington; sondern auch, weil Trump die Demokratin Clinton mit einem klassischen Cannae-Manöver schlug: Er umging ihre Flanke und fiel ihr in den Rücken.

Übertragen auf die politische Geografie Amerikas heißt das: Trump nahm Clinton im Handstreich einen Bundesstaat weg, den die Demokraten für uneinnehmbar gehalten und deswegen nicht einmal vernünftig verteidigt hatten - Wisconsin. Es war Trumps Sieg in diesem Staat - zusammen mit seinen Erfolgen in Ohio, Pennsylvania und womöglich Michigan -, der Clintons Niederlage besiegelte. Seit 1988 hatte in Wisconsin kein republikanischer Präsidentschaftskandidat mehr gewonnen, zumindest Pennsylvania und Michigan galten als ähnlich sicher für Clinton.

Hillary Clinton verlor diese Staaten, weil die wichtigste Wählergruppe dort mit überwältigender Mehrheit für Donald Trump stimmte: Weiße aus der Arbeiterschicht mit niedrigen Bildungsabschlüssen - und zwar Männer und Frauen. Dass Clinton mit diesen Wählern Probleme haben würde, war abzusehen. Das Ausmaß ihrer Probleme allerdings war überraschend. Und weil Clinton den Verlust von Wisconsin und vor allem Pennsylvania nicht dadurch ausgleichen konnte, dass sie dem Republikaner ihrerseits einige Staaten im Süden wegnahm, fehlten ihr am Ende die entscheidenden Stimmen im Wahlmännerkolleg.

Für die Demokratische Partei und ihre Fähigkeit, in absehbarer Zukunft wieder Wahlen zu gewinnen, ist diese Analyse zutiefst beunruhigend. Die zwei glänzenden Wahlsiege von Barack Obama hatten die Partei fest daran glauben lassen, dass sie das Weiße Haus mit einer Wählerkoalition aus Jungen, gebildeten Frauen, Schwarzen und Latinos erobern könne - ohne weiße Arbeiter. Seit Dienstagnacht wissen die Demokraten: Dieses Kunststück schafft nur Obama. Er kann ein solches Wählerbündnis schmieden und dann bewirken, dass die Menschen auch tatsächlich in ausreichend großer Zahl zur Wahl gehen.

Aber diese Wählerkoalitionen lassen sich in den USA nicht einfach von Kandidat zu Kandidat weiterreichen. Obama hat es im Wahlkampf versucht, er hat vor allem die Schwarzen beschworen, wählen zu gehen - offenbar ohne Erfolg. Clinton, die Millionärin und Washingtoner Insiderin, hatte keine Chance gegen den Populismus von Trump.

Es gab im Vorwahlkampf einen Demokraten, der genau dieses Szenario vorhergesagt hatte: Bernie Sanders, der linksliberale Senator aus Vermont, der Clinton bei den Primaries in Michigan und Wisconsin geschlagen hatte. Er war mit ähnlich populistischen Botschaften in den parteiinternen Wahlkampf gegen Clinton gezogen wie später Trump - gegen Freihandel, gegen das Washingtoner Establishment, gegen "die Politiker", die sich angeblich nur selbst die Taschen vollstopfen, aber die kleinen Leute vergessen.

Sanders wäre daher eine Art natürlicher Erbe, der die Führung der Demokraten von Clinton übernehmen könnte. Das Problem: Sanders ist 75 Jahre alt. Für einen Neuanfang ist er kaum der Geeignete.

Wer also soll die Partei anführen? Barack Obama ist von Januar an ein Politrentner. Er wird ein Buch schreiben, Reden halten, vielleicht eine Stiftung gründen und als Elder Statesman Ratschläge geben. Aber er wird die Demokraten nie wieder in einen Präsidentschaftswahlkampf führen.

Das Gleiche gilt für Clinton. Sie hatte ihre Chancen. Die Ära der Clintons ist in der Demokratischen Partei genauso vorbei, wie die Ära der Familie Bush bei den Republikanern vorbei ist.

Trump auf dem Feld des Populismus zu schlagen, scheint aussichtslos

Lässt man Obama und Clinton beiseite, wird die Personaldecke der Demokraten schon dünn. Vor allem fehlt eine mögliche Führungspersönlichkeit, die jene weißen Arbeiter wieder zu den Demokraten zurückholen könnte, die zu den Republikanern abgewandert sind - und wahlentscheidende Staaten wie Wisconsin, Ohio und Pennsylvania mitgenommen haben. Die kämpferische, liberale Senatorin Elizabeth Warren - Liebling der Parteilinken - würde in diesem Milieu wohl kaum besser ankommen als Hillary Clinton. Bill Clinton, der arme Junge aus Hope, Arkansas, konnte mit diesen Menschen ausgezeichnet umgehen. Doch auch der frühere Präsident kommt nicht infrage.

In demokratischen Kreisen wurde am Mittwoch spekuliert, dass Vizepräsident Joe Biden die Lücke füllen könnte. Er stammt aus Scranton, einer Arbeiterstadt in Pennsylvania, er ist ein Schulterklopfer und Kumpeltyp, der in einer Maschinenhalle, umgeben von Arbeitern in Blaumännern, nicht völlig deplatziert wirkt. Aber auch Biden wird von Januar an kein politisches Wahlamt mehr innehaben. Außerdem ist fraglich, ob er sich nach vielen Jahren im Senat und acht Jahren als Vizepräsident noch einmal ins Kampfgetümmel stürzen will. Biden hatte selbst darüber nachgedacht, sich um Obamas Nachfolge zu bewerben. Nach dem Tod seines Sohnes Beau Biden im Frühjahr 2015 hatte er sich allerdings dagegen entschieden und Clinton den Vortritt gelassen. Das dürfte er in den vergangenen Monaten bereut haben, als Clintons Schwächen als Kandidatin offensichtlich wurden.

Weiße Arbeiter sind allerdings nicht das einzige Problem, das die Demokraten haben. Schon als George W. Bush zweimal gewann, beklagten einige Demokraten, dass die Partei zu sehr von linksliberalen Interessengruppen gefesselt worden sei, um im ganzen Land wettbewerbsfähig zu sein. In New York oder Kalifornien gewinnen die Demokraten regelmäßig mit großem Vorsprung, weil die Mehrheit der Wähler dort für das Recht auf Abtreibung ist, für die Homo-Ehe, für strenge Waffengesetze und eine Liberalisierung der Drogenpolitik. In etwas konservativeren Bundesstaaten sehen die Wähler das allerdings völlig anders - und wählen Republikaner.

Aus diesem Dilemma werden die Demokraten so schnell nicht herauskommen. Trump auf dem Feld des Populismus schlagen zu wollen scheint derzeit aussichtslos zu sein. Eine Möglichkeit wäre, dass die Demokraten einfach warten. Der Anteil weißer Wähler an der Wahlbevölkerung sinkt stetig, der Anteil der Minderheiten wächst, vor allem der Latinos. Das eröffnet die Chance, dass vielleicht Staaten im Südwesten vom republikanischen Lager ins demokratische wechseln, so wie im Nordosten die "Rostgürtel"-Staaten gekippt sind. Vor der Wahl hatten die Demokraten immerhin kurz davon geträumt, dass Texas, eine republikanische Bastion, fallen könnte. Stattdessen fielen die demokratischen Bastionen Wisconsin und Pennsylvania. Warten und hoffen ist also auch keine wirklich geeignete Zukunftsstrategie für die Partei.

Als Interimsführer der Demokraten steht im Moment eigentlich nur Tim Kaine bereit, der Vizekandidat von Clinton. Er ist Senator, spricht Spanisch und hat im Wahlkampf zumindest keine Fehler gemacht. Zudem stammt er aus Virginia, einem ehemals konservativen Staat, der in den vergangenen Jahren demokratisch geworden ist. Was Kaine fehlt, ist Charisma. Und es hätte geholfen, wenn er und Clinton in Virginia mit klarem Vorsprung gewonnen hätten. Sie siegten dort zwar knapp, aber das Ergebnis war kein Vertrauensvotum der Wähler.

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