Parteieintritte:"Nun werde ich endlich SPD-Mitglied"

Parteibücher der SPD

Die braucht die SPD jetzt: Parteibücher für die mehr als 1800 Menschen, die seit dem SPD-Parteitag am Sonntag im Internet einen Antrag auf Mitgliedschaft gestellt haben.

(Foto: Michael Kappeler/dpa)

Mehr als 1800 Menschen haben seit dem Parteitag am Sonntag einen Antrag auf SPD-Mitgliedschaft gestellt. Warum gerade jetzt? Wir haben uns unter Neumitgliedern umgehört.

Von Jasmin Siebert

Mit einem Zehner sei man gegen die Groko dabei - so werben die Jusos derzeit um neue Mitglieder. Insbesondere Frederick Cordes, der nordrhein-westfälische Juso-Chef möchte so möglichst viele Gegner einer Neuauflage des Bündnisses von Union und SPD gewinnen.

Bereits in den vergangenen Monaten gab es zahlreiche Neueintritte in der Partei. Doch insbesondere seit dem SPD-Parteitag am Sonntag schnellen die Zahlen deutlich nach oben. Mindestens 1847 Menschen haben seitdem im Internet einen Antrag auf Mitgliedschaft in der SPD gestellt. In der Anti-Groko-Hochburg Nordrhein-Westfalen waren es bis zum Dienstagnachmittag mehr als 600 Online-Anträge, in Bayern mehr als 200, in Hessen 190 und in Berlin 170. Und noch immer gehen weitere Online-Anträge ein. Die "Papier"-Anträge seien noch gar nicht erfasst, teilen die Landesverbände mit.

SPD-Mitglied werden darf jeder, der mindestens 14 Jahre ist und nicht Mitglied in einer anderen Partei ist. Eine Mitgliedschaft in der SPD kostet mindestens fünf Euro monatlich - gestaffelt nach Einkommen auch mehr. Ehe die Ortsverbände die Parteibücher verschicken, überprüfen sie die Anwärter. Theoretisch haben sie vier Wochen Zeit dazu, doch die meisten Landesverbände lassen durchblicken, dass alle, die jetzt einen Antrag stellen, auch noch rechtzeitig bis zur Abstimmung ihr Parteibuch erhalten sollen. Doch Christoph Gehring, der Pressesprecher der hessischen SPD, betont: "Eine Mitgliedschaft ist immer auf Dauer angelegt. Sie ist kein Instrument, um kurzfristig den Mitgliederentscheid zu beeinflussen."

Die Süddeutsche Zeitung hat sich umgehört, was Menschen motiviert hat, neu in die SPD einzutreten. Auffällig ist: Die von uns befragten Neumitglieder legen Wert darauf, dass sie nicht nur wegen der Mitgliederabstimmung eintreten, sondern langfristig dabeibleiben möchten. Und sie sind auch nicht alle gegen eine Koalition mit der Union.

Parteieintritte: "Scheiße, die machen wieder Groko!" Um das zu verhindern, trat Johannes L. gemeinsam mit vier Freunden noch am Abend der Bundestagswahl in die SPD ein.

"Scheiße, die machen wieder Groko!" Um das zu verhindern, trat Johannes L. gemeinsam mit vier Freunden noch am Abend der Bundestagswahl in die SPD ein.

(Foto: privat)

Johannes L., 26, Jurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter an einem Forschungsinstitut in Florenz: Am Wahlabend saß ich mit vier Freunden in einer Bar. Als die ersten Hochrechnungen kamen, schauten wir uns erschrocken an. Scheiße, die machen wieder Groko! Das war nicht nur mein Gedanke. Wir reichten dann den Laptop herum und stellten nacheinander einen Online-Antrag auf eine SPD-Mitgliedschaft. Wir möchten die große Koalition verhindern. Aber zumindest ich bin nicht nur deswegen eingetreten. Ich finde es nicht gut, dass aus unserer Generation fast nur Leute in eine Partei eintreten, die eine politische Karriere anstreben. Ich verspüre eher den allgemeinen Wunsch, gesellschaftlich etwas mitzugestalten. Die Grünen wären für mich auch infrage gekommen, zumal ich mit der Klimapolitik der SPD nicht einverstanden bin.

Joachim Polloczek, 61, Bauleiter, aus Deggendorf: Meine Tochter und deren Freund überredeten mich neulich, zu einer Demonstration gegen die rechte Partei "Der dritte Weg" mitzukommen. Der Freund ist bei der SPD. Ich hatte vorher nichts am Hut mit Demonstrationen oder Parteipolitik. Doch der Aufmarsch der Rechten war für mich der ausschlaggebende Punkt, dass ich mich jetzt politisch engagieren möchte. Ich finde, die innerparteiliche Auseinandersetzung der SPD darf nicht auf dem Rücken der Bundesrepublik ausgetragen werden. Es sollte endlich Ruhe einkehren und deswegen bin ich klar für die große Koalition. Wir brauchen eine stabile Regierung, auch in Hinsicht auf Europa. Sicher bin ich nicht mit allen Punkten der SPD hunderprozentig einverstanden. Dennoch habe ich schon länger mit dem Gedanken gespielt, nun werde ich endlich SPD-Mitglied. Natürlich möchte ich nach dem Mitgliederentscheid dabeibleiben. Wenn schon, denn schon.

Parteieintritte: Sarah Langenstein möchte nicht nur Karteileiche sein, sondern sich aktiv in der SPD engagieren.

Sarah Langenstein möchte nicht nur Karteileiche sein, sondern sich aktiv in der SPD engagieren.

(Foto: privat)

Sarah Langenstein, 24, Jurastudentin, aus Oberhausen: Ich habe am 12. Januar meinen Online-Antrag gestellt. Auslöser war der Facebook-Post eines Freundes. Ich habe schon früher darüber nachgedacht, SPD-Mitglied zu werden. Doch ich wollte nicht einfach nur eine Karteileiche sein, sondern mich auch aktiv engagieren, wenn ich dabei bin. Jetzt habe ich die Zeit dafür. Bald gibt es ein Infotreffen für Neumitglieder in NRW. Auch zum nächsten Treffen meines Ortsvereins möchte ich gehen und schauen, wie ich mich da einbringen kann. Ich bin gegen die große Koalition, aber falls sie doch zustande kommt, ist das für mich kein Grund, gleich wieder auszutreten. Lieber möchte ich dafür sorgen, dass es beim nächsten Mal ein besseres Ergebnis gibt.

Parteieintritte: Für den Polarforscher Valentin Ludwig ist die Debatte innerhalb der SPD über eine erneute Koalition mit der Union ein Musterbeispiel gelebter Demokratie.

Für den Polarforscher Valentin Ludwig ist die Debatte innerhalb der SPD über eine erneute Koalition mit der Union ein Musterbeispiel gelebter Demokratie.

(Foto: privat)

Valentin Ludwig, 27, promoviert an der Universität Bremen über Polarforschung: Ich bin gerade in den USA und am Sonntag online in die SPD eingetreten. Anlass war die parteiinterne Debatte über die Koalition mit der Union. Für mich war das ein Musterbeispiel von Demokratie. Auch die Kampagne der Jusos in den letzten Wochen hat mich begeistert. Ich bin der festen Überzeugung, dass eine erneute große Koalition langfristig verheerend für die SPD ist. Ich will mich daran beteiligen, politische Lösungen für die großen Fragen unserer Zeit wie Klimawandel und die Integration Geflüchteter zu finden.

Pia R., 26, Jurapromovendin, aus Hamburg: Die Grundausrichtung der SPD hat sich für mich schon immer "richtig" angefühlt. Während des Studiums war ich in der Juso-Hochschulgruppe meiner Uni aktiv und ich spiele seit Jahren mit dem Gedanken, SPD-Mitglied zu werden. Vor zwei Wochen hat dann ein Facebook-Freund dazu aufgerufen, in die SPD einzutreten, um durch den Mitgliederentscheid die Groko zu verhindern. Dem ersten Teil seines Aufrufs bin ich gefolgt. Aber ich habe ihn nur zum Anlass genommen, mir einen Ruck zu geben: Wie ich abstimmen werde, habe ich noch nicht entschieden. Sowieso habe ich oft das Gefühl, zu wenig fundiertes Wissen und Erfahrung zu haben, um eine standfeste Meinung zu konkreten politischen Fragen zu entwickeln. Andererseits werden gerade in den letzten Monaten und Jahren viele Meinungsschnipsel geäußert, die mir gegen den Strich gehen. Wenn sich andere Leute öffentlich zu solchen Meinungen bekennen, kann ich mich auch offiziell zur Grundausrichtung der SPD bekennen. So kann ich immerhin einen Minibeitrag leisten.

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